GDL-Chef Claus Weselsky verteidigt den Lokführerstreik. Foto: dpa

Kritik am Mega-Streik der Lokführergewerkschaft GDL kann deren Chef Claus Weselsky nicht nachvollziehen. Die Bahn lasse die Lage eskalieren, die Gewerkschaft sehe sich zum Sechs-Tage-Ausstand gezwungen.

Berlin - Millionen Pendler und Reisende trifft am Dienstag der längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) rief ihre Mitglieder auf, bis zum Sonntagmorgen um 9.00 Uhr die Arbeit niederzulegen. Sie hält trotz großer Kritik am achten Arbeitskampf der laufenden Tarifrunde fest.

Bei der Bahn gelten Ersatzfahrpläne. Jeder dritte Fernzug soll trotz des erneuten Streiks fahren. Im Regionalverkehr rechnet das Unternehmen mit 15 bis 60 Prozent des regulären Angebots, die meisten Ausfälle werden in Ostdeutschland erwartet.

„Wir wissen, dass die Bahnkunden nicht vor Begeisterung am Bahnsteig stehen und klatschen“, sagte GDL-Chef Claus Weselsky - und wies der Bahn die Schuld zu. Schon am Montagnachmittag hatte der Streik im Güterverkehr begonnen.

Hohe Schäden befürchtet

Deutschlands Konzerne fürchten durch den einwöchigen Ausstand einen Schaden von bis zu einer halben Milliarde Euro. Besonders betroffen sind nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) die Stahl-, Chemie- und Autobranche, die auf die pünktliche Lieferung von Einzelteilen und Rohstoffen angewiesen seien.

Die Bahn will zwischen der Hälfte und zwei Drittel der Güterzüge mit beamteten Lokführern und Nicht-GDL-Mitgliedern fahren lassen. Sie fürchtet dennoch, sie werde „massiv Geschäft verlieren“. „Vor allen Dingen ist unser Image als verlässlicher Verkehrsträger in Gefahr“, sagte Logistik-Vorstand Karl-Friedrich Rausch am Montag.

Der bundeseigene Konzern schlug abermals eine Schlichtung vor und erneuerte sein Angebot aus der vergangenen Woche. Weselsky machte die Bahn verantwortlich: „Die Eskalation verursacht die Deutsche Bahn AG.“ Der Arbeitgeber verhandele seit zehn Monaten, ohne ein Ergebnis zu wollen. „Einen Schritt vor, zwei zurück“, sei die Strategie. Der Konzern wies sämtliche Gewerkschaftsvorwürfe zurück und kritisierte den Streikaufruf. Aus der Bundesregierung kamen Forderungen nach einer Schlichtung.

Auch Angela Merkel hofft auf eine Lösung

Kanzlerin Angela Merkel sprach zurückhaltend nur von einem gangbaren Weg: „Wir alle fiebern mit, dass es eine Lösung gibt.“ Auch der Deutsche Beamtenbund als Dachverband der Lokführergewerkschaft brachte eine Schlichtung ins Gespräch, betonte aber, die Entscheidung darüber liege bei der Bahn und bei der GDL.

Da hatte Weselsky eine Schlichtung schon abgelehnt: „Wir lassen nicht über Grundrechte schlichten“, sagte er zur Begründung. Der Einsatz eines externen Vermittlers sei nur bei Fragen wie Entgelt und Arbeitszeiten möglich.

In den Gesprächen ging es bisher aber vor allem um Strukturfragen. Die GDL dringt darauf, auch für andere Berufsgruppen als Lokführer Tarifabschlüsse mit der Bahn aushandeln zu dürfen. Der Verbraucherschützer Klaus Müller kritisierte: „Wenn Herr Weselsky und die GDL einen Schlichter ablehnen, geht es ihnen nicht um eine Lösung, sondern um Eskalation.“

Gegenseitige Vorwürfe der Beteiligten

Die Bahn hatte zuletzt angeboten, die Löhne vom 1. Juli an in zwei Stufen um insgesamt 4,7 Prozent zu heben. Dazu sollte eine Einmalzahlung von insgesamt 1000 Euro bis zum 30. Juni kommen. Die GDL fordert für die Beschäftigten fünf Prozent mehr Geld und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche.

Ein Knackpunkt für die Gewerkschaft ist die Einstufung der Lokrangierführer im Tarifgefüge der Bahn. Sie kritisiert, die Bahn wolle diese Kollegen, die etwa für das Koppeln und Entkoppeln von Zügen zuständig sind, niedriger einstufen als Mitarbeiter auf der Strecke.

Der Konflikt ist auch deshalb so schwierig, weil die GDL mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um Einfluss im Bahn-Konzern ringt. Außerdem will die GDL einen Erfolg erzielen, bevor das kommende Tarifeinheitsgesetz der schwarz-roten Bundesregierung die Macht kleiner Gewerkschaften beschränkt. Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber wies den Vorwurf zurück, deshalb den Konflikt in die Länge zu ziehen: „Wir spielen nicht auf Zeit, wir warten nicht auf ein Gesetz.“