Foto: Rapthel-Kieser

Feuerzeug in der Hand eines 16-Jährigen Autisten sieht aus wie Revolver. Geschockte Schüler werden betreut.

Gammertingen - Ein Scherzartikel in der Hand eines 16-Jährigen hat am Dienstag den vermutlich größten Polizeieinsatz ausgelöst, den es in Gammertingen im Landkreis Sigmaringen je gegeben hat. Die Polizei ging von einem möglichen Amoklauf und einer „ernsten Bedrohungslage“ aus, sperrte Innenstadt und Schulzentrum ab, konnte nach dreieinhalb Stunden gegen 17 Uhr aber Entwarnung geben.

Der 16-Jährige hatte sich in der Einrichtung, in der er untergebracht ist, widerstandslos festnehmen lassen. „Er weiß wohl nicht, was er da gemacht hat“, resümierte Polizeisprecherin Manuela Dierolf vom Polizeipräsidium Konstanz bei der Pressekonferenz am frühen Abend über den Förderschüler.

Dieser war gegen 14 Uhr einem Lehrer aufgefallen, als er mit einem „revolverähnlichen Gegenstand“ in der Nähe des Schulzentrums herumlief. Auf die vermeintliche Waffe und deren Echtheit angesprochen, sagte er: “Ich schieße alle ab.“

Der Lehrer löste Alarm aus, in der Realschule, der Grund-und Hauptschule und im Gymnasium verfuhren die Rektoren nach eingeübten Notfallplänen und riegelten die Gebäude erst mal ab.

Falsche Gerüchte: Sogar von einem Toten war die Rede

Es gab weder Tote noch Verletzte und es fielen auch keine Schüsse. Der vermeintliche Revolver entpuppte sich später als überdimensioniertes Feuerzeug im Waffen-Design. Ein Scherzartikel und von einer echten Feuerwaffe, so Dierolf, auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden.

Lange Zeit hatte die Gerüchteküche über Handys, Kurznachrichten oder soziale Netzwerke aber geköchelt und es war das Schlimmste vermutet worden. Viele Eltern fuhren verzweifelt und mit Handy am Ohr durch die Innenstadt, über der im Tiefflug ein Hubschrauber kreiste. Sie stießen immer wieder nur auf Polizeiwagen und Absperrungen auf dem Weg zum Schulzentrum.
Ein besorgter Vater kam aus dem Nachbarort Veringenstadt angefahren. „Die sind wohl alle in der Turnhalle eingesperrt, aber mein Junge hat gesimst, es sei alles ok.“ Andere Eltern hatten von vermeintlichen Schüssen gehört. „Es soll einen Toten gegeben haben“, vermutete eine besorgte Mutter.

Nachdem die Polizei angerückt war und in den Schulen alle Klassenzimmer durchsucht hatte, wurden Schüler und Lehrer tatsächlich in die Alb-Lauchert-Halle evakuiert, die Eltern informiert und die Familien dort von Notfallseelsorgern und Sozialarbeitern betreut. „Seit Winnenden gibt es Notfallpläne für einen Amok-Alarm“, erläuterte  Thomas Föhr,  Leiter des Führungs- und Einsatzzentrums im Polizeipräsidium Stuttgart.

Nicht nur örtliche Polizei auch das Sondereinsatzkommando aus Göppingen und weitere Spezialkräfte des Landes Baden-Württemberg waren nach Gammertingen gerufen worden. Wie viele Fahrzeuge und Personen da im Einsatz waren, wollte Föhr aus „polizeitaktischen Gründen“ aber nicht ausführen. Unklar ist auch, wie die Staatsanwaltschaft mit dem 16-jährigen Autisten weiter verfahren wird. Die Ermittlungen dauern noch an, ebenso werde die seelsorgerische und psychologische Betreuung der Schüler heute fortgesetzt, wie Gammertingens Bürgermeister Holger Jerg versicherte.