„Game Of Thrones“-Drehort: Die Baumallee Dark Hedges. Foto: Setzer

Mit interaktiver Karte - Mord, Verrat, Inzest und Körperverletzung – die HBO-Serie „Game Of Thrones“ lässt nichts aus. Der nordirischen Hauptstadt Belfast hätte trotzdem nichts Besseres passieren können. Klammheimlich entwickelte sich die Stadt zum kleinen Hollywood.

Belfast - Vollbärte überall, auch der Zeitgeist in Belfast trägt Haare im Gesicht. „Das sind keine Hipster“, sagt Dee und lacht, „die hoffen eher auf eine Komparsenrolle bei ‚Game Of Thrones‘.“ Dee, heißt eigentlich Deirdre und ist ein echtes „Belfast Girl“ – als Teenager glaubte sie nicht daran, jemals 30 Jahre alt zu werden. Zu realistisch war die Perspektive, als Kollateralschaden des Nordirlandkonflikts von einer Hauswand gekratzt zu werden. Nach fast 20 Jahren Friedensabkommen, ist die zierliche Frau mittlerweile Ende Vierzig und zeigt Touristen „ihre Stadt“.

Dann läuft Dee auf ein Dutzend schwer bewaffnete Uniformierte zu, fragt „Was läuft denn so?!“ und boxt einen davon kräftig auf die Schulter. Als sie zurück kommt sagt sie: „Don’t worry, keine Sorge, hier wird gleich eine Bank überfallen.“ Alltag in Belfast 2015: Dreharbeiten mit täuschend echten Komparsen.

Das Filmgeschäft in Nordirland boomt

Seit der US-Sender HBO für die Serie „Game Of Thrones“ neben Spanien, Malta, Kroatien und Island auch und vor allem in Nordirland dreht, avancierte die einstige Krisenstadt zum Hotspot für internationale Filmproduktionsfirmen. Ob „The Fall“, „Your Highness“, „Dracula Untold“, „Peaky Blinders“ oder „Frankenstein Chronicles“ – in Nordirland, besonders in Belfast und Umgebung brummt das Filmgeschäft. Die Infrastruktur aus Produktionsfirmen, Studios, Crews und Drehorten gedeiht prächtig. Alleine „Game Of Thrones“ wird an ungefähr 50 verschiedenen Locations in „Ulster“ gedreht, der irischen Provinz aus der einst Nordirland wurde.

Die ersten drei Staffeln der blutrünstigen Erfolgsserie bescherten dem Land ungefähr 65,5 Millionen Pfund (92 Millionen Euro) an Umsätzen. Gerade haben die Dreharbeiten zur sechsten Staffel begonnen. Mit dem Filmgeschäft boomt auch der Tourismus. Da hatte „Game Of Thrones“ einen ähnlichen Effekt auf Nordirland, wie vor Jahren Peter Jacksons „Herr der Ringe“ für Neuseeland. So grausam auch die Handlung sein mag – die Landschaft ist malerisch.

„Set Jetting“ als neue Form des Tourismus

„Keiner kommt wegen des Wetters hierher“, scherzt Dee. Dabei ist Sonnenschein hier mehrmals die Stunde ein Thema. Gefolgt von Regen, starken Regen, etwas weniger Regen, Wind, Wolken, Kälte und Hitze. Wer in Ulster eine echte Aufgabe sucht, wird Wetteransager. Der Rest erzählt die alte Geschichte von der unpassenden Kleidung und macht trotzdem Urlaub in Nordirland.

Besonders beliebt: „Set Jetting“ entlang der Causeway Coastal Route, die auf grob 200 Kilometern Nordirland in all seiner Pracht zeigt, Von einem Drehort zum nächsten: in Reisegruppen, auf eigene Faust, zu Fuß, Fahrrad – egal. Hauptsache mal kurz auf einer schier endlosen Wiese bei Cairncastle stehen, auf der Ned Stark in der ersten Folge von „Game Of Thrones“ jemanden geköpft hat, weiter zu den gespenstischen Höhlen von Cushendun und hoffen, dass die böse Melisandre dort nicht gerade ein „Schattenbaby“ zur Welt bringt. Kühe anmuhen oder Schafe anblöken geht zwischendurch natürlich auch. Denn wenn gerade nicht gedreht wird, stehen die hier überall herum. An der Causeway Coastal Route gibt’s Nordirland satt – und eben viele „Game Of Thrones“-Drehorte.

Der Königsweg ist gespenstisch

Ballintoy Harbour zum Beispiel. In der Serie ist das der morbide Hafen von Pyke, an dem der Leidensweg von Theon Greyjoy beginnt. Im echten Leben: ein verträumtes Nest am Meer – nicht ansatzweise beängstigend oder böse. Ein älterer Herr verkauft an einem Stand „Game Of Thrones“-Fanartikel, Kunst und Eis. Wo Eiscreme verkauft wird, ist die Welt noch einigermaßen im Lot.

Die steilen Kalksteinklippen von Larrybane sind auch eine Pracht, einige der Schlüsselszenen von „Game Of Thrones“ wurden hier gedreht. Doch wenn’s hart auf hart kommt, dann ist das auch der Parkplatz für Touristen, die sich die benachbarte Hängebrücke Carrick-a-rede anschauen wollen oder ein super Ort, um den Hund auszuführen.

Unschlagbar dagegen: The Dark Hedges, in der Serie Teil des „Königweges“. Eine gerade mal einen Kilometer lange Allee, gesäumt von dicken Buchen, die dort seit dem 18. Jahrhundert stehen und über der Straße förmlich ineinander greifen. Magisch, gespenstisch, romantisch, umwerfend – alles gleichzeitig. Dann hupt ein Autofahrer, weil’s eben auch eine „nomale Straße“ ist.

Winterfell ist eine Enttäuschung

„Winterfell Castle“, das im echten Leben Castle Ward heißt, ist derweil eine herbe Enttäuschung. Jedes schwäbische Dorf hat anmutigere Bauten zu bieten. „C.G.I.“, sagt William Van Der Fels und meint damit „Computer Generated Imagery“. Mittels Tricktechnik wurde die Burg für „Game Of Thrones“ fast bis zur Unkenntlichkeit aufgehübscht und vergrößert. Van Der Fels, der ein wenig wie Kevin Costner aussieht, hat das Sagen auf Winterfell. Er legt den Gästen die Uniformen des Stark-Clans an, lehrt sie mit Pfeil und Bogen zu schießen oder hält ihnen beim Mittagessen aus heiterem Himmel ein Plastikschwert an den Hals und ruft: „Du weißt gar nichts Jon Schnee. Willst du sterben?!“. Und dann stolpert er doch fast über eines der „Game Of Thrones“-Mountainbikes mit denen Touristen seit ein paar Tagen auch per Radtour die Umgebung erkunden können. „Oh, huch! Die sind neu“, lacht er.

Sein Kollege Andrew Porter ist schon länger hier. Der 35-Jährige zeigte Touristen früher die angrenzenden Wälder, Schlösser und Wiesen. Mit dem Erfolg der Serie schulte er zum „Game Of Thrones“-Experten um und führt nun zusammen mit 15 Kollegen bis zu 400 Serien-Fans täglich durch die verschiedenen Anwesen und Landschaften.

Er zeigt auf eine Lichtung im Wald, hier wurde mit monströsem Aufwand die erste Szene von „Game Of Thrones“ gedreht. „Das Team hat hier zehn Wochen lang alles mit Kunstschnee präpariert. Für diese eine Szene, die dann doch nur wenige Sekunden lang in der Folge zu sehen war.“ Für eine andere Szene wurden Pferde gebraucht. Viele Pferde. Mehr Pferde als es in Nordirland gibt. Also ließ HBO die Tiere aus der ganzen Republik Irland ankarren.

Wo „Game Of Thrones“ noch nicht war

Mittlerweile muss HBO einen noch größeren Aufwand betreiben: bei jedem Dreh sichert eine Hundertschaft an Sicherheitsleuten die Orte weiträumig ab. Denn nicht wenige Fans liegen da auf der Lauer, um zu erfahren, wie es grob weitergehen wird mit der Handlung. „Richtig witzig wird’s, wenn die Fans Nachts mit selbst gebauten Schwertern und Kostümen über die Mauern des Anwesens klettern, um im Wald Szenen originalgetreu nachzustellen,“ sagt Porter.

Höhepunkt der Touristen-Route ist das Weltkulturerbe „Giant’s Causeway“: unzählige vier-, fünf-, sechseckige Basaltsäulen, die seit ungefähr 60 Millionen Jahren aus dem Meer ragen. „Game Of Thrones“ war hier noch nicht. Dafür schossen hier in weniger grauer Vorzeit, ungefähr 1973, Led Zeppelin das Cover ihrer Platte „Houses Of The Holy“. Es ist ein guter Ort, die eigene Spezies nicht zu ernst zu nehmen. Die Natur ist stärker.

An manchen Orten gewinnt dennoch der Mensch: „Hier dürfen wir leider nicht anhalten“, sagt Dee später auf einem Abschnitt der Küstenstraße, „HBO will das nicht“. Sie zeigt auf einen weiß angemalten Berg. In der Serie ist er Teil der hart umkämpften „Mauer“. Der Rest wird zum Beispiel in den Titanic-Studios in Belfast mittels Tricktechnik gedreht.

Vollbartträger bevorzugt

In der Werft Harland & Wolff wurden in den vergangenen 150 Jahren hunderte von Schiffen und Luxuslinern gebaut. Eines davon floppte im großen Stil: die Titanic. Trotzdem lockt am Hafen seit 2012 das „Titanic“-Museum. Ein Klotz, der auf mehreren Ebenen die Geschichte des gesunkenen Luxusliners erzählt und dabei durchaus zu langweilen weiß. Auch weil nur ein paar Meter entfernt die penibel bewachten „Titanic Studios“ liegen. Dort werden zahlreiche Szenen gedreht. Der eiserne Thron aus der Serie – er steht ebenfalls dort. Und „Game Of Thrones“ lehrte uns: jeder will ihn besteigen.

„Lass Dir einen Vollbart wachsen“, rät Dee. „Vielleicht klappt’s ja als Komparse. Ansonsten wird es schwierig, da reinzukommen.“