VfB-Präsidenten Wolfgang Dietrich spricht über die Zukunft des Vereins. Foto: Volker Rath

Fußball: Präsident hofft auf Zustimmung der Mitglieder für Ausgliederung. Interview mit Wolfgang Dietrich

Über einen Vierjahres-Plan den VfB Stuttgart wieder im vorderen Drittel der 1. Bundesliga zu etablieren und den Verein zu einer führenden Adresse bei der Nachwuchsförderung zu machen. Das sind die erklärten Ziel des im letzten Jahr gewählten Präsidenten Wolfgang Dietrich, der auf einer Informationsveranstaltung in Freudenstadt für die geplante Ausgliederung der Profiabteilung bei der Mitgliederversammlung am 1. Juni geworben hat. Im Gespräch mit unserer Zeitung gab er Auskunft zu den Plänen.

Herr Dietrich, derzeit befinden Sie sich sozusagen sp ortlich und organisatorisch gleich doppelt auf der Zielgeraden. Wie ist Ihr Gemütszustand?

Der ist zwiespältig, nachdem die Mannschaft den letzten Schritt zum Wiederaufstieg in Hannover noch nicht machen konnte. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir den nächsten Matchball jetzt vor eigenem Publikum verwandeln können. Das zweite große Saisonziel ist die geplante Ausgliederung der Profiabteilung, um den Verein zukunftsfähig zu machen. Um die notwendigen Stimmen von mindestens 75 Prozent der Mitglieder zu bekommen, ist viel Überzeugungsarbeit nötig. Wir müssen den Mitgliedern klar machen, dass vermutlich sogar die wichtigste Richtungsentscheidung in der Geschichte des Vereins ansteht, an der sie sich selbst unmitelbar beteiligen können.

Die Zeit bis zur Abstimmung ist knapp. Wie viele Informationsveranstaltungen werden Sie noch besuchen, um die Mitglieder und Fans von Ihren Vorstellungen zu überzeugen?

Bis auf den Sonntag natürlich, wenn das letzte Saisonspiel auf dem Programm steht, bin ich jeden Tag bis zum 1. Juni noch unterwegs. Insgesamt werde ich bis dahin rund 40 Veranstaltungen absolviert haben.

Und wie ist Ihre Einschätzung der Einstellung seitens der Mitglieder zu den Plänen?

Aus meiner Sicht ist die Stimmung exzellent; wir finden große Zustimmung. Aber, wie gerade auch die Wahl am Sonntag gezeigt hat, sind Stimmungen nicht zugleich auch Stimmen.

Was hat Ihrer Meinung nach eher zu der aus Ihrer Sicht positiven Stimmung beigetragen: der sportliche Erfolg oder die Zusage von Daimler, bei einer Ausgliederung mehr als 41 Millionen Euro investieren zu wollen?

Wenn wir nicht aufgestiegen wären, und ich gehe davon aus, dass das klappen wird, wäre die Notwendigkeit einer Ausgliederung sogar noch größer geworden, aber die Stimmung dann schlechter.

Vor allem aus den Reihen der Fangruppen und Ultras ist Kritik an der geplanten Ausgliederung geübt worden, die um die Tradition des Vereins fürchten. Wie ist Ihre Verbindung zu diesen Gruppen?

Man sollte bei der Beurteilung immer im Auge behalten, dass unter unseren rund 400 Fanklubs etwa sechs oder sieben den Ultras zuzurechnen sind. Wir vom Verein und ich persönlich haben mittlerweile eine gute Gesprächsebene mit einem regelmäßigen Austausch gefunden. Über eines sind wir uns dabei mit den Gegnern der Ausgliederung einig: Es ist richtig, dass jetzt endlich eine Entscheidung fallen wird.

Wie gehen Sie mit den kritischen Stimmen um, die einen Ausverkauf der Tradition fürchten?

Wir haben auf volle Transparenz von Anfang an wert gelegt. Auch die eingegangenen kritischen Fragen sind mit den entsprechenden antworten ins Internet gestellt worden. Soweit das noch nicht geschehen ist, wird das bis zum 1. Juni nachgeholt.

Wie stehen Sie generell zu der 50+1 Regel im Profifußball?

Ich bin, auch nach einem Gespräch mit Hannover 96-Präsident Martin Kind am Sonntag, davon überzeugt, dass diese Regelung auf Dauer nicht zu halten sein wird. Es gibt dabei schon zu viele Ausnahmen und dadurch entstehende Wettbewerbsverzerrungen. Unser Weg ist es, die Tradition zu erhalten, aber sie braucht Zukunft. Schauen Sie den VfB Stuttgart an: Wir haben nach dem Abstieg fast 9000 neue Mitglieder gewonnen. Nach der Bekanntgabe der Ausgliederungspläne sind noch einmal 1700 dazu gekommen, die aber leider noch nicht mitstimmen dürfen.

Mit wie viel Teilnehmern an der Mitgliederversammlung rechnen Sie?

Ich hoffe, dass unsere Haupttribüne trotz des Donnerstag-Termins mit über 11.000 Besuchern voll sein wird. Wenn es weniger werden, wäre ich angesichts der Bedeutung doch etwas enttäuscht.

Wenn die Ausgliederung Realität wird, kommt einiges Geld in die Kasse. Wie wollen Sie es sinnvoll einsetzen?

Wir wollen vor allem die Jugendarbeit stärken und besser mit der Profi-Kaderplanung verbinden, dazu sind unabhängig von der Ausgliederung bereits Maßnahmen eingeleitet worden oder stehen unmittelbar bevor. Dabei wird unter anderem eine neue Stelle geschaffen, dessen Inhaber die Toptalente ganzheitlich betreuen soll. Vor allem bei der Infrastruktur haben wir Nachholbedarf.

Wo sehen Sie den Verein in vier Jahren?

Ich sehe ihn im oberen Drittel der 1. Bundesliga und wieder als einen der führenden deutschen Vereine bei der Nachwuchsarbeit. Der VfB Stuttgart hatte bekanntlich seine besten Zeiten, als er auf junge Spieler gesetzt hat. Deshalb werden wir auch in Zukunft bei Neuverpflichtungen in erster Linie auf junge Spieler setzen, die nach oben wollen. Natürlich müssen für die 1. Bundesliga aber auch erfahrene Kräfte verpflichtet werden.

Und wie sehen die Planungen für Sonntag aus?

Ich hoffe, das Spiel und Public Viewing auf dem Wasen werden ein riesengroßes Fest.  

Die Fragen stellte Arno Schade.