Ist die Bizerba-Arena in Balingen bereit für die Regionalliga? Foto: Kara

Fußball: FC 08 Villingen und TSG Balingen klopfen an die Tür zur vierten Klasse.

Vier Siege, fünf Unentschieden – der KSV Hessen Kassel hat in dieser Saison in der Regionalliga Südwest schon 17 Punkte gesammelt. Dennoch steht er mit gutgeschriebenen acht Zählern auf einem Abstiegsplatz. Das liegt daran, dass der Traditionsverein aus Nordhessen im vergangenen Juni zum dritten Mal in seiner Geschichte nach 1993 und 1997 zahlungsunfähig war und gezwungen war, Insolvenz anzumelden. Die sportliche Folge: Der Verein musste mit neun Minuspunkten belastet in die neue Runde gehen.

Es ist nicht der erste Klub, dem in der Regionalliga – auch schon als "Totengrube" oder "Selbstmordliga" tituliert – das Geld ausgegangen ist. In der Saison davor musste beispielsweise Kickers Offenbach, langjähriges Mitglied der Fußball-Bundesliga", mit der gleichen Bürde die Saison angehen.

Die Villinger genießen zunächst den Moment

Nach solchen Ereignissen schicken sich gerade die Top-Klubs der Region – der FC 08 Villingen aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis und die TSG Balingen aus dem Zollernalbkreis –  an, an die Tür zur Regionalliga zu klopfen. In der Oberliga Baden-Württemberg stehen die Villinger derzeit an der Spitze, zwei Punkte dahinter lauern die Balinger auf Platz zwei. Ist die Regionalliga wirklich ein lohnendes Ziel?

Beim FC 08 Villingen genießt man in diesen Wochen als Aufsteiger den erfolgreichen Start in die Saison. "Wir denken weiter Schritt für Schritt. Wir möchten keinerlei Druck auf die Mannschaft aufbauen. Unser Trainer Jago Maric soll einfach mit seinen Jungs diesen Weg – auch mit diesem positiven Schuss Unbekümmertheit – weitergehen", zeigt Leo Grimm, der Präsident des FC 08, auf. Das Thema "Regionalliga" beschäftigt die Verantwortlichen der Villinger also (noch) nicht.

Sollte das Team aber in der Winterpause immer noch in der Tabelle vorne stehen, "dann werden wir uns sicherlich auch hinsichtlich eines eventuellen Aufstiegs einen Plan erarbeiten. Sollte dies tatsächlich eintreffen, werden wir uns auch dieser Herausforderung stellen", betont Villingens Präsident Leo Grimm. Und weiter: "Wir wissen natürlich, dass für uns die Regionalliga ein riesengroßer Schritt wäre. Wir müssten bei uns in allen Bereichen an Substanz hinzugewinnen."

Leo Grimm gilt beim FC 08 als professioneller Vordenker. "Sollten wir tatsächlich eines Tages die Chance haben, in der Regionalliga zu spielen, dann darf dies auf jeden Fall keine Eine-Saison-Geschichte für den FC 08 mit wirtschaftlich negativen Folgen werden. Solche Beispiele gab es ja schon genügend."

In Balingen wird "nicht öffentlich sinniert"

Auch bei der TSG Balingen könnte angesichts des derzeitigen zweiten Tabellenplatzes der Regionalligaaufstieg zu einem Thema werden. "Wir freuen uns, dass wir auf diese Thematik angesprochen werden. Schließlich ist es eine Bestätigung für die geleistete Arbeit. Aber: Es ist nicht vorrangig, über einen Aufstieg öffentlich zu sinnieren", sagt der stellvertretende Abteilungsleiter Ralph Conzelmann: "Bei genauerer Betrachtung ginge es hierbei nicht nur um sportliche Belange. Auch und gerade die wirtschaftlichen und technisch-organisatorischen Rahmenbedingungen sind von großer Bedeutung."

Ein Regionalliga-Aufstieg birgt sicherlich einige Risiken. Der derzeit in der Oberliga auf dem vierten Rang liegende FC Nöttingen kennt die Situation aus eigener Anschauung: In der Saison 2015/2016 stieg der Verein nach einer tollen, auf Platz zwei hinter Ulm abgeschlossenen Runde und einer dramatischen Relegationsrunde in die Regionalliga auf – und war schon zur Winterpause kaum noch zu retten.

Die Aufstiegs-Euphorie reichte gerade einmal zum 2:1-Auftaktsieg gegen den FC Homburg und einem 2:1-Erfolg im zweiten Heimspiel gegen Hessen Kassel – von da an ging es für die "Schießbude der Liga" steil bergab, bis zum absoluten Tiefpunkt Ende April 2017: 0:6 bei den Stuttgarter Kickers. 24 Niederlagen in 36 Spielen waren auch für die Fans schwer verdaulich. Nur noch 413 Zuschauer wollten das abschließende 4:0 gegen die zweite Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern sehen. 1393 waren es noch beim 2:2 in der Vorrunde gegen den VfB Stuttgart II gewesen.

Deshalb ist man in Nöttingen auch gar nicht so traurig, dass der Verein wieder der Oberliga angehört. "Die Regionalliga ist nicht unsere Heimat", meint FCN-Manager Dirk Steidl: "Die Liga  ist einfach mit zu viel Aufwand verbunden." Und mit zu vielen Negativ-Erlebnissen. Das sieht eine Klasse tiefer anders aus – auch wenn es derzeit, wie beim 2:5 im Spitzenspiel in Villingen vergangene Woche, gerade vor allem in der Abwehr nicht rundläuft. "Wir fühlen uns in der Oberliga wohler", bekennt Steidl, "hier spielen wir an der Spitze mit." Und trotz der negativen Erfahrung in der Regionalliga wollen die Lilahemden ganz oben ein gewichtiges Wörtchen mitreden.

"Sollte am Ende erneut der Aufstieg herausspringen, nehmen wir ihn natürlich gerne mit", so der FCN-Manager, der den erneuten Aufwand dann trotz allem nicht scheuen würde.

Ein Ziel, das beispielsweise der TSV Lehnerz nicht mehr verfolgt. Und das, obwohl im Sommer 2015 mehr als 4000 Zuschauer in den Regionalliga-Aufstiegsspielen gegen den SC Hauenstein mitfieberten. "Der Kosten-Nutzen-Faktor steht in der Regionalliga in keinem Verhältnis", erläutert der Pressesprecher des hessischen Vereins, Michael Hamperl, "wenn du als Verein in die vierte Liga aufsteigt, muss es eigentlich langfristig das Ziel sein, diese Klasse nach oben wieder zu verlassen. Denn sonst schaufelst du dir auf Dauer dein eigenes Grab."

Hamperl belegt das mit dem Schicksal der prominenten "Todesliga-Opfern": "Selbst Traditionsvereine wie Kickers Offenbach oder Hessen Kassel, die ganz andere finanzielle Möglichkeiten besitzen und auch viel mehr Zuschauer haben, bekommen das zu spüren. Denn nur mit den sieben Euro Eintrittsgeldern finanzierst du dir keine Regionalliga", stellt Hamperl fest, der seine Mittel lieber in den Nachwuchs steckt, um weiter am bewährten Konzept mit einheimischen Spielern festhalten zu können.

Mit Alemannia Aachen, dem FSV Frankfurt oder dem VfR Aalen mussten in den letzten Monaten drei Traditionsvereine in der dritten oder vierten Liga Insolvenz anmelden. Das ist nicht allein auf  Missmanagement zurückzuführen, sagt André Dobiey von der Anwaltskanzlei Niering, dem Insolvenzverwalter von Alemannia Aachen: "Man muss festhalten, dass da zahlreiche Vereine entweder durch sehr viel Wohlwollen der Städte und des Umfeldes und einzelner Gönner noch über Wasser gehalten werden. Aber wenn da ein Rückschlag kommt, geraten die ganz schnell in eine Schieflage, und da ist sicherlich auch der DFB gefordert, die Strukturen grundlegend zu überdenken."

Die dritte und vierte Liga gelten als "Insolvenzligen", weil sie zwar hohe Kosten produzieren – aber keine ausreichenden Ertragsmöglichkeiten generieren. Dirk Rasch, lange Jahre Präsident des VfL Osnabrück, beschreibt es in seinem Buch "Rettet den Fußball" so: "Es geht im Grunde genommen wirklich darum, dass man die Vereine erst einmal mit mehr Geld ausstattet, dass sie so die grundsätzlichen, täglichen Probleme finanziell lösen können. Und dass man dann Fußball spielen kann – und sich nicht ständig überlegen muss: ›Überleben wir überhaupt die nächsten vier Spiele wirtschaftlich?‹" Das ist nämlich weit weg von der "Champions League des Amateurfußballs", wie DFB-Vizepräsident Rainer Koch, zuständig für den Amateurfußball, die Regionalliga nennt.

Info: Auflagen für die Regionalliga

Vereine müssen einige Grundvoraussetzungen erfüllen, wollen sie in der Regionalliga spielen. So muss das Stadion über eine Kapazität von mindestens 2500 Zuschauern verfügen, darunter müssen mindestens 250 Sitzplätze sein. Weiter ist eine Flutlichtanlage mit einer Stärke von 400 Lux vorgeschrieben. "Dies bedeutet aber nicht, dass wir dies alles sofort verlangen. Alles ist wirklich machbar", betont Felix Wiedemann, der stellvertretende Geschäftsführer der Regionalliga Südwest.

"Seit der Ligen-Reform zur Saison 2012/13 haben wir mit Aufsteigern immer Lösungen gefunden – auch mit eher ›kleinen Vereinen‹ wie Spielberg oder zuletzt Stadtallendorf. Alle sportlichen Aufsteiger haben es bisher auch in die Regionalliga geschafft", stellt Wiedemann klar. Zu den weiteren Auflagen gehören ein VIP- und Presseraum, ein gesicherter Bereich für die Spieler sowie – vor allem – ein Sicherheitskonzept.

"Auch deshalb schauen wir uns schon im Januar oder Februar immer die Stadien und das Umfeld der Aufstiegskandidaten zusammen mit Vereinsvertretern, den Stadtvertretern und der Polizei an", gibt Felix Wiedemann preis. Dabei geht es um Dinge wie einen umzäunten Gästebereich, die Organisation von Risikospielen, die Ordnerregelungen oder die Parkplatzsituation.