Der Mensch hinter dem Mensch: Hinter der abgetakelten Diva kam der Mann mit Feinripp und Clownsnase hervor, bestens schauspielerisch dargestellt von Christine Prayon, die ihr Publikum in der Kulturfabrik verblüffte. Foto: Frank-Gauckler Foto: Schwarzwälder-Bote

Kabarettistin Christine Prayon schlüpft in Kulturfabrik in viele Rollen / Von der Diva zum sensiblen Mann in Feinripp

Von Brigitte Frank-Gauckler

Furtwangen. "Bilden Sie sich ihre Vorurteile doch selbst", der Humor hinter dem Programm musste sich das Publikum selbst erarbeiten. Eine ganz eigene Art von Kabarett bot die "Humorarbeiterin" und "Diplom-Animatöse" Christine Prayon in der Furtwanger Kulturfabrik.

Den ersten Teil bestritt sie quasi als Notfallprogramm, die angeblich zerbrochene Klarinette zwang sie zum Verlesen ihrer literarischen Ergüsse, gerne auch Lyrisches. Bruchstückhaft stellte sie den Biografie-Zyklus der Scarlett Schlötzmann vor, die einen Liebesbrief an ihren Lehrer schreibt, in Feng Shui einen neuen Glauben findet und später einen flotten Frauenroman schreibt, der aus Mittelmaß und Klischees besteht. Den Literaturbetrieb nahm sie aufs Korn, ein emanzipatorischer Roman würde ja die Weltordnung sprengen – und wer will das schon.

Ob die "Panne" Teil des Programms war, diskutierte das Publikum in der Pause intensiv. Danach kam die große Verwandlung. Christine Prayon gab sich als Diva und hauchte ein Liedchen ins Mikrofon. Sie demaskierte sich, übrig blieb ein sensibler Mann im Feinripp mit Clownsnase. Mit erlesenen Skurrilität und großer Schauspielkunst ließ sie sich quasi selbst auf der Bühne sterben und verwaltete ihr Erbe danach medial weiter. Sie schlüpfte mit überschäumender Kreativität in verschiedenste Rollen, denn die Dahingeschiedene ist eine multiple Persönlichkeit.

Sie hat eine grandiose Bühnenpräsenz und Mimik, parodiert das gewisperte Chansons-Nichts einer Carla Bruni genauso überzeugend wie den italienischen Wirt. Mario Barths Sprüche zelebrierte sie als hohe Lyrik, vorgelesen aus einem Minibuch im Badeanzug. Auf einem Zettel errechnete sie den deutschen Humor. Um ihre Typen darzustellen reichen bereits eine hässliche Perücke, ein überzogener Diven-Robe und ein verrutschter Gesichtsausdruck. Witz, doppelter Boden, Illusion und Schauspielkunst und viele gedankliche Irrwege machten den Abend zu einem nicht-gefälligen Unterhaltungsabend. Zeitweise befremdete Ratlosigkeit des Publikums ob ihrer Ideen war vermutlich ganz in Christine Prayons Sinne.