Mobilitätsprojekt: Busse einseitig auf Schüler ausgerichtet / E-Cars haben im schneereichen Winter Defizite
"Viele Studierende verstehen nicht, dass der Bus viele Haltestellen auf einmal anfährt. Es kommt eine Generation, die über ÖPNV anders nachdenkt", weiß Jochen Baier. Auch über Fahrpläne werde sehr viel diskutiert.
Schwarzwald-Baar-Kreis. Der Professor für Wirtschaftsinformatik zeichnet an der Hochschule Furtwangen zusammen mit Anton Karle verantwortlich für das Projekt Mobilität an Hochschulen im ländlichen Raum. Projektassistent ist Kay-Uwe Zimmermann. "Kleine Busse werden die Leute zu Überlandbussen fahren", schildert Baier die Zukunft: "Diese Busse fahren ständig einen Punkt an."
Unter Landwirtschaftsminister Peter Hauk entwickelt sich das Projekt Mobilität an Hochschulen im ländlichen Raum weiter.
Am 30. Juni soll in Furtwangen ein Kongress mit Landwirtschaftsminister Peter Hauk stattfinden. Das ist dann zugleich Halbzeit von 18 Monaten für das Projekt. Auch Verkehrsminister Winfried Hermann und Ministerin Theresia Bauer hätten starkes Interesse an diesem landesweit einmaligen Leuchtturmprojekt. Es ist fakultätsübergreifend und gilt zunächst der Hochschule Furtwangen mit den drei Standorten, der Dualen Hochschule in Schwenningen und der Musikhochschule Trossingen. Das Ergebnis soll sich später auch auf andere Hochschulen im ländlichen Raum übertragen lassen. Zwei Ziele des Projektes schildert Anton Karle: "Wir wollen langfristig auf den ÖPNV einwirken unter dem Motto: ›Steter Tropfen höhlt den Stein‹". Außerdem sollen Fahrgemeinschaften gebildet werden. Drittes Ziel ist der Einsatz von E-Cars für Studierende.
9.30 Uhr morgens an der Hochschule Furtwangen sind oftmals alle Parkplätze belegt. "Einige Studierende irren mit dem Fahrzeug in Furtwangen umher, parken wild und nehmen hin und wieder ein Knöllchen bewusst in Kauf", erzählen Karle und Baier. Zwar werde, so Karle, von den Studierenden mehr Parkraum gewünscht. Doch es sollen weniger Autos werden. "Wir wollen Fahrgemeinschaften anregen, dass zwei Personen mit einem Fahrzeug kommen statt wie bisher nur eine. Auf der Internetplattform "flinc" erhalten die Studierenden eine eigene Möglichkeit für die Suche nach Mitfahrgelegenheiten. Die soll die Studierenden unterstützen, Partner zu finden. Der Vorteil bei flinc sei, dass ein Unternehmen dahinterstehe. Auch Professoren nutzen die Plattform, wenn sie zum Beispiel zu einer Dienstfahrt an einen anderen Hochschulstandort müssten und suchten Mitfahrer. Studierende, die den ÖPNV nutzen, ernten Verständnis, wenn sie ein paar Minuten früher oder später zu den Vorlesungen kommen oder gehen.
"6287 Studierende sind ein bedeutsamer Faktor"
Der ÖPNV im Kreis ist, so die Kritik, zu wenig auf die Studierenden ausgerichtet. Zum Beispiel neulich, so erzählt Baier, hätten Studierende und Mitarbeiter vergeblich auf den Bus gewartet. "Der kam nicht, es war nämlich Ferienzeit. Die Busse sind doch sehr auf Schüler ausgerichtet." Dabei sieht der Hochschullehrer durchaus ein Potenzial: "6287 Studierende sind doch ein Faktor, der sehr bedeutsam ist."
Vom ÖPNV erwarten Baier und Karle, "dass die Anfangs- und Endzeiten der Hochschule stärker berücksichtigt werden. Dass die Busse zur Ferienzeit nicht fahren, das ist außerdem lästig." Eine Lösung für dieses Problem zu finden, das wäre, so Baier, im Sinne einer "Neuorientierung". Die Studierenden können auf Baier und Karle zukommen, wenn sie ein Defizit erkennen und bearbeiten möchten. Im Rahmen des Projektes untersuchten Studierende einzelne Buslinien. So hat sich zum Beispiel herausgestellt, dass die Linie Furtwangen-Donaueschingen wenig genutzt und Studierenden als "uninteressant" bewertet wird. Als "sehr effizient" wird die Buslinie Villingen-Furtwangen bewertet. "Ich fahre selbst jeden Morgen mit diesem Bus und komme um halb sieben an", erzählt Anton Karle.
Als ein weiteres Problem stellte sich heraus, dass bei einer Fahrt von Waldkirch, beziehungsweise Freiburg nach Furtwangen zwei Verbünde genutzt werden müssen. Das ist teuer. In Zukunft soll es ein Baden-Württemberg-Ticket geben. "Das würde das Problem lösen, jedenfalls erwarte ich das", sagt Baier. "Die Verbundgrenze ist etwas, was man nicht versteht bei Jugendlichen."
Studierenden und Professoren stehen an der Hochschule Furtwangen seit einigen Monaten E-Cars zur Verfügung. Diese sollen dazu beitragen, dass der ÖPNV mehr genutzt wird. "Die Studierenden, die ein Zimmer hier haben, wissen, dass sie zum Einkaufen oder um nach Freiburg zu fahren, ein Auto leihen können. Auch E-Car-Dienstwagen gibt es: Für Dienstfahrten zwischen den Standorten stehen je ein Daimler-B-Klasse in Furtwangen und Schwenningen zur Verfügung. In Tuttlingen ist es ein Smart. Die Fahrzeugnutzung wird beobachtet, und bei Bedarf können schnell weitere E-Cars beschafft werden. "Ziel ist, Erfahrungen zu sammeln und irgendwann weiter in Richtung autonomes Fahren vorzupreschen", sagt Anton Karle. Bisherige Ergebnisse sind unter anderem eine Infrastruktur, die mehr oder weniger genutzt wird, und eine abgeschlossene Datenverarbeitung. "Unterschätzt haben wir das Thema Parkplätze. Das muss analysiert werden", so Karle. Vor allem vor dem Hintergrund, dass sowohl in Schwenningen als auch in Furtwangen aufgrund von Bauvorhaben demnächst Parkplätze wegfallen werden.
Bei den E-Fahrzeugen hat sich übrigens im schneereichen Furtwangen ein interessantes Ergebnis herausgestellt: "Sie haben ein Defizit im Winter, die Reichweite geht nach unten".
Sollten ÖPNV-Tickets kostenlos sein?
Als "optimal" wird der Standort der Dualen Hochschule in Schwenningen für die Einbindung in das Projekt bewertet. An der Hochschule Trossingen hat sich als Problem herausgestellt, dass die ÖPNV-Verkehrsverbindungen abends nicht vorhanden sind, viele Studierende aber Chorproben in anderen Städten leiten und sich damit Geld verdienen würden.
Im zweiten Teil des Projektes sollen nun die Busverkehre unter die Lupe genommen werden. Anton Karle stellt auch die Frage in den Raum, ob Tickets für den ÖPNV nicht umsonst zu haben sein sollten. Man könnte dies ja beispielsweise über die Steuereinnahmen finanzieren.