Michael Trocha würdigt in seinem Vortrag den angesehenen Bauingenieur, der in einer Fotografie um 1880 verewigt wurde. Foto: Kouba Foto: Schwarzwälder-Bote

Vortrag: Historiker berichtet über politische Seite des Ingenieurs

Furtwangen. Einen interessanten Aspekt des bekannten Bauingenieurs Robert Gerwig brachte der Historiker Michael Trocha bei einem Vortrag im Museumsgasthaus Arche näher.

Vieles sei bekannt, aber er habe auch eine "politische Seite gehabt", meinte der Vorsitzende des Geschichts- und Heimatvereins, Günter Besenfelder bei seiner Begrüßung. Diese Seite schilderte Trocha, ohne andere Verdienste auszuklammern.

Die bisherige Ansicht, alle persönlichen Dokumente seien im Krieg den Flammen in Karlsruhe zum Opfer gefallen und damit Zeugnisse des Lebens des bekannten Badeners verschwunden, konnte er revidieren. "Der Schwarzwälder", eine nationalliberale Zeitung im Bereich Villingen/Donaueschingen, sowie die Reichstagsreden waren ein Fundus, um sich ein Bild des Politikers Robert Gerwig (1820 bis 1885) zu machen.

Karlsruhe war sein Lebensmittelpunkt, obwohl er landesweit Projekte betreute. Nach dem Studium trat der in einem familiären Beamten-Umfeld Geprägte 1841 in den Staatsdienst ein. In einer "Episode" war er von 1850 bis 1857 Leiter der Furtwanger Uhrmacherschule. Er machte sich einen Namen als Straßenbauer, schuf unter anderem die Albtalstraße oder die Verbindung von Obersimonswald nach Furtwangen. Mit der Schwarzwaldbahn verwirklichte er ein richtungsweisendes und bis heute gültiges Riesenkonzept. Auch beim Bau der Gotthardbahn war er maßgeblich beteiligt.

Als Mitglied der Nationalliberalen Partei war er sowohl Abgeordneter im Badischen Landtag (1855 bis 1878) und im Berliner Reichstag (1875 bis 1884). Er konnte Schutzzölle für die Uhrmacherei durchdrücken, war aber bei der für Frauen wichtigen Strohflechterei nicht erfolgreich, obwohl die "chinesischen Kulis" mit ihren billigen Angeboten den deutschen Markt bedrängten.

Eine Mär sei die Annahme, Gerwig sei wegen Teilnahme an der 48er Revolution nach Furtwangen strafversetzt worden, denn die Personalakte bezeuge die Verbeamtung auf Lebenszeit und die Erhöhung des Gehaltes auf 1200 Gulden. Trocha wertete Gerwigs Weggang 1857 als konsequent, da der Zweck der Uhrmacherschule nicht erfüllt wurde, denn die handwerkliche Uhrmacherei war Auslaufmodell.

Auch beim Eisenbahnbau handelte Gerwig staatsmännisch klug. Er suchte die Anbindung der peripheren Gebiete über die Rheinlinie von Mannheim bis zum Bodensee zur Hauptstadt und schuf die Querverbindung von Offenburg nach Konstanz in einer genialen Leistung mit 39 Tunnels und "Kehrschleifen", um die Höhenunterschiede des Schwarzwaldes zu überwinden. Seine Partei war "staatstragend". Er setze sich für Bahnen, Tarife, oder die Rheinregulierung ein und förderte die Wirtschaft. Ferner focht er manche Redeschlacht gegen die aufkommende katholische Volkspartei.