Fotos: Deutsches Uhrenmuseum Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Sonderausstellung "Rasselbande" erzählt die Entwicklung des Weckers von den Anfängen bis zur Moderne / Das Modell "Baby" revolutioniert in Deutschland die Uhrenindustrie

Jeder kennt sie, Morgenmuffel verachten sie: Wecker. Doch die Geschichte der technischen Geräte ist lang und vielseitig. Was sich Erfinder alles einfallen ließen und bis wann Wecker Luxus waren, zeigt eine Ausstellung im Deutschen Uhrenmuseum.

Furtwangen. Es ist das Jahr 1753, Giacomo Casanova verdreht in Venedig den Frauen den Kopf. Unter seinen Liebschaften befindet sich auch eine Nonne. Früh morgens muss sie sich aus den Schlafgemächern stehlen, um nicht gesehen zu werden. "Ich bemerkte mit Vergnügen, dass die Stutzuhr im Alkoven mit einem Wecker versehen war", schreibt Casanova in "Geschichte meines Lebens". Glück für ihn – der Liebesnacht steht nichts mehr im Wege.

Idee bereits in der Antike

Dass Wecker nicht nur im Venedig des 18. Jahrhunderts recht nützlich waren, zeigt die Sonderausstellung "Rasselbande" des Deutschen Uhrenmuseums in Furtwangen. Sie beleuchtet die Geschichte des Weckers von den Anfängen bis ins 21. Jahrhundert. Im Vordergrund steht dabei nicht die Technik des Weckers, sondern die Entwicklung an sich.

Exemplarisch wurden hierfür von fünf bekannten Schriftstellern aus verschiedenen Epochen Szenen ihrer Werke genutzt: Neben dem bereist erwähnten "Histoire de ma vie" von Casanova werden auch Emile Zolas "La bête humaine", Richard Wrights "Native Son", Agatha Christies "The Seven Dials Mystery" und George Orwells "Nineteen Eighty-Four" thematisiert.

Bereits in der Antike beschäftige man sich mit der Idee, Geräusche zu einem gewissen Zeitpunkt erklingen zu lassen. Überlieferungen zufolge gab es damals bereits Wasseruhren, die Zeit durch ein- und auslaufendes Wasser maßen und je nach Stand eine Glocke erklingen ließen.

Erste Beschreibungen des Wecker-Mechanismus, wie wir ihn heute kennen, finden sich laut Johannes Graf, stellvertretender Museumsleiter, 1320 in Dante Alighieris Göttlicher Komödie. Die ältesten erhalten gebliebenen Wecker sind Wanduhren, die den Turmwächtern das Signal zum Schlagen der Kirchenglocken gaben, und in etwa im 15. und 16. Jahrhundert entstanden. "In der Frühgeschichte waren Wecker allerdings Luxus", so Graf. Auch im 18. Jahrhundert, zu Casanovas Zeiten, konnten sich die Armen noch keine Wecker leisten, Reiche wurden zudem meist vom Gesinde geweckt.

Massenproduktion beginnt

Im Zuge der Industrialisierung veränderte sich die Gesellschaft, die Nachfrage nach Weckern stieg aufgrund fester Arbeitszeiten. Der Wettstreit um günstige und zugleich praktikable Produkte begann. Allein zwischen 1820 und 1870 wurden in Frankreich über 150 Wecker-Patente angemeldet. 1840 entstand in den USA die erste große Uhrenfabrik.

Es waren die Anfänge der Serienproduktion. "Die ersten Wecker mussten noch stehen, um zu funktionieren, da sie ein Pendel hatten", erklärt Clair Höllig, wissenschaftliche Volontärin am Museum.

"Lady" erinnert an die Pille

Anders war das beim "Babywecker". Der dosenförmige, runde Wecker aus den USA funktionierte stehend wie auch hängend – und sollte die Deutsche Uhrenindustrie revolutionieren.

Denn der damalige Firmenerbe Arthur Junghans der gleichnamigen Uhrenfabrik in Schramberg reiste 1871 in die USA, um sich über die dortigen Entwicklungen im Uhrenbereich zu informieren. Er erkannte das Potenzial des Babyweckers und übernahm Bauweise und Namen – mit einem Unterschied: Er setzte ein von seiner Firma entwickeltes Uhrwerk ein. "Dieses Modell hat sich dann auch in Deutschland durchgesetzt", erklärt Höllig.

Von den Anfängen über die Massenproduktion bis hin zu den modisch fragwürdigen Weckern aus orangefarbenem Plastik wie dem Modell "Apollo" (Bild) werden zahlreiche Ausstellungsstücke im Museum präsentiert. Dabei finden sich allerdings nicht nur historisch bedeutsame Stücke, sondern auch außergewöhnliche und kreative Ideen. So animiert "The Lady" beispielsweise Frauen dazu, regelmäßig ihre Antibabypille zu nehmen. "Clocky" flieht hingegen laut klingelnd vor seinem Besitzer, sodass dieser aufstehen muss, um den Wecker auszuschalten.

Laut Graf und Höllig ist die Resonanz auf die Ausstellung bisher gut, man denke sogar über eine Verlängerung nach. Warum sie ausgerechnet Wecker für die Sonderausstellung ausgesucht haben? Darauf weiß Graf eine einfache Antwort: "Sie sind wohl nicht die schönsten und genausten, aber eben die Uhr, die jeder hat und jeder kennt."

Erfindungsreichtum in den 1960er-Jahren

Die Uhrenmacher ließen sich einiges einfallen, um ihre Produkte an den Markt zu bringen. Der hier abgebildete "Teasmade" der Firma Goblin weckte seinen Besitzer mit einer heißen Tasse Tee. Hierzu wurde je eine Kanne vor dem Zubettgehen mit Wasser beziehungsweise Teeblättern befüllt. Zur gewünschten Zeit schaltete sich eine Kochplatte an, die das Wasser erwärmte. Über eine Röhre gelangte der Wasserdampf in die Kanne mit Teeblättern, wo er kondensierte. Sobald das Wasser von einer Kanne in die andere gelaufen war, wurde die Weckfunktion ausgelöst. Neben dem Standard-Modell gab es das Produkt auch samt Tablett für die Teetassen. Der "Teasmade" wird noch heute im Internet angeboten.

Noch bis Anfang November ist die Sonderausstellung "Rasselbande" im Deutschen Uhrenmuseums während der regulären Öffnungszeiten zu sehen.

Angesichts der guten Resonanz denken die Verantwortlichen bereits über eine Verlängerung nach.

Einmal im Monat gibt es eine öffentliche Führung, die laut Claire Höllig großen Anklang findet.

Die Idee zur Ausstellung entstand bereits in den 90er-Jahren, da Wecker für die Deutsche Uhrengeschichte überregionale Bedeutung besitzen.

Ein fünfköpfiges Team, darunter auch Claire Höllig, hat die Ausstellung ein Jahr lang vorbereitet.