Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden Württemberg, trug sich in das Goldene Buch der Stadt ein. Auf dem Bild zu sehen sind zudem (von links) Kristina Osswald, Oberbürgermeister Julian Osswald, Bürgermeisterin Stephanie Hentschel, Anne Katrin Rückert, Landrat Klaus Michael Rückert und der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel. Foto: Blaich Foto: Schwarzwälder-Bote

Neujahrsempfang: Präsident des Sparkassenverbands referiert über Aussichten für das "Musterländle"

Eine kommunalpolitische Rück- und Ausschau des genesenen Oberbürgermeisters Julian Osswald und ein Vortrag des Präsidenten des Sparkassenverbands Baden-Württemberg, Peter Schneider, standen im Mittelpunkt des Neujahrsempfangs der Stadt Freudenstadt.

Freudenstadt. Oberbürgermeister Julian Osswald begrüßte im großen Kursaal des Freudenstädter Kurhauses Verantwortungsträger aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Mit einem festlichen und zugleich schwungvollen musikalischen Einstieg begann der Neujahrsempfang. Die Stadtkapelle unter dem bewährten Dirigat von Rainer Neher gab mit der "Ouvertüre for Brass" wie auch mit weiteren, zwischen den Reden eingefügten Stücken Einblicke in ihre musikalische Arbeit.

"Ein etwas nachdenklicherer Vortrag als sonst" sei es geworden, sagte Osswald in seinem Grußwort und ging auf aktuelle bundespolitische und kommunalpolitische Themen ein. Das Sicherheitsgefühl der meisten Bürger Freudenstadts sei nach wie vor hoch. Die Stadt habe sich gut weiterentwickelt und seit 2011 insgesamt 440 Neubürger hinzu gewonnen. Ende vergangenen Jahres seien 24 230 Einwohner verzeichnet worden. "Für ein Mittelzentrum im ländlichen Raum alles andere als selbstverständlich", freute sich der OB. Dennoch vermutete er, dass sich viele Menschen von der Politik "abgehängt" fühlen würden, weil lieb gewonnene Gewohnheiten und gesellschaftliche Strukturen den Herausforderungen der Zeit angepasst werden müssten.

Kommunalpolitisch müsse der Spagat zwischen dem Machbaren und dem Wünschenswerten gefunden werden. Demokratische Teilhabe dürfe jedoch nicht damit verwechselt werden, dass die Politik auf diejenigen hört, die am lautesten schreien.

Das Gewerbegebiet Sulzhau erfreue sich großer Nachfrage. Die Zahl der Arbeitsplätze in Freudenstadt sei seit 2008 um rund zwölf Prozent auf derzeit mehr als 10 400 angestiegen, "ein Zeichen für ein stabiles Wachstum", so Osswald. Insgesamt sei die Kreisstadt gut aufgestellt. Aber Osswald sinnierte auch darüber, wie lange diese Phase wohl noch anhält und wie Lösungen auf sich verändernde Lebensrealitäten gefunden werden können.

"Ein gemeinsamer Kraftakt von Bürgern, Wirtschaft und Politik" sei bei Themen wie beispielsweise der Kinderbetreuung und der Anschlussunterbringung von anerkannten Flüchtlingen erforderlich. In den vergangenen Jahren seien wichtige Weichen gestellt worden, sodass ein aktives regionales Mittelzentrum entstanden sei, und auch in Zukunft seien Transparenz, eine tolerante "Streitkultur" und Verlässlichkeit wirksame Mittel für eine gelingende kommunalpolitische Zusammenarbeit. "Auf dem Weg in die Zukunft müssen wir alle mitnehmen", sagte Osswald.

Der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel hatte freudestrahlend ein Aktenbündel mitgebracht und verkündete, dass auch das zweite Freudenstädter Tunnelprojekt mit 50 Millionen Euro in den vordringlichen Bedarf aufgenommen worden sei. Fuchtel bat die Bürger, das Tunnel-Vorhaben mit großem bürgerschaftlichem Engagement und vielen Ideen zu begleiten. Es werde die Attraktivität der Stadt ungemein steigern und sei eine "Jahrhundertchance".

Hauptredner des Neujahrsempfangs war Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg. Er stellte seinen Vortrag unter den Titel "Baden-Württemberg – Musterländle mit Erfolgsgarantie?". Der Jahresanfang sei die Zeit, Bilanz zu ziehen, und er treffe viele zufriedene Menschen an, so der Referent. "Den meisten geht’s recht gut", sagte Schneider. "Dennoch haben wir es mit einer weltweiten Finanz- und Schuldenkrise zu tun." Seit 2007 reihe sich eine Krise an die andere. Die Europäische Zentralbank (EZB) reagiere darauf mit einer noch nie dagewesenen Null- und Negativzinsphase. "Was bedeutet das für unser Musterländle, auf das wir alle so stolz sind?", fragte Schneider in die Runde, der als Präsident die Interessen von 51 Sparkassen mit rund 2300 Geschäftsstellen und knapp 35 000 Mitarbeitern vertritt.

In Baden-Württemberg habe man alle Krisen bisher erstaunlich gut gemeistert, war sein Resümee. Das für dieses Jahr zu erwartende Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent sei eine gute Ausgangslage für die Unternehmen im Land und deren Investitionsbereitschaft. Baden-Württemberg bezeichnete Schneider als "eine Hochburg des Mittelstands" mit seinen rund 400 000 Betrieben und Unternehmen. Jeder vierte Weltmarktführer komme aus dem "Ländle".

Zum wirtschaftlichen Erfolg des Mittelstandes trügen Kredite mit festen Zinsen und langer Laufzeit bei, dazu mutige Unternehmer, qualitative Arbeitnehmer und eine gute kommunale Struktur. Bei der langfristigen Finanzkultur müsse man jedoch aufpassen, "dass uns das Ganze nicht irgendwann um die Ohren fliegt".

Die vergangenen sieben Jahre seien "gute Jahre" gewesen, wenn man den Vergleich zu anderen Ländern ziehe, denn es gebe wenige europäische Länder, denen es besser gehe.

"Ich glaube jedoch, dass die Stimmung im Land besser ist als die tatsächliche Lage", gab der Sparkassenchef zu bedenken. Von Europa gehe derzeit nicht die nötige Stabilität aus, um wirtschaftlichen Auseinanderbewegungen entgegen zu wirken. Die Abschaffung des Zinses durch die EZB habe fatale Auswirkungen, und diese Phase daure viel länger, als viele glaubten. "Mario Draghi wird seine Politik des billigen Geldes bis zum Ende seiner Amtszeit 2019 fortsetzen", meinte Schneider und betonte: "Der Weg durch die Wüste der Null- und Negativzinsen ist brutal." Normale Sparer würden schlichtweg enteignet. Eine Rendite ohne Risiko gebe es nicht mehr.

Letztendlich lautete Schneiders Fazit: "Nein, es gibt keine Erfolgsgarantie für das ›Ländle‹." Der Kurs mit Arbeit, Leistung und Anstrengung müsse gehalten werden, sonst bleibe auch in Baden-Württemberg der wirtschaftliche Erfolg aus. Schneider verglich die Situation mit derjenigen auf der "Titanic": "Da waren auch alle gesund, bis sie untergingen."

Als Dank für seinen Vortrag erhielt der Finanzexperte von Julian Osswald einen Vesperkorb.