Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Mitte) wandert am Ruhestein vor der Darmstädter Hütte. Foto: Fritsch

Der Ministerpräsident freut sich "riesig", dass seine Sommertour durch den Nationalpark führt. Bei Pilzarten kennt er sich aus.
 

Freudenstadt - Diesmal wird er nicht von Protestplakaten empfangen, sondern in aller Freundschaft. "Bis heute kannte ich Sie nur aus den Medien, es ist schön, Sie einmal persönlich kennenzulernen", begrüßt ein Mann Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gestern an der Darmstädter Hütte im Ortenaukreis. Der beliebte Wandertreffpunkt im Nationalpark Schwarzwald ist Ausgangspunkt für eine weitere Etappe des Landes-Regierungschefs und seiner Frau Gerlinde auf ihrer Sommertour durch den Südwesten. 117 Kilometer legt Kretschmann dabei quer durch Baden-Württemberg zurück, immer begleitet von Bürgern, die dem Landesvater während der Wanderungen ihre Anliegen vortragen können. So auch am Mittwoch.

Von der Darmstädter Hütte aus geht es hinauf zum Seibelseckle (Ortenaukreis), begleitet wird der "MP" diesmal von Agrarminister Alexander Bonde (Grüne), der Landtagsabgeordneten und Parteikollegin Beate Böhlen (Wahlkreis Baden-Baden/Bühl), den Nationalparkleitern Wolfgang Schlund und Thomas Waldenspuhl, Junior-Rangern des Parks und interessierten Bürgern. Sicheren Schrittes schreitet Kretschmann dem rund 50-köpfigen Wandertross voran, und schnell wird klar: Hier ist ein geübter Wanderer unterwegs. Das sieht man auch Kretschmanns Schuhen an – soliden Ledertretern statt Multifunktions-Latschen. "Ich habe Schuhgröße 48 und trage seit 30 Jahren nur Schuhe einer bestimmten Firma", verrät er schmunzelnd, "dieses Paar hier ist schon richtig ausgedappt und halt bequem."

Für die Nationalparkroute genau richtig, denn der Weg ist manchmal schmal, steil und steinig – so wie es auch der politische Weg zum Nationalpark für Kretschmann und Bonde war. Die Pfiffe der örtlichen Nationalparkgegner bei seinen Besuchen während der Gründungszeit des Parks hat der Ministerpräsident anscheinend noch im Ohr: "Dass da Proteste kommen, war mir klar, denn mit einer Ausnahme sind alle Nationalparks auf örtlichen Widerstand gestoßen", sagt Kretschmann.

"Der Vorwurf, wir würden den Wald verkommen lassen, war der falsche Reflex."

Doch die Entwicklungen in anderen Bundesländern hätten ihm auch gezeigt, "das wird kippen". Für Kretschmann ist das auch ein Stück weit normal: "Bei kritischen Themen muss man immer auch den kulturellen Hintergrund berücksichtigen", sagt er aus Erfahrung. Für viele Leute vor Ort sei der Wald halt jahrelang "Wirtschaftsfaktor und Sparkässle" gewesen. Deshalb konnte manch einer auch nicht nachvollziehen, dass es naturschutzfachlich wichtig ist, Teile des Walds zugunsten eines Nationalparks aus der Nutzung zu nehmen und sich selbst zu überlassen.

"Der Vorwurf, wir würden den Wald ›verkommen‹ lassen, war der falsche Reflex, denn das ist ja Ziel eines Nationalparks", sagt Kretschmann. Und wie sich daraus dann Großartiges entwickeln kann, zeige schließlich die Vegetation im alten Bannwald rund um den Wildsee.

Was sich entlang der Wanderroute alles entwickelt, zeigt Chef-Ranger Charly Ebel dem Wandertross anhand einiger Präparate von Kreuzotter, Gartenschläfer, Waldkauz und Auerhahn, und auch der Ministerpräsident glänzt durch Fachwissen über Pilzarten. Die waren während des Studiums Spezialgebiet des gelernten Biologen und faszinieren ihn anscheinend. "Ich habe im Landtag nicht ohne Grund die seltene zitronengelben Tramete aus dem Nationalpark gezeigt, denn der Pilz ist nicht etwas, was uns sofort begeistert, aber er ist trotzdem ein großartiges Lebewesen", schwärmt Kretschmann und erklärt: "Wir sehen ja nur einen Teil der Pilze, die riesigen Pilzfäden sind im Boden verborgen." Das passt irgendwie zum grünen Ministerpräsidenten, schließlich geht er den Dingen gerne auf den Grund – auch bei seiner Sommertour. "Ich möchte die vielen schönen Landschaften in unserem Land erkunden, und da halte ich es mit Goethe", sagt er und zitiert: "Nur dort, wo ich hingegangen bin, war ich wirklich."

"Der Naturschutz war mir schon immer wichtig und der Nationalpark eine Herzensangelegenheit."

Und dann sind auch noch die Wegbegleiter für ihn wichtig: "Ich möchte den Bürgern die Möglichkeit geben, ihre Anliegen vorzutragen und mit dem Ministerpräsidenten auch mal in einer anderen Atmosphäre ins Gespräch zu kommen", sagt er. Davon werde reichlich Gebrauch gemacht: "Die Themen reichen von der Lehrerausbildung bis zum Bau einer Fischtreppe", erzählt Kretschmann von seinen Wanderungen.

"Kretschmann läuft!" ist das Motto seiner Sommertour, und nach den neuesten Umfragen läuft er auf der Beliebtheitsskala der Landespolitiker gerade manch einem davon. Der grüne Landesvater kommt gut bei den Menschen an, das spürt er jetzt selbst im Nationalpark Schwarzwald. "Der Naturschutz war mir schon immer wichtig und der Nationalpark eine Herzensangelegenheit. Dass mir dies mit Alexander Bonde während meiner jetzigen Amtszeit gelungen ist, freut mich riesig", sagt er zum Abschluss der Park-Tour.

"Die Themen reichen von der Lehrerausbildung bis zum Bau einer Fischtreppe"

Und was ist mit der nächsten Amtszeit? "Wenn ich in Ruhestand bin, komme ich als Ranger in den Park", nimmt er die Einladung von Nationalparkdirektor Wolfgang Schlund an, fügt aber gleich hinzu: "In den nächsten fünf Jahren wird das aber nichts."