Emmi Haas erzählt aus der Zeit als Gastgeberin für viele jüdische Menschen / Schnell heimisch gefühlt

Von Monika Braun

Freudenstadt. "Jüdische Gäste, das war mein Lebenselixier", sagt die heute fast 92-jährige Emmi Haas aus Freudenstadt. Sie leitete das bekannte Gästehaus in der Kolpingstraße viele Jahre gemeinsam mit ihrem Mann Fritz (wir berichteten).

Wer ist Emmi Haas? In jedem Fall ist sie eine Frau, die zum einen die Schrecken des Zweiten Weltkriegs hautnah miterlebt und zum anderen viel zu erzählen hat. Sie hat vielen aus Deutschland vertriebenen Juden eine Heimat in Freudenstadt gegeben.

Die gebürtige Saarländerin wurde als eines von fünf Geschwistern streng katholisch erzogen und wuchs in einer tiefgläubigen Familie auf. "Gott kann viel mehr als wir wissen. Ich hatte erkannt, dass uns die Bibel viel mehr bieten kann, als nur Gottes Worte, es müssen Taten folgen", lautet ihr Credo, das sie bis heute bewahrt hat. Emmi Haas erinnert sich noch genau an jene Tage, an denen sie ihren Mann Fritz während des Kriegs kennen und lieben lernte. "Als Landratsamtsmitarbeiterin war ich immer gut informiert. Wir wussten, dass die Front näher kommt", erinnert sie sich. "Eines Tages klopfte es an der Tür, und Fritz Haas, der gelernte Funker, bat für sich und seine Kameraden von der Funkstelle um Unterkunft", schildert die Frau die erste Begegnung.

Nach einigen Wochen und langen Gesprächen zu zweit waren es wieder die Kriegsumstände, die beide zunächst trennten. Der 1,87 Meter große Mann sei ihr sofort sympathisch gewesen, und als das erste Lebenszeichen nach Kriegsende sie erreichte, zögerte sie nicht lange und machte sich auf in die Heimatstadt ihres Auserwählten nach Freudenstadt. Sie konnte das damals nur, weil sie diese Reise mit einem Geschäftsauftrag ihrer Firma verbinden konnte. "Es war eine sehr bewegte Zeit, aber Hauptsache man hatte den Krieg überlebt", erinnert sich Emmi Haas. Bald wurde geheiratet,

und die Saarländerin fühlte sich im schwäbischen Freudenstadt schnell heimisch. "Mein Mann war als Jugendlicher ein begeisterter und guter Skispringer, nur sein Vater wollte von dem Sport so gar nichts wissen", erzählt sie. Heimlich nahm er am Wettkampf auf dem Ruhestein teil. So kam es, dass Fritz Haas ohne die Erlaubnis des Vaters aufs Siegerpodest sprang und einen Meter Knackwurst als Preis nach Hause brachte.

Zu dumm, dass auch die örtliche Presse über die Erfolge berichtete, so dass sie natürlich auch dem Vater nicht verborgen blieben. Dies ist nur eins von vielen Erlebnissen, die Emmi Haas aus jener Zeit zu berichten weiß. Nachdem die Schwiegereltern ihr Lebensmittelgeschäft aufgegeben hatten, waren es die Gäste aus nah und fern, die das Leben der Familie Haas prägten. "Sogar das Ehebett wurde für unsere jüdischen Gäste geräumt", schmunzelt Emmi Haas.

Früh wurde die Idee eines separaten Gästehauses geboren, und die Eheleute Haas setzten ihr Vorhaben auch in die Tat um. "Die Gäste, die zu uns kamen, waren überwiegend Wiedergutmachungsempfänger, sonst hätten sie sich diese Reise gar nicht leisten können", so Emmi Haas. Zunächst waren es nur einzelne Kontakte, später in großer Zahl Juden, die die Gastfreundschaft und die Geselligkeit im Haus Haas zu schätzen wussten. "Die Unterhaltungen mit den jüdischen Gästen waren toll, wir haben so viel von ihnen gelernt." Namhafte Größen aus Israel und führende Köpfe kamen immer wieder nach Freudenstadt, um ihre Wurzeln zu suchen und Urlaub zu machen.

Emmi Haas und ihr Mann verstanden es, sie mit Ausflügen zu unterhalten. "Eine Fahrt in den Schwarzwald, das war der Volltreffer", erzählt Emmi Haas. Einzelne Gäste waren bis zu 47 Mal da, und auch heute noch gehen regelmäßig Briefe und Karten zu den jüdischen Feiertagen nach Israel.

Nach dem Tod ihres Mannes Fritz im Jahr 1987 führte Emmi Haas das Gästehaus noch bis 1994 weiter. Die Familie Haas hat viel dazu beigetragen, dass sich aus Deutschland vertriebene Juden, die viel Schreckliches erlebt hatten, in ihrer einstigen Heimat wieder ein wenig heimisch fühlen konnten. Viele wurden das Heimweh nach Deutschland nicht los. Stille Zeitzeugen sind Briefe, Danksagungen, Bücher und Fotos, die dies belegen. Emmi Haas hingegen ist eine Zeitzeugin, die begeistert und fasziniert. "Das Gästehaus Haas ist eine nationale Heimstätte für uns geworden", so die Worte Martin Alterthums, einer ihrer Gäste. Über dieses anerkennende Wort freut sie sich besonders, zeigt es doch, wie gut es ihr und ihrem Mann gelungen ist, auf eine herzliche Art und Weise ein Stück Wiedergutmachung in die Tat umzusetzen.