Einen literarischen Abend in der Arkadenbuchhandlung gestalteten (von links) Walle Sayer, Gudrun Krüper, Matthias Kehle, Signe Sellke und Sascha Falk. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder-Bote

Lesung: Signe Sellke, Matthias Kehle und Walle Sayer geben Einblick in das Programm der Literaturtage

Einen Vorgeschmack auf die Literaturtage Nordschwarzwald Baiersbronn-Freudenstadt hat eine Lesung in der Arkadenbuchhandlung gegeben. Drei Autoren setzten der Dichtung dabei ein Denkmal.

Freudenstadt. Ziel war dabei unter anderem, der "Lyrik eine Chance zu geben", wie Kreisvolkshochschul-Direktor Sascha Falk in seiner Einführung sagte. Drei Vertreter des literarischen Olymps, Signe Sellke aus Schwäbisch Gmünd, Matthias Kehle aus Karlsruhe und der Horber Schriftsteller Walle Sayer – allesamt Matadoren der "Königsdisziplin Lyrik" – setzten mit ihren Beiträgen der Dichtung ein Denkmal.

Die Auswahl der Protagonisten war keineswegs zufällig, ist doch das Trio stark eingebunden in das Literaturtage-Festival im September (wir berichteten). Dem Publikum wurden bei der Gelegenheit die einzelnen Veranstaltungen vorgestellt.

Poet und Kommentator

Den Auftakt setzte Walle Sayer, den Literaturfreunden in der Region und weit darüber hinaus längst ein Begriff, mit Texten, die bisher nur in Fachzeitschriften erschienen sind. Sayer hat sich nicht nur als Verfasser von verdichteter Poesie einen Namen gemacht, die meist Alltagseindrücke und Empfindungen wiedergibt. Denn seine Qualitäten als Literaturkommentator belegten die Analysen von Arbeiten seiner Kollegen.

Dabei würdigte er das Gedicht "Ein Frühlingsbote" eines "literarischen Außenseiters des späten 19. Jahrhunderts", Christian Wagner, sowie den Vierzeiler "Fahneneid" des zeitgenössischen Autors Günter Bruno Fuchs.

Der "Frühlingsbote" schildere "eine kindheitsmagische Szene, die aufleuchtet im harten klein-bäuerlichen Dasein" zur Zeit Wagners. Mit einem "Dinggedicht" namens "Ein verlorenes Schäufelchen" sowie mit "Bildern aus dem Glaubensleben oder aus der Pubertät" stellte Sayer einmal mehr sein Sensorium für den Kosmos hinter dem Unscheinbaren unter Beweis. Signe Sellke las aus ihrer neuen Gedichtsammlung "Das eigensinnige Summen des Lichts". Der schmale Band vereint in vier Zyklen höchst unterschiedliche Impressionen und Emotionen: Beobachtetes und Erlebtes.

Da finden sich Bilder, die sich ihr auf dem Weg zur Arbeit aufgetan haben, neben Eindrücken aus einer zur Flüchtlingsunterkunft umgewidmeten Kaserne. Kurze, auf den Punkt gebrachte Arbeiten ließen das Publikum teilhaben an ihrem ausgeprägten metaphorischen Stil, der das Banale auf eine höhere Ebene verlagert. Beispiele: "Bleicher Atem Februar / stumpf schiebt der Morgen / Langeweile ins Dorf" oder "Die Kasernen umstellen die Wiese / das trostlose Quadrat / mit struppigem Grün". In seine Lesung ließ Matthias Kehle einfließen, dass er bislang 18 "höchst unterschiedliche Bücher" veröffentlicht habe: Prosaarbeiten, Gedicht-Anthologien, Reisereportagen. Kehle, im Verein mit Sayer und Falk Organisator der Literaturtage Nordschwarzwald, ist wie sein Horber Freund und Kollege Träger zahlreicher Preise.

Erzählung als Gegenstück

Für seinen Vortrag hatte er die Geschichte "Tante im Bett" aus seinem Erzählband "Die letzte Nacht" ausgesucht, bewusst als Gegenstück zum Lyrikfüllhorn. In der Ich-Erzählung schildert Kehle einen Besuch bei der seit zwanzig Jahren im Bett liegenden "Lieblingstante Wiltrud". Sie vertraut dem Besucher eine Begebenheit aus ihrem Leben an, die sie über Jahrzehnte für sich behalten hat: eine Liebesgeschichte ohne glückliches Ende. Der "einzige Mann in ihrem Leben", auf den sie so viele Hoffnungen gesetzt hat, verschwindet spurlos, und lässt neben Wiltrud auch eine Reihe anderer enttäuschter junger Frauen zurück.

Buchhändlerin Gudrun Krüper dankte den Vortragenden für den Abend und drückte ihre Vorfreude auf die Literaturtage aus.