Leichtathletik: Was macht eigentlich… Kurt Blersch / Mehrfacher Berglauf-Europameister auch heute noch in der Schweiz populär

Von Christian Lenk

Von Anfang der 1980-Jahre bis hinein in die 1990er des vergangenen Jahrhunderts galt Kurt Blersch als einer der besten Bergläufer in Europa und sogar weltweit. Es benötigte allerdings eine ganze Zeit, bis er seine sportliche Berufung fand.

Zunächst war der 1940 geborene Kurt Blersch eine bekannte Größe bei den unzähligen Straßen- und Geländeläufen in Baden-Württemberg und weit über die Landesgrenzen hinaus, jedoch ohne die ganz großen Erfolge. Mit seiner hageren Statur und den im Vergleich zum Oberkörper recht kurzen Beinen waren ihm bei flachen Läufen biologische Grenzen gesetzt. Dennoch war Blersch ein ganz passabler Athlet, der mit seinen Leistungen auch bei heutigen Laufveranstaltungen durchaus im Vorderfeld mitspielen könnte.

Aber für den in sich gekehrten, schüchternen und ruhigen Kurt Blersch waren seine Ergebnisse nicht das Maß der Dinge. Er wollte mehr! Im Europa der späten 70er, vor allem in den Alpenländern Schweiz, Österreich, Frankreich und Italien wurde der Berglauf immer populärer. Und so war es dann Blerschs guter Freund und Rivale, Anton "Toni" Gurbanov, der Blersch im "zarten" Alter von 39 Jahren im Sommer 1979 zu einem dieser Bergläufe in die Schweiz mitnahm. Und dies sollte für Blersch die Schicksalswendung in seiner sportlichen Karriere bedeuten. Denn sofort merkte Kurt Blersch, er hatte hier seine Disziplin gefunden, in der er ein ganz Großer werden kann.

Und so sollte es kommen. Ab diesem Zeitpunkt sollte es für Blersch nur noch in eine Richtung gehen, und zwar bergauf, sowohl privat, denn seine Frau Ursula erwartete ihr erstes Kind – und eigentlich hatte Kurt ihr ja versprochen, "sobald wir Kinder haben, trete ich im Training kürzer", als auch sportlich im doppelten Sinne. Blersch avancierte innerhalb kürzester Zeit zu einem gefürchteten Gegner für die etablierte Berglauf-Elite. Dazu gehörten die Schweizer Lauflegende und Olympiateilnehmer Albrecht (Brächtu) Moser, der vierfache Berglauf-Europameister Stefan Soler, der Walliser Gerhard Matter, der Belgier Omer van Noten, der Schweizer Biathlon-Meister von 1973 Xaver Setz sowie der marokkanischen Marathon-Olympiazweite von 1960 Ben Abdesselam Rhadi.

Doch ein Manko hatte die ganze Sache: Die Wettkämpfe lagen allesamt nicht gerade in der Nachbarschaft und Blersch hatte keinen Führerschein. Diese Tatsache machte die Anreise zu den Wettkämpfen jeweils zu einem Abenteuer, das der "Kraxler" aus dem Schwarzwald aber immer mit Bravour meisterte. Mit Bus, Bahn oder Mitfahrgelegenheit und nicht selten zu Fuß machte sich Kurt Blersch auf zur Wettkampfstätte. Immer mit seinem vollgepackten Rucksack, nur mit dem allernötigsten ausgerüstet: Schlafsack, Bodendecke, seinen Bedürfnissen entsprechend dem nötigsten an Essen, Teeflasche, eine Tasse, Kocher und Trikot.

Einer seiner besten Laufkollegen war Romand René Dumas aus Romont im Kanton Freiburg. Dumas war zweisprachig, was für Kurt Blersch von Vorteil war, da er selbst nur des Deutschen mächtig ist. Dumas hatte zudem ein Auto und war in der Laufszene auch an jedem Wochenende unterwegs. So hatte es Blersch auf einem Teil der Strecke bei der Hin- und Rückfahrt etwas leichter. Bei der Heimfahrt mit Sack und Pack trug er meistens noch einen Pokal und viele Male als Sachpreis einen Käselaib oder einen anderen Naturalpreis nach Hause.

Fragten ihn seine Gegner eine Woche später beim nächsten Wettkampf, ob er gut nach Hause gekommen sei, wusste er zu erzählen: "Ja mit dem Zug kam ich noch nach Offenburg, das war aber zu spät für den letzten Zug nach Freudenstadt. Ich übernachtete auf dem Bahnsteig um den ersten Zug am Morgen nach Hause nehmen zu können. Das reichte dann um noch rechtzeitig in der Druckerei am Arbeitsplatz zu sein."

Aber nach Hause konnte Blersch vor der Arbeit beim Schwarzwälder Bote nicht mehr, sondern erst am Montagabend nach Arbeitsschluss. Dies kam in der Wettkampfsaison öfters vor. Doch in den 90er Jahren fuhr seine Frau Ursula mit ihrem erstandenen Auto öfters mit zu den Rennen. Vor Ort waren seine Unterkünfte bevorzugt die freie Natur. Übernachtungen an abgelegenen Orten bei sommerlichen Temperaturen, am Waldrand oder dann unter geschützten Vordächern, das war für Blersch die optimale Wettkampfvorbereitung.

Mit seinem wachsenden Bekanntheitsgrad wurden ihm zwar immer häufiger von den Veranstaltern auch Übernachtungen in Hotels angeboten. Doch er nächtigte selten unter einem Dach. Und hatte er dann doch einmal ein solches Angebot wahrgenommen und die Wettkämpfe liefen dann nicht nach seinem Geschmack, äußerte er immer, dass er "schlecht geschlafen" habe.

Seine Rennen bestritt er stets ohne Socken in den Schuhen, mit leichter Rennhose und Trikot, und seine Augen waren stets auf seine engsten Gegner gerichtet. Nach dem Zieleinlauf war er immer ein unterhaltsamer Kamerad und alle seine Gegner schätzten Ihn, da er nie ein schlechtes Wort über einen von ihnen verlor, sondern immer sehr respektvoll über und mit ihnen sprach. Blersch war innerhalb weniger Jahre zu einer nicht wegzudenkenden Persönlichkeit im Berglauf avanciert, und selbst seine Gegner, die oft nur seine Hacken zu sehen bekamen, waren traurig, wenn Kurt nicht am Start war.

Eines von Blerschs Lieblingsrennen war der alljährliche internationale Matterhornlauf in Zermatt. Eine große Veranstaltung mit Teilnehmern aus unzähligen Nationen wie Kolumbien, Australien, England, Italien, Frankreich und Deutschland. Für die Sieger gab es immer mehrtägige Ferien zu gewinnen. So verdiente sich Blersch mit guten Resultaten immer wieder Urlaubstage, die er mit seiner Frau Ursula in Zermatt verbringen und sich damit für ihre Unterstützung bedanken konnte.

Kurt Blersch war ein Kenner der Materie und über die Jahre war aus dem schüchternen Schwarzwälder ein selbstsicherer Sportler mit starken Selbstbewusstsein geworden. Bis heute ist der Name Kurt Blersch in der Schweiz ein Synonym für einen der größten Bergläufer seiner Zeit, der trotz seiner sieben Europameistertitel und den zahlreichen weiteren Erfolgen nie überheblich war.

Nun ist Kurt Blersch längst in Rente und genießt seinen Lebensabend im beschaulichen Christophstal. Seine Knie lassen zwar keine Läufe mehr zu, dennoch ist Blersch nach wie vor sportlich mit dem Rennrad unterwegs und hält sich fit. Noch heute pflegen Kurt und Ursula Blersch zahlreiche Freundschaften. So zu Albrecht Moser, der auch in diesem Jahr wieder eine Weihnachtskarte geschickt hat, oder zu Xavier Setz, der in den kommenden Wochen den Schwarzwald besuchen möchte und sich dann auch einen Kaffee im Hause Blersch sicher nicht entgehen lässt. Dabei tauschen sie ihre Erinnerungen aus, denn bis heute schwärmt Kurt Blersch noch von diesen Zeiten mit Leidenschaft und Feuer in den Augen.