Ob die Beweislage für eine Anklage gegen den aus Freudenstadt stammenden Sergej W. ausreiche, ist nach Angaben seines Pflichtverteidigers derzeit offen. Foto: Facebook

Mutmaßlicher BVB-Bomber in Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft. Mit Interview

Freudenstadt/Tübingen -  Sergej W., mutmaßlicher Attentäter auf den Mannschaftsbus des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund, befindet sich in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft.

Den Angaben seines Tübinger Anwalts Reinhard Treimer zufolge hielt sich der 28-Jährige zum Tatzeitpunkt "urlaubshalber in Dortmund" auf. Dies sagte Treimer am Freitag dem Schwarzwälder Boten. Der Tatverdächtige macht nach Angaben seines Anwalts einen gefassten Eindruck.

Noch ist allerdings nicht klar, wo ein möglicher Prozess stattfinden könnte. Zunächst sei es Aufgabe der Ermittlungsbehörden, überhaupt einen Schuldnachweis zu führen. Ob die Beweislage für eine Anklage gegen den aus Freudenstadt stammenden Sergej W. ausreiche, ist nach Angaben seines Pflichtverteidigers derzeit offen. Wir haben mit Reinhard Treimer gesprochen:

Herr Treimer, Sie vertreten Sergej W. – als Pflichtverteidiger?

Ja.

Wie kamen Sie zum Mandat in diesem Fall?

Der Beschuldigte hat mich nach seiner Festnahme beauftragt, seine Verteidigung zu übernehmen. Auf seinen Antrag wurde ich noch am selben Tag vom Ermittlungsrichter am BGH zum Pflichtverteidiger bestellt. Ein üblicher Vorgang, wenn ein Fall der sogenannten notwendigen Verteidigung vorliegt.

Ihr Mandant leugnet die Tat Ihren Angaben zufolge. Welche Erklärung führt er dafür an, dass er in dem Hotel logierte und auf ein Zimmer mit Blick auf den Anschlagsort bestand?

Er hielt sich urlaubshalber in Dortmund auf.

Wie schätzen Sie die Chancen Ihres Mandanten ein, eine mögliche Unschuld zu beweisen? 

Grundsätzlich muss ein Beschuldigter nicht seine Unschuld beweisen. Es ist Sache der Ermittlungsbehörden, den Schuldnachweis zu führen.

Wie geht es Ihrem Mandanten derzeit?

Ich habe den Mandanten Ende letzter Woche in der JVA Stuttgart-Stammheim besucht. Er machte einen gefassten Eindruck, wenngleich ein Freiheitsentzug für jedermann eine schwere Belastung darstellt.

Wie gehen Sie mit einem so prominenten Fall um?

Ich habe langjährige Berufserfahrung, auch in umfangreichen Strafsachen. Allerdings ist unser Interesse dem der Presse gegensätzlich: Im Interesse unserer Mandanten wollen wir möglichst wenig Aufsehen. Fälle, die der Generalbundesanwalt an sich zieht, sind in der Region außergewöhnlich, genauso das mediale Interesse an diesem aktuellen Fall.

Wo würde der Prozess stattfinden, falls es zur Anklage kommt?

Der Ort einer eventuellen Strafverhandlung gegen den Beschuldigten (vorausgesetzt, die Beweislage würde für eine Anklage ausreichen), hängt zunächst von der Generalbundesanwaltschaft ab. Diese kann das Verfahren entweder selbst weiter führen oder an eine »normale« Staatsanwaltschaft abgeben. Die rechtlichen Details, die insoweit relevant sind, übergehe ich an dieser Stelle. Gesetzliche Vorschriften zur Zuständigkeit bestehen jedenfalls und sind von der Staatsanwaltschaft zu beachten. Grundsätzlich ist eine Strafverhandlung sowohl im Zuständigkeitsbereich des Wohnsitzes eines Beschuldigten oder auch im Bereich der angeblichen Straftat möglich. Die Staatsanwaltschaft entscheidet, bei welchem Gericht sie Anklage erhebt, das Gericht prüft dann seine Zuständigkeit und kann gegebenenfalls die Sache an das nach seiner Auffassung zuständige Gericht  verweisen.

Die Fragen stellte Lena Müssigmann.

Info

Bundesanwaltschaft zum Fall Sergej W.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hält sich zum Stand der Ermittlungen im Fall des mutmaßlichen BVB-Attentäters Sergej W. bedeckt. Nur die folgenden Angaben wurden bisher gemacht:

Haftort

Der Tatverdächtige sitzt aus Gründen der Nähe zum Festnahmeort Tübingen in Stuttgart-Stammheim ein.

Prozessort

Der Prozess kann am Festnahme-, Wohn- oder Tatort geführt werden – wo das im konkreten Fall sein wird, ist derzeit noch völlig unklar.

Stadium des Verfahrens

Die Ermittlungen dauern noch an, es werden Beweismittel gesichert und Spuren ausgewertet. Zum Zeitplan sagt der Sprecher des Generalbundesanwalts, dass nach sechs Monaten eine Haftprüfung erforderlich wird, wenn bis dahin keine Anklage erhoben wurde. "Es gibt vielfach den Versuch, vorher fertig zu werden, weil so eine Haftprüfung auch Arbeit ist", teilte Sprecher Stefan Biehl mit. Bei umfangreichen Verfahren könne es aber auch länger dauern, bis Anklage erhoben wird. Die Untersuchungshaft könnte dann verlängert werden, wenn unter anderem weiter ein dringender Tatverdacht gegen Sergej W. bestehe.

Detailfragen offen

Fragen zu Details (Was hat es mit den Zecken auf sich? Wurden die Optionsscheine beschlagnahmt oder sind sie weiter im Besitz von Sergej W.? Wird vom Generalbundesanwalt ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben?) beantwortete der Sprecher mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht.