Das Quartett Landstreichmusik mit (von links) Matthias Lincke, Dide Marfurt, Simon Dettwiler und Christine Lauterburg verknüpfte bei seinem Auftritt bei "Kultur am Dobel" traditionelle mit experimenteller Schweizer Volksmusik. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder-Bote

Bei "Kultur am Dobel" stromert die Schweizer "Landstreichmusik" über Berg und Tal / Ursprünglichkeit ist Trumpf

Von Gerhard Keck

Freudenstadt. Brautlieder und Liebesmelodien, Spott- und Heimwehlieder, Balladen und Tänze, Jodeln und Juuzen: Da offenbart die Schweiz die ihr eigene kulturelle Vielfalt in Tradition und neuzeitlichem Experiment. Wenn dann noch eine Truppe wie die "Landstreichmusik" musikalische Ausrufezeichen setzt, ist der Abend gewonnen.

So geschehen am Samstag bei "Kultur am Dobel" im Stadthaus. Vereinsvorsitzender Bernd Waldenberger zitierte eingangs, passend zum Anlass, eine Untersuchung, wonach die Befragten ihre nicht repräsentativen Assoziationen zur Schweiz offenlegten. In absteigender Reihenfolge kam so eine Hitliste zustande, die gängige Klischees bestätigte: Berge, schönes Land, Käse, Schokolade… Unter den 27 Nennungen waren Kultur oder Musik nicht vertreten. Ein blamables Resultat.

Wenn schon nicht Dürrenmatt oder Frisch zu Ehren kamen, dann hätte doch wenigstens Emil Steinberger präsent sein müssen. Diesen Makel auszubügeln schickte sich die helvetische "Landstreichmusik" an. Das Quartett mit Matthias Lincke, Christine Lauterburg, Dide Marfurt und Simon Dettwiler war bereits zum dritten Mal Gast der Kulturinitiative.

Für ihre Musik aus verschiedenen Regionen und Kantonen legen sich die quirligen Eidgenossen mächtig ins Zeug. Auch noch das ungewöhnlichste Instrument unterwerfen sie ihrer Professionalität. Mit ihrer Musik aus dem Appenzeller Land "bedienen sie die Klischees", augenzwinkernd natürlich, zum "wunderbaren Leben in den Alpen" ermuntert die "Landstreichmusik" das Publikum "freudig freudenstädterisch mitzusingen".

Wird eigentlich noch getanzt in Freudenstadt?, fragen die Musikanten. "Platz gäbe es, hinten und vorne", und ein Walzer aus dem Wallis von Dide Marfurt an der Drehleier wäre die passende Motivation. Aber ganz so weit will sich dann doch niemand hinauslehnen. Ein Lied zur Schokolade, Bezug nehmend auf die Meinungsumfrage, fehlt im Repertoire. Aber das ist unerheblich, denn "ein Stockwerk tiefer" sprich im Café Pause, haben sich dazu die vier bereits verlocken lassen. Mit Rücksicht auf die Gäste parlieren sie großteils im charmanten Schwyzerdütsch, bei den Liedtexten ist dann aber Ursprünglichkeit Trumpf.

Christine Lauterburg, Jodlerin und Juuzerin, lässt die Alpen erzittern, wozu die Technik ihren erklecklichen Beitrag leistet. Die Breite seiner Kompetenz belegt das blond gelockte Multitalent darüber hinaus mit Geige, Bratsche und Quetschkommode. Mitunter dient als Rhythmusgeber ein Besen mit Stock.

Matthias Lincke, ein Teufelskerl an der Wandergeige, gibt den Takt vor und kommuniziert mit dem Publikum. Auf eine ganz besondere Art hält er die Beziehung zur Schweiz aufrecht. Sein Landsmann, der Dichter Gottfried Keller, hat in die Novelle "Romeo und Julia auf dem Dorfe" einen "Schwarzen Geiger" symbolträchtig eingebaut. Lincke fordert diese Assoziation durch seinen Habitus geradezu heraus.

Dide Marfurt bedient mit Hingabe die Mandoline, bläst der Sackpfeife Luft ein und ist zuständig für das, "was sonst Krach macht". Sein Schwyzerörgeli ist Simon Dettwiler ans Herz gewachsen – er präsentiert sich als ein wahrer Tastenkünstler.

Seit 2010 sind die "Landstreicher" unterwegs in der Tradition der historischen Wandergeiger und Spielleute. Ihre Musik ist "aufgelesen am Wegrand im Laufe von Jahrhunderten, von Musikant zu Musikant weitergegeben", wie die Truppe bekennt. In Freudenstadt jedenfalls ist sie auch ein weiteres Mal willkommen. Also, uf wiederluege!