Wohngruppenleiter Michael Wolff (von links), Direktor Hans-Henning Averbeck, Architekt Joachim Haist, Malermeister Markus Rauscher und Caparol-Projektmanager Volker Tank präsentieren vor dem Oberlinhaus eine Dämmplatte aus Hanf. Foto: Werthenbach Foto: Schwarzwälder-Bote

Gebäude: Neuer Dämmstoff am Oberlinhaus / Lob für ökologische Nachhaltigkeit / Österreich ist Vorreiter

Als eines der ersten Gebäude in Baden-Württemberg wird das Oberlinhaus künftig mit Hanf gedämmt. Laut Hersteller hat das Material nicht nur Vorteile für Brand- und Schallschutz. Es handle sich auch um den "ersten nachhaltigen Baustoff".

Freudenstadt. "Ein Vorzeigeprojekt" im Südwesten nennt Architekt Joachim Haist die Baumaßnahmen am Oberlinhaus, in dem seit zwei Jahren auch Flüchtlinge wohnen. Die weit verbreitete und billigere Styropor-Dämmung sei ihm schon länger ein "Dorn im Auge", sagt Haist auch mit Blick auf "verheerende Brände" und die Diskussionen über besseren Brandschutz. Entsprechend froh zeigen sich Oberlinhaus-Direktor Hans-Henning Averbeck, der Projektmanager des Dämmstoff-Herstellers Volker Tank und Haist darüber, dass man dieses Projekt in Freudenstadt bereits vor dem Londoner Hochhausbrand im Juli beschlossen hat. Im Juli habe das Malergeschäft Markus Rauscher aus Dietersweiler mit den Arbeiten begonnen.

Die Schlussbeschichtung stehe noch an, bis Mitte Oktober solle alles gedämmt sein. Tank von der Firma Caparol erklärt, dass in Österreich bereits seit zehn Jahren immer mehr Gebäude mit Hanf gedämmt würden.

Dort werde der Nutzhanf auch angebaut. Die Fasern der Pflanze werden zu Dämmstoff verarbeitet. Insbesondere wirbt Tank für die ökologische Nachhaltigkeit: "Die Herstellung ist CO2-neutral, zum Anbau braucht es keine Pestizide, und die Pflanze wächst in drei Monaten." Zudem könne Hanf überall angebaut werden, auch kenne die bis zu vier Meter hohe Pflanze keine Schädlinge. Und die fertigen Dämmplatten von jeweils einem halben Quadratmeter seien effektiv gegen Wärme im Sommer. Auch Feuchtigkeit mache ihnen nichts aus.

Fasern reißfester als Stahl

Aktuell "explodiere" der Hanfanbau in der ganzen Welt, nur in Deutschland laufe er etwas langsamer an. Dies liege einerseits daran, dass deutsche Landwirte bisher noch "ein bisschen engstirnig" seien, da die Hanffasern – reißfester als Stahl – sich in den Mähdreschern verfangen und zu Schäden führen. Wenn alle gemeinsam – ähnlich wie in anderen Ländern – ihre Maschinen umbauen würden, sei dies aber kein Hindernis. Andererseits müssen sich laut Tank auch Handwerkerfirmen zunächst mit dem neuen Baustoff vertraut machen und zum Beispiel spezielle Bohrer einsetzen. Hinzu kommen die höheren Kosten: 20 Prozent mehr Lohnkosten sollen für die Montage von Hanfdämmung anfallen.

Haltbarkeit von bis zu 80 Jahren

Mit entsprechender Wartung und Pflege werde die Dämmung aber mindestens 80 Jahre lang halten, so Tank. Er begrüße die Entwicklung, dass auch in Deutschland inzwischen mehr über Ökologie und Regionalität diskutiert werde. "Vorher war billig immer das beste", sagt er, doch der Vorteil von Hanf gerade gegenüber dem aus Erdöl hergestellten Styropor liege auf der Hand. Außerdem habe man beim Oberlinhaus durch "sorgfältige Planung" Kosten sparen können. So sei etwa die Dämmstoffschicht verschmälert worden. Da es sich um eine Neuheit in der Region handle, fördert Hersteller Caparol das Projekt mit einer Spende an das Oberlinhaus als gemeinnützige Einrichtung.

Haist berichtet, dass immer wieder auch Fragen zum Zusammenhang mit dem als Rauschmittel verwendeten Cannabis aufkämen. Tank klärt auf: "Im Nutzhanf liegt der Gehalt des Wirkstoffs THC bei unter 0,2 Prozent. Davon müsste man einen Hektar rauchen, um was zu spüren."