Der Job eines Altenpflegers ist alles andere als einfach, vor allem, wenn die Patienten einen schlechten Tag haben. Für einen 48-Jährigen aus Freudenstadt endete dies vor dem Rottweiler Landgericht. (Symbolfoto) Foto: Scholz

Schürfverletzung reicht nicht als Beweis: 48-Jähriger aus Freudenstadt vor Gericht. Richter glaubt Zeugin "kein Wort".

Freudenstadt/Rottweil - Der Vorwurf wog schwer. Der Mann, der da vor dem Rottweiler Landgericht auf der Anklagebank saß, soll als Pfleger die Bewohnerin eines Freudenstädter Pflegeheims körperlich misshandelt haben. Am Ende ließ sich der Vorwurf allerdings nicht mehr halten.

Der Strafvorwurf lautete "vorsätzliche Körperverletzung". Er wurde gegen den 48-jährigen Arbeitserzieher aus Freudenstadt im Laufe der Verhandlung eingestellt.

Zu Beginn der Verhandlung schilderte der Angeklagte vor dem Vorsitzenden Richter Wolfgang Heuer seine Sicht des Vorfalls. Der 48-Jährige nannte das Opfer als "teils aggressiv" und "verhaltensgestört". Manchmal habe sie sich auf ihr Gesäß fallen lassen und sich geweigert wieder aufzustehen – teilweise sei dies scherzhaft gemeint gewesen, teilweise aber auch unter großem Wehklagen und Weinen. So auch an besagtem Tag.

Die Szenerie gipfelte als sich das Opfer im Türrahmen hinsetzte und sich mit der Hand zwischen Tür und Zarge festklammerte. Dabei habe sie geweint und den Angeklagten wütend beschimpft. Die hinzugekommene Gruppenleiterin habe zwischenzeitlich die schwere Tür aufgehalten. Der Angeklagte berichtete, dass er den Eindruck gehabt habe, seine Kollegin könne die schwere Tür nicht länger halten. Deshalb habe er die Frau aus der Umklammerung befreit. Dabei soll sich die Patientin eine größere Schürfwunde zugezogen haben. Diese Wunde wurde dann auch mehrere Tage später fotografiert. Das Foto lag dem Gericht vor.

Sechs Zeugen wurden danach vernommen. Verwundert nahmen Richter und die Schöffen die Aussagen zur Kenntnis, dass erst nach 10 bis 14 Tagen die Angelegenheit zur Anzeige gebracht wurde. Zudem musste Richter Heuer mehrmals nachhaken, bevor die Zeugen die Situation mit der Tür zur Sprache brachten. Eine Zeugin berichtete, der Angeklagte habe die Heimbewohnerin sogar geschupst, sodass sich diese Abschürfungen an den Knien zugezogen habe. Deutlich wurde der Richter gegenüber der Kollegin, die die Tür aufgehalten hatte: "Ich glaube Ihnen kein Wort." Die Zeugin hatte nämlich in ihrer Dokumentation die Szene mit der schweren Türe schlichtweg weggelassen. Der Polizist, der die Anzeige entgegennahm, hatte es im Übrigen versäumt, sich den Tatort anzusehen und diesen zu dokumentieren.

Für den Angeklagten hatte der Vorfall bereits arbeitsrechtliche Konsequenzen. Seit dem Vorfall ist er arbeitslos. Eine Klage beim Arbeitsgericht endete mit einem Vergleich. Nach kurzer Vorberatung mit den Schöffen machte Richter Heuer den Vorschlag, das Verfahren (gemäß § 153 Strafprozessordnung) einzustellen. Die Begründung: Die Beweislage stelle eine Verurteilung des Angeklagten in Frage. Sie reiche schlicht für einen Schuldspruch nicht aus. Allenfalls käme der Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung in Frage. Was dem Angeklagten außerdem zugute kam ist – er hatte sich noch nie etwas zu Schulden kommen lassen. Deshalb plädierten Staatsanwältin und der Verteidiger des 48-Jährigen für die Einstellung des Verfahrens. Damit ist der Mann auch nicht vorbestraft, und die Verfahrenskosten trägt die Staatskasse.