Brandschutt am Firmengebäude nach dem Feuer im Januar vergangenen Jahres. Foto: Wiegert

Landgericht Rottweil fällt Urteil in außergewöhnlichem Fall. Angeklagter in "psychischem Ausnahmezustand".

Freudenstadt/Rottweil - Im Prozess um den Brand bei "Erfi" im Freudenstädter Gewerbegebiet Wittlensweiler hat das Landgericht Rottweil am Mittwoch den Angeklagten wegen Brandstiftung zu einer Bewährungsstrafe mit Führungsaufsicht verurteilt.

Richter Karlheinz Münzer nannte den Fall bei der Urteilsbegründung "außergewöhnlich": einerseits aufgrund des "ungewöhnlich hohen Schadens", der im "strafrelevanten" Rahmen vom Gericht auf fünf Millionen Euro geschätzt wurde, andererseits wegen der besonderen Situation des Angeklagten. Der sei aufgrund prägender Erlebnisse in der Jugend, durch jahrelange Leiharbeit sowie wegen seiner Alkoholabhängigkeit zur Tatzeit in einem "psychischen Ausnahmezustand" gewesen.

Folglich sind die zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von zwei Jahren sowie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an strenge Auflagen gebunden: Der 53-Jährige muss regelmäßig in Bluttests seine Abstinenz nachweisen und sich verschiedenen Therapien unterziehen.

Positiv angerechnet wurde dem Angeklagten, dass er seine Situation seit der Tat im Januar 2016 aus eigener Kraft verbessert habe: Er besitze wieder eine feste Arbeitsstelle, habe an der Beziehung zu seiner Lebensgefährtin gearbeitet und besuche nach der freiwilligen Langzeittherapie zum Alkoholentzug bis heute auch Nachsorge-Behandlungen.

Nach der intensiven Beschäftigung mit dem Seelenleben des Angeklagten kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass er nach der überraschenden Nachricht über seine Abmeldung als Leiharbeiter bei "Erfi" nicht in der Lage war, die aufkommenden Gefühle von Wut und Verzweiflung zu bewältigen. In der Folge habe er sich in den Stunden danach stark betrunken und sei mit 3,22 Promille in die Firma eingebrochen – allerdings ohne die Absicht, größtmöglichen Schaden anzurichten.

"Stark strafmildernd" habe sich die Tatsache ausgewirkt, dass er sich nur wenige Stunden nach der Brandstiftung der Polizei stellte und sich auch vor Gericht reumütig zeigte. In seinem Plädoyer berichtete auch Oberstaatsanwalt Christoph Kalkschmid, dass man "sehr mit sich ringen" müsse, um in diesem Fall zu einem Urteil zu kommen, das der Situation des Angeklagten und der Tat gerecht werde.

Er revidierte seine Formulierung aus der Anklage, der Mann sei in die Firma eingebrochen, um Feuer zu legen. Stattdessen müsse man inzwischen davon ausgehen, dass der Entschluss der Brandstiftung erst nach dem Einbruch gefasst worden sei. Ebenso spreche sein unprofessionelles Vorgehen – der Mann verzichtete beispielsweise auf Brandbeschleuniger und zündete teilweise nur einzelne Blätter an – gegen eine geplante Tat.

Insgesamt blieb das Gericht nah an Kalkschmids Antrag auf eine zweijährige Freiheitsstrafe und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, wovon beides zur Bewährung mit Auflagen ausgesetzt werden könne.

Verteidiger Lars Willems stimmte in seinem Schlusswort dem Oberstaatsanwalt in vielen Punkten zu und betonte, dass das Vorgehen des Angeklagten in der Tatnacht als "Hilferuf" zu verstehen sei. Er habe seine Abmeldung bei "Erfi" damals "falsch eingeordnet", und sei nach "übermäßigem Alkoholkonsum" in die Firma eingebrochen, um zunächst mit dem Zünden von Böllern auf sich aufmerksam zu machen. "Er dachte, da müssten Rauchmelder losgehen, und er erwartete seine Festnahme."

Zudem hob Willems hervor, dass der Angeklagte seit der Tat an sich arbeite, eine Tagesstruktur habe und sich inzwischen seiner Krankheit bewusst sei: "Er braucht Hilfe und weniger Strafe." Er kritisierte Kalkschmids Antrag auf Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: "Auch mit Bewährung würde das für den Angeklagten bedeuten, dass man ihm nicht vertraut." Stattdessen müsse man die "Stützpfeiler" stärken, die er sich selbst erarbeitet habe, weshalb er eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten beantragte, die zur Bewährung auszusetzen sei.

Der Angeklagte, dem im Laufe des Verfahrens immer wieder die damit verbundene Belastung anzumerken war, betonte in seinem Schlusswort, wie sehr er sich für die Tat schäme: "Ich hätte nie gedacht, dass ich zu so einer Schandtat fähig bin." Er habe seit der Tat Albträume und zudem in den vergangenen 16 Monaten viel gelernt: "Ich habe aus Verzweiflung gehandelt und total falsch reagiert."