Diplom-Psychologe Stephan Valentin sprach auf Einladung von VHS-Abteilungsleiterin Ursula Keck (links) und Buchhändlerin Gudrun Krüper über Freiheit und überzogene Ansprüche in der Kindererziehung. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder-Bote

Stephan Valentin stellt neues Buch vor / Kindererziehung und Ansprüche der Eltern sind Thema

Von Gerhard Keck

Freudenstadt. Eltern und Erziehende sollten Kinder "nicht im Kokon aufwachsen lassen", sagt der Psychologe Stephan Valentin. Kinder seien auch "keine Knetmasse", die sich nach Belieben formen lässt.

Der promovierte Diplom-Psychologe erklärt in seinem neuen Buch "Freie Eltern, freie Kinder", welche Bedeutung dem Vertrauen in der Erziehung zukommt. Auf Einladung der Kreisvolkshochschule und der Arkadenbuchhandlung war Valentin erneut zu Gast in Freudenstadt.

VHS-Abteilungsleiterin Ursula Keck und Buchhändlerin Gudrun Krüper waren durch die vielen positiven Rückmeldungen auf den ersten Auftritt des Psychologen dazu ermuntert worden, Eltern, Lehrern und Erziehungsfachleuten ein weiteres Forum zu bieten. Valentin stellte auch dieses Mal seine Kompetenz vor großem Publikum im Gerhard-Hertel-Saal des Kurhauses unter Beweis. Er las aber nur wenige Passagen aus seinem Buch vor. Viel wichtiger war ihm der Austausch mit den Zuhörern. Auch nach dem offiziellen Ende war Stephan Valentin ein gefragter Gesprächspartner.

Aus Angst davor, Wichtiges zu versäumen, würden viele Eltern auf ihre Kinder starren wie das Kaninchen auf die Schlange, sagte Valentin. Ständige Kontrolle, ein Übermaß an Förderung und erhöhte Ansprüche an Schule und Kindergärten schränken nach Überzeugung des Psychologen eine gesunde Entwicklung bedenklich ein. Die elterlichen Erwartungen seien hoch, bestätigten auch Beiträge aus dem Publikum. Handys beispielsweise lassen es zu, dass die Schritte der Kinder nahezu lückenlos verfolgt werden können.

Eine solche Kontrollsucht, die dem normalen Ablösungsprozess entgegen stünde, führe im Grundsatz dazu, dass junge Menschen "mit 18, 19 Jahren noch Kinder und keine Erwachsenen sind", sagte Valentin. Eltern meinten, sie müssten sich vor der Gesellschaft rechtfertigen, insbesondere was die klassische Schulkarriere anbetrifft.

An Väter und Mütter appellierte Valentin eindringlich, zuzulassen, dass "ihr Kind auch anders sein kann". Schließlich könnten Eltern ihr Kind nur begleiten. Anwesenheit und Rückzug, für beide Teile gleichermaßen bedeutsam, befördern nach Valentins Überzeugung das richtige Maß an Freiheit. Auch die Kinder nimmt Valentin in die Pflicht: Sie müssten akzeptieren, dass Eltern nicht jederzeit verfügbar sein könnten, sondern Anspruch auf eine eigene Lebensgestaltung hätten.

Ohne schlechtes Gewissen dürften die Eltern sich auch mal eine Auszeit gönnen. Denn dies bedeute nicht automatisch, dass Väter oder Mütter ihr Kind aufs Abstellgleis stellen würden. Zeitweise Trennungen sind nach Valentins Erkenntnissen dem Kind "auf seinem natürlichen Weg in die Autonomie" sogar förderlich.

Hoher Stellenwert in der seelischen Entwicklung komme ferner den Großeltern zu. Von ihnen fühle sich das Kind "nicht so sehr unter Druck gesetzt", weil sich Oma und Opa nicht mehr als Erziehende beweisen müssten.