Stuttgarter Ensemble besticht durch Vielseitigkeit und Perfektion / Zum Schluss klingen Schlittenglocken

Von Gabriele Adrian

Freudenstadt. Im "schönsten Kammermusiksaal, den ich persönlich kenne", begrüßte Patrick Siben, Orchesterchef der Stuttgarter Saloniker, sein Publikum im voll besetzten Gerhard-Hertel-Saal des Freudenstädter Kurhauses. Dicht waren die Zuhörer an das fünfköpfige Ensemble herangerückt und erlebten so hautnah die begeisternde und schwungvolle Musik in intimer Atmosphäre.

Eingeleitet wurde der Konzertabend mit dem Marsch "Wien bleibt Wien" von Johann Schrammel, dem Begründer der Schrammelmusik, die im 19. Jahrhundert bekannt war als Wiege der Wiener Heurigen- und Tanzmusik. Märsche, Tänze, Lieder und Walzer standen auch auf dem abwechslungsreichen Programm, das von Walzer und Romantik-Klassikern bis hin zu Originalkompositionen aus der Early-Jazz-Ära reichte.

Es spielten die renommierten Profimusiker Editha Konwitschny (Violine), Carelys Carreras (Klarinette und Saxofon), Vache Bagratuni (Cello) und Florian Bony (Kontrabass), geleitet und begleitet von Patrick Siben am Flügel. Mit viel Schwung, Fantasie und Charme boten die Musiker ihr Programm, das sich der "Lieblingsmusik der Urgroß- und Großeltern" widmete, wie es mit einem Augenzwinkern Patrick Siben ausdrückte. Doch bald war klar, dass diese flotten Klänge auch den Eltern und Kindern gefallen.

Der Schrammelmusik folgte die Ouvertüre zur Fledermaus von Johann Strauß, dem "Megastar des 19. Jahrhunderts", wie Siben betonte. Ein Walzer galt bei den damaligen Sittenwächtern als höchst moderne, wenn nicht gar unanständige Musik, kamen sich die Tänzer körperlich doch gefährlich nahe. Der Kaiserwalzer, der an die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie mit Kaiser Franz Joseph I. erinnerte, ist eigentlich kein Tanz- sondern ein reiner Konzertwalzer, denn der Monarch war kein guter Tänzer und bevorzugte ein sinfonisches Konzertstück mit spritziger Einleitung im Marschtempo.

Ein facettenreiches Klanggemälde stellte die folgende Fantasie-Selektion aus der Oper "Wilhelm Tell" von Gioacchino Rossini dar, ein thematischer Zusammenschnitt der Melodien, den das Ensemble in 14 Minuten gekonnt "abarbeitete". Die vielschichtige fantasievolle Musik handelt von Liebe und Dramatik. Der Held trotzt sogar einem Sturm auf dem Vierwaldstätter See, musikalisch effektvoll mit Streicher-Tremoli und chromatischen Tonleiter-Wellenbewegungen interpretiert.

Nach der Pause durfte das Publikum Early Jazz vom Feinsten genießen. "Stars and Stripes Forever" von John Philip Sousa, auch als heimliche amerikanische Nationalhymne bekannt, begeisterte die Zuhörer ebenso wie der heiter-swingende Ragtime "The Entertainer" von Scott Joblin, der, wie Patrick Siben erläuterte, "die Synkope zum musikalischen Prinzip erhob" und anmutige Streicherklänge zur witzigen Interpretation des Saxofons bot.

Dem exotisch wirkenden Limehouse-Blues, der das Elend chinesischer Einwanderer, die am Londoner Limehouse-Hafen lebten, in düstereren Klangfarben schilderte, folgte ein skurriler Stomp von Jelly Rolf Morton, den das ewige Blues-Thema nervte. Eindrucksvoll wurde er in stampfendem Rhythmus gespielt, und die Klarinettistin wechselte zum Saxofon, um danach wieder zur Klarinette zu greifen. Einen schwung- und reizvollen Cha-Cha-Cha hatte Patrick Siben auf einer Kuba-Reise entdeckt. Auch der durfte in der Programmfolge nicht fehlen. Eine Komposition aus den 30er-Jahren, "Die verliebte Geige" von Vizilio Ranzato, gab Editha Konwitschny die Gelegenheit, ihr großes Talent an der Geige zu demonstrieren. Wehmütig und sehnsuchtsvoll und mit großer Hingabe gespielt, erklang das schöne Instrument.

Das Konzert schloss das Ensemble mit der berühmten Petersburger Schlittenfahrt ab, in der auch das Publikum mitwirken durfte. Original Pferdeschlitten-Glocken reichte Siben herum, die begeistert von den Zuhörern geschwungen wurden. Mit dem berühmten Radetzky-Marsch endete standesgemäß das reich beklatschte und begeistert aufgenommene Neujahrs-Programm der Stuttgarter Saloniker.