Letztlich kamen die beteiligten Gremien überein, die Kernzone zu reduzieren. Foto: Nationalpark

Thomas Waldenspuhl gibt Einblicke in Gesetze des Waldes. Führungen und Bürgerbeteiligung.

Kreis Freudenstadt - Wie macht man aus einem Wald einen Urwald? Eine erste Antwort auf diese Frage gab Nationalparkleiter Thomas Waldenspuhl gestern bei der Vorstellung der ersten Gliederung der Nationalparkkulisse. Dabei wurde klar: Zeit spielt keine Rolle.

"Es ist wie beim Bau des Freiburger Münsters. Die Erbauer werden die erste Messe nicht mehr erleben." Thomas Waldenspuhl, der gestern vor der überregionalen Presse die Einteilung des Nationalparks ins Kernzone (3300 Hektar), Entwicklungszone (4600 Hektar) und Managementzone (2100 Hektar) erklärte (wir berichteten), ist philosophisch unterwegs. Von Zeit, Werden, Wachsen und Vergehen ist die Rede und von einer Geschichte des Waldes, die sich so vollkommen loslöst vom menschlichen Vorstellungsvermögen. Der Wald hat seine eigene Zeit, seine eigenen Gesetze. Da sind 30 Jahre Waldumbau nicht mehr als ein Wimpernschlag. Und deshalb weiß Waldenspuhl auch, dass gerade der Wald bei den Menschen in der Region ein Thema von besonderer Wertigkeit ist. "Da kann mancher nicht über seinen Schatten springen", bezieht sich Waldenspuhl bei der Pressekonferenz auf die zu Beginn des Nationalparkprozesses recht emotional geführte Diskussion.

Das soll jetzt anders werden. Die Nationalparkverwaltung will diskutieren, den Bürger mitnehmen, aber auf einem anderen Niveau als bisher. Die Experten wurden bei der Findungsphase der Zoneneinteilung bereits gehört, Nationlparkrat und -beirat haben zugestimmt. Nun sind die Bürger dran: Sie haben via Onlineportal die Möglichkeit, mitzudiskutieren, Wünsche zu formulieren und Vorschläge einzubringen. Führungen in die Kernzonen sollen zudem ein zusätzliches Maß an Transparenz bieten und Vorbehalte abbauen.

Alles ist diskutabel, nichts ist festgezurrt – außer die Kernzonen, die laut Marc Förschler, Biologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter, indiskutabel sind. Aus ökologischer Sicht hätte nämlich weitaus mehr Fläche als die die Bereiche Plättig, Hoher Ochsenkopf/Nägliskopf im Norden, Wilder See/Kleemüsse in der Mitte und Buhlbachsee/Hechliskopf im Süden zur Kernzone getaugt. Doch man wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, sich und dem Wald Entwicklungsmöglichkeiten lassen und vor allem die Sichtbarkeit auftretender Borkenkäferschäden nach außen ausgleichen. "Also haben wir die Flächen deutlich reduziert", erklärt Waldenspuhl. Ist der Waldumbau in den Entwicklungszonen nach 30 Jahren beendet und beginnt der Prozessschutz, werden die Kernzonen automatisch ausgeweitet.

Wie das geht, den Wald "umzubauen", weiß Fachbereichsleiter Jörg Ziegler. Beim Waldentwicklungskonzept für den Nationalpark gehe es darum, dem Wald einen "Kick" zu geben, um natürliche Prozesse zu beschleunigen. "Man kann 500 oder 1000 Jahre warten, oder man fördert aktiv bestimmte Baumsorten", sagt Ziegler. Zum Beispiel Buche und Tanne. Was aber nicht bedeute, dass man gegen die viel diskutierte Fichte arbeite. "Das ist ein Spannungsfeld zwischen Mensch und Natur", erklärt der Experte, denn nicht zuletzt der Standort bestimme die Zusammensetzung des Waldes – und die Standorte im Nationalpark sind äußerst unterschiedlich. Dann wäre da noch die Klimaerwärmung, die den beiden Lieblingen Buche und Fichte auf lange Sicht auch den Garaus machen könnte. Einen weitere Unbekannte im Nationalpark-Kosmos sind Neophyten wie die Douglasie, über die es bislang kaum Erkenntnisse gibt, wie sie sich außerhalb eines Wirtschaftswalds überhaupt entwickeln. "Das ist alles sehr spannend. Man wird das aber erst in 100 oder 200 Jahren sehen", erklärt Waldenspuhl. Denn selbst die Bannwälder, die sich nun in den Kernzonen des Nationalparks befinden, sind noch zu jung, um Erkenntnisse für einen Urwald, wie er angestrebt wird, geben zu können. "150 Jahre. Das ist kein Alter für einen Wald", sagt Waldenspuhl. Und dennoch – die Pilze und Flechten, die sich bislang in diesen urwüchsigen Bereichen finden, gebe es sonst im ganzen Schwarzwald nicht, ergänzt Förschler. Wie sich der Urwald im Schwarzwald also genau entwickeln wird, wissen auch die Experten der Nationalparkverwaltung nicht. "Spannend", sagt Thomas Waldenspuhl, "wird es erst in 500 Jahren."

Baden-Württemberg

u Im Internet

Ab 11. November können Interessierte auf einem Portal, das über die Nationalpark-Homepage www.schwarzwald-nationalpark.de zu erreichen ist, mitdiskutieren und Vorschläge machen. Das Portal ist bis einschließlich 2. Dezember geöffnet.

u Vor Ort

Drei öffentliche Führungen in die verschiedenen Nationalparkzonen sind geplant. Am Freitag, 17. Oktober, geht es zum Hohen Ochsenkopf, am 31. Oktober zum Huzenbacher See und auf die Hochlagen sowie am 7. November zum Buhlbachsee.