Vor dem Landgericht Rottweil muss sich ein 27-Jähriger aus dem Kreis Freudenstadt wegen Drogenhandels verantworten. Foto: Blaich

Prozess: Gutachter bescheinigt 27-jährigem Angeklagtem Narzissmus. Ex-Freundin wegen Mittäterschaft angeklagt.

Kreis Freudenstadt - Beim zweiten Prozesstag in der Verhandlung gegen einen 27-Jährigen aus dem Kreis Freudenstadt wegen Drogenhandels ging es um ein medizinisch-psychologisches Gutachten.

Beim Prozess vor der 1. Großen Strafkammer des Rottweiler Landgerichts wird dem 27-Jährigen und seiner Ex-Freundin vorsätzliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt. Der Hauptangeklagte wurde von der Justizvollzugsanstalt Villingen-Schwenningen, wo er seit seiner Verhaftung im November in Untersuchungshaft sitzt, in den Schwurgerichtssaal gebracht. Neben ihm auf der Anklagebank saß seine Ex-Freundin, die wegen der Mittäterschaft und Beihilfe angeklagt war.

Nachdem der Angeklagte am ersten Verhandlungstag ausführlich seine Vita vorgetragen, die gescheiterten erzieherischen Maßnahmen und die Trennung der Eltern für sein Abrutschen in das Drogenmilieu verantwortlich gemacht und regelmäßigen Konsum von Alkohol und Drogen seit seinem zehnten beziehungsweise elften Lebensjahr eingeräumt hatte, trug nun ein medizinisch-psychologischer Gutachter seine Sicht auf die Angeklagten vor.

Nach einer Untersuchung Ende März im Gefängnis könne er dem Angeklagten aus medizinischer Sicht eine guten Allgemeinzustand diagnostizieren, sagte der Gutachter. Er habe keinen Leidensdruck und keinerlei Entzugserscheinungen beim Angeklagten bemerkt, die Stimmung sei nicht gedrückt, das Gedächtnis sei ungestört und es lägen keine organischen Beeinträchtigungen vor. Er sei "normalsinnig und geistesgesund".

Bei Angaben zu Konsum übertrieben?

Aus all seinen Informationen, die er während der Untersuchung erhalten habe, müsse er schließen, so der Gutachter, dass der Angeklagte, der über einen normalen Intelligenzquotienten von 104 verfügt, bei seinen Schilderungen über sein Drogen- und Rauschmittel-Konsumverhalten übertrieben habe und diese nicht den Tatsachen entsprochen hätten, so der Gutachter. Das Suchtverhalten, das der angeklagte geschildert habe, decke sich nicht mit der gesunden Persönlichkeitsstruktur, die er bei der Untersuchung und auch während des Prozesses gezeigt habe, betonte der Gutachter. Medizinische Gründe für eine Schuldminderung lägen laut seiner Sicht daher nicht vor, sein Verhalten sei nicht krankheitsbedingt.

Kein Abhängigkeitspotenzial

Auf Nachfrage des vorsitzenden Richters und der Verteidigung verdeutlichte der Gutachter seinen Standpunkt: Es läge keine Sucht und kein Abhängigkeitspotenzial vor – der Drogenkonsum des Angeklagten sei Teil seines Lebensgefühls, er sei mehr "Geschäftsmann" und Dealer als Süchtiger.

Allerdings bescheinigte der Gutachter ihm gewisse narzisstische, egozentrische Züge, "das Gefühl etwas zu haben, was die anderen nicht haben", "einen guten Job im Drogenmilieu zu machen" und Anerkennung dafür zu bekommen. Dieses Gefühl sei schwer loszulassen, daher sei es auch wenig erfolgversprechend, eine Drogentherapie zu beginnen. Er als Sachverständiger stelle keinen Persilschein aus, dass es sinnvoll sei, eine Therapie zu machen, sagte der Gutachter trotz beharrlicher Nachfragen.

Er sehe beim Angeklagten nicht die nötige Bereitschaft dazu, auch wenn dieser den Wunsch nach einem Therapieplatz am ersten Prozesstag geäußert habe. Das lässige, angstfreie, stolze Auftreten – auch währender der Verhandlung – sei ein Zeichen von Unreife. Als einzige therapeutischer Maßnahme empfahl der Gutachter eine Sozialtherapie, "um eine Nachreifung zumindest nicht zu verhindern". Die Eltern könnten für die Probleme des Angeklagten nicht herangezogen werden, denn dessen drei Schwestern würden in geordneten Verhältnissen leben.

Der mitangeklagten Ex-Freundin diagnostizierte der Gutachter ebenfalls kein süchtiges Verhalten. Dafür spreche nichts, auch wenn der Amphetamin-Kontakt nach Polizeikontrollen nachgewiesen werden konnte. Die Verhandlung wird am Donnerstag, 19. Mai, fortgesetzt.