In der Arkadenbuchhandlung las Thommie Bayer aus seinem jüngsten Werk. Unser Foto zeigt ihn mit Stadtbücherei-Leiterin Elisabeth Fischer (links) und Buchhändlerin Gudrun Krüper. Foto: Keck Foto: Schwarzwälder-Bote

Thommie Bayer liest aus seinem neuen Roman "Die kurzen und die langen Jahre"

Von Gerhard Keck

Freudenstadt. Gudrun Krüper, Inhaberin der Arkadenbuchhandlung, bewies wieder einmal ein glückliches Händchen: Ihre Begegnung mit dem Schriftsteller Thommie Bayer auf der Leipziger Buchmesse mündete in einem auch von der Stadtbücherei unterstützten Leseabend in ihren Räumlichkeiten.

Zahlreiches Publikum genoss den Auftritt des preisgekrönten Autoren, der seinen neuen Roman "Die kurzen und die langen Jahre" vorstellte. Thommie Bayer, Jahrgang 1953, in Staufen im Breisgau beheimatet, präsentierte sich als offener, zugänglicher Mensch, der im Gegensatz zu manchen seiner Kollegen den Austausch mit dem Publikum nicht scheut. Für ihn ist der Kontakt mit der Leserschaft eine nützliche Form der Motivation, Hefe im Teig der geistigen Arbeit. Mit Kritik, so versichert er, kann er gut umgehen. Sie muss nur deutlich und konstruktiv sein, mit wachsweichen Nörgeleien weiß er hingegen nichts anzufangen. Dennoch ist ihm ein ehrliches Lob für seine schriftstellerische Arbeit wie allen anderen allemal lieber.

Derart ermutigt, ließen sich die Zuhörer am Ende der Lesung nicht zweimal bitten: Etliche Fragen und Anmerkungen zu Person, Werk und Arbeitsweise beantwortete er freundlich und zugewandt, zuweilen mit feiner Selbstironie. So ist ihm heute die eine oder andere autobiografisch angelegte frühere Arbeit richtig unangenehm. "Die kurzen und die langen Jahre" entfalten Lebensgänge und Charakteristika, eingebettet in einen Doppelmord-Fall, und dennoch ist das Buch kein klassischer Kriminalroman.

Von diesem Genre verabschiedete sich Bayer schon länger, denn er hattte lange "genug Zucker und Krimis in sich heineingelöffelt". Als Autor geht Bayer permanent auf Motivjagd, er "schnappt sich überall etwas auf", was er in seine Geschichten einbauen kann. Die Figuren entwickeln während des Schreibprozesses ein Eigenleben, "sie holen sich, was sie brauchen", und er lässt sie so weit wie möglich gewähren.

Bedauert wurde aus den Reihen des Publikums, dass er sein musikalisches Engagement beendet hat. Bayer räumte unumwunden ein, dass er mangels Nachfrage "keine Möglichkeit mehr gehabt habe, weiterzumachen". Sein "großes Glück" sei es gewesen, dass er dafür das Schreiben entdeckt habe.

"Die kurzen und die langen Jahre" versetzen die Leserschaft in die zuweilen stürmischen Jahrzehnte zwischen 1974 und 2014 mit ihren politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen. Der mit novellelistischen Kennzeichen ausgestattete Roman beschreibt im Kern die aus einem grausamen Anlass zufällig entstandene Beziehung zwischen dem jungen Simon und der um einige Jahre älteren Sylvie, die "für jeden Mann ein Traum" sei. Sie verlieren sich in einem Gefühlsgeflecht, das von Simons Warte aus geprägt ist von echter, auch erotisch unterlegter Zuneigung, während Sylvies Emotionen platonisch angelegt sind. Jahrzehnte gehen ins Land, die geprägt sind vom Auf- und Abschwellen der Gefühle sowie dem Verlust und Wiedergewinnen von Bindungen. Aber Liebe duldet keinen Aufschub, und so verpassen die beiden im Strudel der Ereignisse den richtigen Moment, um zuzupacken.

Der Mensch, auf den er "gewartet hatte", sinniert Simon am Schluss, ist für immer unerreichbar geworden. Thommie Bayers Roman tritt dem Leser in schnörkellosem Erzählstil gegenüber. Auch das trägt dazu bei, dass sich das Publikum dem melancholischen Grundton des Werks kaum zu entziehen vermag.

Das Buch: Thommie Bayer "Die kurzen und die langen Jahre", Roman. Piper Verlag München 2014, 208 Seiten, Euro 17,99