Bei der Übergabe der Dokumente und Fotos im Freudenstädter Stadtarchiv (von links): Anja Staubitz vom Stadtarchiv, Annerose Imberger, Bürgermeister Gerhard Link, Karoline Adler, Leiterin des Stadtarchivs, Wilhelm Walter und Petra Weinbrecht, Leiterin des Amts für Bildung, Familie und Sport Foto: Braun Foto: Schwarzwälder-Bote

Fotos und Dokumente bieten neue Informationen über den jüdischen Arzt Carl Beer und seine Frau Fanny

Von Monika Braun

Freudenstadt. Das Stadtarchiv in Freudenstadt hat neue Informationen über das Leben des jüdischen Arztes Carl Beer und seiner Frau Fanny zu bieten. Der historische Schatz füllt einen ganzen Koffer.

Pfarrer Ulrich Müller aus Freudenstadt war im Rahmen einer Dokumentation über das Gästehaus Haas und seine jüdischen Gäste auf den in Freudenstadt lebenden und wirkenden Arzt Carl Beer (1885 bis 1969) gestoßen. In einem in unserer Zeitung erschienen Bericht hatte Müller damals die Bevölkerung um weitere Informationen über den Mediziner gebeten.

"Daraufhin hat sich tatsächlich eine Verwandte von Fanny Beer gemeldet und mir aus erster Hand über Onkel Carl und Tante Fanny berichtet", freute sich Pfarrer Müller bei einem Pressetermin im Stadtarchiv. Dort wurde ein alter Lederkoffer mit Dokumenten und rund 290 Fotos übergeben, die eine Fülle von Informationen über das Leben des in Freudenstadt weithin geschätzten Arztes vermitteln.

Bürgermeister Gerhard Link begrüßte bei der Übergabe des Koffers Annerose Imberger und ihren Bruder Wilhelm Walter aus Loßburg, deren Großmutter eine Halbschwester der Arztgattin Fanny Beer war und in deren Besitz der Koffer sich befand. Gerhard Link dankte den Geschwistern für ihre Bereitschaft, die historischen Dokumente und Bilder der Stadt zu überlassen. Bereits 1993 sei eine Straße nach Carl Beer benannt worden. "Was für eine interessante Persönlichkeit er war, machen diese Unterlagen, die mit der Stadt und seiner Person zu tun haben, deutlich", so Link. Pfarrer Müller, der umfangreiche Studien und Recherchen betrieben hat, machte deutlich, welch kostbarer Schatz sich in dem unscheinbaren alten Lederkoffer befindet. "Die Fotos stellen quasi die Illustration zu einer Lebensbeschreibung des Ehepaars Beer dar", so Müller. Unter den Dokumenten befänden sich zahlreiche Briefe und Karten, aber auch eine Abhandlung, in der man zwischen den Zeilen den literarisch versierten Arzt Carl Beer erkenne. Der Onkel Carl Beers ist der Gründer des Fischer-Verlags. "Zu den wertvollsten Dokumenten gehört ein Briefumschlag, der an Fanny Beer in Nürnberg gerichtet war und einen sogenannten Ariernachweis enthielt", sagte Müller. Juden, die in einer Mischehe lebten, waren von einer Deportation zurückgestellt, erklärte der Pfarrer. Die Erforschung der Schicksale der jüdischen Ärzte im Nationalsozialismus habe in Deutschland in den vergangenen Jahren Auftrieb bekommen.

Anja Staubitz vom Stadtarchiv sprach von einem Koffer voller unterschiedlicher Dinge – auch ein Brillenetui und ein alter Zigarrenkasten finden sich darin. "Es ist eine Fülle an Material, das wir der Bevölkerung gerne auf Anfrage zur Verfügung stellen", versicherte Staubitz. Sie kann sich auch eine kleine Ausstellung oder Präsentation des Nachlasses von Carl und Fanny Beer vorstellen. Zunächst werde man alles gründlich erforschen und entsprechend archivieren.