Das Haus Salem war früher einst ein Feierabend- und Erholungsheim der evangelischen Diakonissen. Heute steht es leer. Foto: Breitenreuther

Masterarbeit einer Architektin zeigt Möglichkeiten in Freudenstadt auf. Stadt soll alle Beteiligten vernetzen

Freudenstadt - Realistische Perspektiven oder eher Märchen? Was die Architektin Regine Guglielmo im Ausschuss für Infrastruktur und Umwelt über die Wertschätzung von Baukultur vortrug, hörte sich interessant an, scheint aber nur schwer umsetzbar zu sein.

Regine Guglielmo hielt im Ausschuss ihren Vortrag, den sie bereits beim Denkmalverein im März im Stadthaus gehalten hatte (wir berichteten). Es handelte sich dabei um ihre Masterthesis im Studiengang Stadtplanung der Fakultät Architektur und Gestaltung Stuttgart. Sie beschäftigte sich bei dieser Arbeit mit der "Wertschätzung von Baukultur – Nutzungskonzept und Entwicklungsstrategie für leerstehende historische Kurhotels in Freudenstadt". Regine Guglielmo holte weit aus und ging zurück in das 19. Jahrhundert, als sich Freudenstadt zur Kurstadt entwickelte. Die Kur ist aber bekanntlich seit etlichen Jahren nicht mehr das touristische Markenzeichen von Freudenstadt. Heute setzt man eher auf Wellness und Bewegung in guter Luft. Die illustren Kurgäste, die gerne die "Champgagnerallee" an der Straßburger Straße entlangwandelten, gibt es längst nicht mehr. Von den prächtigen Hotels ist entweder nichts mehr oder noch marode Bausubstanz übrig. Einzig rühmliche Ausnahme ist das Hotel Palmenwald Schwarzwaldhof.

Gleich nebenan an der Lauterbadstraße befinden sich aber die Villa Lechler, das ehemalige Haus Salem, einst Feierabend- und Erholungsheim der evangelischen Diakonissen, und das Hotel Waldlust, das der Freudenstädter Denkmalverein vor dem Verfall bewahrt. Diese Flächen betrachtet die Architektin als Kurhotelareal und machte sich in ihrer Arbeit Gedanken darüber, wie man es wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückbringen könnte. Dazu empfiehlt sie früher gewachsene Strukturen weiterzuentwickeln. So kann sich Regine Guglielmo für das Hotel Waldlust eine neue Hotelnutzung vorstellen mit einem zweiten Standbein als Kulisse für Filmdrehs oder Fotosessions in den historischen Räumen. Das Haus Salem könne zu einer Hotelfachschule werden. Der modernere Gebäudeteil sei als Internat nutzbar, schlug die Architektin vor. Exklusive Ferienwohnungen seien in der Villa Lechler möglich. Den teilweise völlig verwilderten Waldstreifen hinter den Häusern sieht sie als verbindendes Element.

Die Stadt sollte die Rahmenbedingungen für eine Vernetzung aller Beteiligten schaffen, empfahl Guglielmo. "Die Stadt kauft die Objekte und hat dann alle Fäden in der Hand", lautete ein anderer Lösungsansatz der Referentin.

Für das Kurviertel samt Kienberg sieht Regine Guglielmo die Zielsetzung der Aufarbeitung der Kurgeschichte und Vermarktung des Zeitgeistes der Wende ins 20. Jahrhundert oder auch das Erlebbarmachen von Geschichte. Als langfristiges Ziel sieht sie den Erhalt von historischer Bausubstanz und die Entwicklung einer lebendigen Baukultur mit der Vermarktung der guten Luft.

Als weitere Ansatzpunkte für die Entwicklung des früheren Kurviertels nannte die Architektin beispielsweise eine "Black Box Freudenstadt" als multikulturelles Kreativhaus für Nationalparkbesucher und Übernachtungsmöglichkeiten in kleinen Hütte am Hang zum Christophstal. Eine "Luftbar" am Ende der "Champagnerallee" gehörten ebenso zu den Ideen von Regine Guglielmo, wie "Luftschnapper"-Liegestühle im gesamten Stadtgebiet oder "weitere Spielereien, die helfen, das verstaubte Image der Kur aufzufrischen".

"Ich denke die Arbeit hat gezeigt, dass Freudenstadt es sich nicht leisten kann, das Kurhotelareal brach liegen zu lassen", lautete die Folgerung von Regine Guglielmo, die sich auch bereiterklärte, ihre Ideen weiterzuentwickeln. Mit einem langen Atem und vereinten Kräften könne die Revitalisierung erfolgreich gelingen, meinte sie.

Oberbürgermeister Julian Osswald hatte aufmerksam zugehört. Er bemerkte, dass die Stadt seit Jahren versuche, die Eigentümer der Objekte in Konzepte mit einzubinden. Das sei aber nicht ganz einfach. Die einzelnen Ansatzpunkte wurden im Ausschuss nicht diskutiert, sollen aber jedoch bei verschiedenen Entscheidungen mit einfließen. Eventuell soll die Wertschätzung von Baukultur auch in einer Klausurtagung des Gemeinderats eine wesentliche Rolle spielen, wie Stadträtin Elisabeth Gebele (Bürgeraktion) anregte.