Ein Puzzle-Spiel für alle Beteiligten ist die Integration von Flüchtlingen im Kreis Freudenstadt. Foto: © Markus Mainka / Fotolia.com Foto: Schwarzwälder-Bote

Flüchtlinge: Rechenaufgabe mit vielen Unbekannten / Landratsamt unterstützt Städte und Gemeinden

Rechenaufgabe mit mehr Unbekannten als Konstanten: Der Landkreis Freudenstadt arbeitet derzeit an neuen Regeln, wie Flüchtlinge untergebracht werden können. Wohin die Reise geht, weiß im Moment keiner so genau.

Kreis Freudenstadt. Nichtsdestotrotz steckte der Kreistag am Montag den vorläufigen Rahmen ab, einstimmig bei einer Enthaltung von Lothar Seidemann (Republikaner). Das ist notwendig, weil der Kreis laut Landrat Klaus Michael Rückert "am Übergang zu einem neuen Kapitel" steht.

Land zahlt noch nichts

Hintergrund: Zwar geht die Zahl der ankommenden Flüchtlinge derzeit zurück, der Kreis rechnet im Augenblick damit, dass ihm vom Land in diesem Jahr 200 neue Asylbewerber zugewiesen werden. In den Unterkünften des Kreises wohnen aber immer noch rund 1000 Frauen, Männer und Kinder. 550 von ihnen haben entweder bereits eine Anerkennung und damit ein Bleiberecht für mindestens ein Jahr. Damit kommen sie, was die Wohnung betrifft, in die Zuständigkeit der Städte und Gemeinden. Anschlussunterbringung nennt sich das. Die andere Hälfte müsse das Land "voraussichtlich in naher Zukunft wieder verlassen". Sie bleiben in den Unterkünften des Kreises.

Der Kreis hat derzeit rund 1200 Unterkunftsplätze, rund 20 Prozent sind nicht belegt und lassen sich auch nicht belegen. Bei der Belegung müssten Familiengröße, Nationalitäten und Religionen berücksichtigt werden. "Das wird nie ganz aufgehen", sagte Benjamin Geigl vom Amt für Migration und Flüchtlinge. Wie sich die Konflikte, etwa in Syrien, entwickeln, könne keiner sagen. Deshalb will der Kreis eine Reserve an Plätzen vorhalten. Eine Belegung von Turnhallen soll aber weiterhin vermieden werden.

Bereits 800 anerkannte Flüchtlinge seien bereits untergebracht. Sie leben überwiegend in privat vermieteten Wohnungen, teils in städtischen Wohnungen. Mit der Suche nach weiteren privaten Wohnungen stoßen die Kommunen jedoch "zunehmend an Grenzen". Außerdem weiß keiner, wie viele Menschen durch Familiennachzug noch ein Dach über dem Kopf brauchen. Die Städte und Gemeinden gehen davon aus, dass sie noch 300 Wohnplätze in diesem Jahr auftreiben können. Auch hier eine kleine Unwägbarkeit: Eigentlich sollen die Flüchtlinge paritätisch verteilt werden. Was, wenn eine Kommune keine passende Wohnung hat, eine andere aber schon? Zeitweise sei überlegt worden, das Modell einer Ausgleichszahlung einzuführen. Da alle Kommunen versichert hätten, sich ihrer Aufgabe zu stellen, liege dieses Modell vorerst auf Eis.

Wenig Hilfe komme vom Land. Zwar heißt es aus Stuttgart, dass die Kosten für die vorläufige Unterbringung übernommen werden – aber noch nicht geklärt ist, was das Land überhaupt als "erstattungsfähig" anerkennt. Geld kam jedenfalls noch keins. Auf jeden Fall bestünden für die Städter und Kommunen "ein Kostenrisiko", und für den Landkreis wohl auch. Für die Anschlussunterbringung zahlt das Land wohl nichts, weshalb der Kreis hier eine siebenstellige Summe im Etat einplant. Die Kommunen hingegen können mit einer Förderung von 1125 Euro pro Flüchtling in der Anschlussunterbringung rechnen.

So tut der Kreis, was er derzeit tun kann: Er fährt auf Sicht und unterstützt die Kommunen in vielerlei Hinsicht. Nach neuem Fahrplan hilft das Landratsamt, Zuschussanträge beim Land für neue Integrationsmanager zu stellen. Er hält eine Kapazitätsreserve bereit, falls unerwartet ein neuer Flüchtlingsstrom einsetzt, und behält die abgelehnten Asylbewerber in seinen Unterkünften. Außerdem nimmt er in Ausnahmefällen Familienmitglieder von Flüchtlingen mit Bleiberecht "vorübergehend" in seinen Einrichtungen auf. Erfahrungsgemäß "schlägt der Familiennachzug in der Regel kurzfristig im Landkreis auf", nicht immer stehe sofort passender Wohnraum zur Verfügung. Die Städte und Gemeinden bekommen darüber hinaus zwölf Monate Zeit, Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge aufzutreiben.

Laut Geigl habe es bislang nur "eine Hand voll Abschiebungen" gegeben. Das Landratsamt setze hier auf freiwillige Ausreise, was auch günstiger sei. Derzeit gebe es im Kreis etwa 250 abgelehnte Asylbewerber. Warum sind sie noch da? "Das hängt oft am fehlenden Pass", so Geigl. Auf Nachfrage aus dem Kreistag erklärte er, dass Missbrauch von Sozialleistungen nicht einfach hingenommen wird. Wenn sich Asylbewerber nicht im Kreis aufhielten, würden die Zahlungen gekürzt.

Geigl räumte auf Nachfrage ferner ein, dass es beim Wechsel der Zuständigkeiten bisweilen Abstimmungsprobleme gebe, auch Fehler. Hier liegt Frustpotenzial für die ehrenamtlichen Helfer. Allerdings seien deutliche Verbesserungen erkennbar. Auf der anderen Seite trage die Inte-gration anerkannter Flüchtlinge Früchte. Dank Arbeitsagentur und dem Engagement von ehrenamtlichen Betreuern, "die Klinken putzen und Kontakte herstellen", sei es bislang gelungen, 220 Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. "Richtige Arbeit", beteuerte Geigl, "keine Ein-Euro-Jobs." Von mehreren Kreisräten gab es Lob für die ehrenamtlichen Flüchtlingsbetreuer und all jene, die privat Wohnungen zur Verfügung stellen. Ohne sie gehe es nicht, hieß es.