Die "Transferleistungen" steigen. Sozialausgaben machen bereits ein Drittel des Kreis-Haushalts aus. Foto: ©  Thomas Reimer / Fotolia.com Foto: Schwarzwälder-Bote

Sozialausgaben: Landkreis will es nach Antrag der Frauenliste herausfinden

Der Kreis Freudenstadt gibt trotz Hochkonjunktur immer mehr Geld für Sozialleistungen aus. Ist das Leben von und mit "Stütze" ein Naturgesetz, oder könnte es in einigen Punkten Lösungen geben, die langfristig Geld sparen? Landratsamt und Kreistag wollen das herausfinden. Aber teils eher lustlos.

Kreis Freudenstadt. Den Anstoß, über den harten Tellerrand der Sozialgesetze hinauszuschauen, gab die Frauenliste in der Sitzung des Kreistags am Montag. Ihr Antrag, eine Sonderklausurtagung mit Experten anzusetzen, ging am Ende durch – bei einer Gegenstimme und sieben Enthaltungen aus dem Lager der CDU.

Ansatz der Frauenliste: Die Zahl der Kinder in Familien im Kreis, die von Hartz IV leben, ist innerhalb von vier Jahren von 638 auf 1061 gestiegen. Der Kreis solle sich überlegen, wie sich diese Kinderarmut eindämmen lasse. Sozialausgaben würden stets als "unabänderliche Größe" dargestellt. Die Liste wolle das nicht einfach hinnehmen, sondern andere Wege suchen, "ohne mit der Machete" auszuholzen, Gelder zu streichen oder Personal abzubauen. Am Ende sollen "innovative Wege" stehen, um die "enormen Summen zurückzufahren", etwa durch Präventionsarbeit.

Der Elan in der Verwaltung hält sich wohl in Grenzen. Landrat Klaus Michael Rückert versuchte den Kompromiss, in der Klausurtagung zu verschiedenen Themen auch hierfür Zeit einzuräumen. Aber die Frauenliste blieb hartnäckig und bekam ihre Mehrheit. Jetzt nehmen sich die Kommunalpolitiker dafür einen halben Tag Zeit.

Charlotte Orzschig, Leiterin des Kreisjugendamts, dämpft die Erwartungen. Die Möglichkeiten des Landratsamts hier seien "begrenzt". Prävention koste, wisse der Kreis aus Erfahrung, weil er ja bereits Prävention betreibe. Sie hat eher die Sorge, dass der Kreis noch mehr zahlen müsse, wenn ihr Amt genauer hinschaue und "Kenntnis von Fällen erlangen würde, wo wir uns stärker engagieren müssten". Man möge nicht der "Illusion aufsitzen, zu glauben, hier lasse sich Geld sparen".

Denken kann nicht schaden

Während Ernst Wolf (FDP) ebenfalls der Auffassung ist, dass ein halber Tag angesichts der gewaltigen Summe nicht schaden kann, äußerten andere Kreisräte Bedenken. Für Heinz Hornberger (CDU) ist das vergebens, schließlich mache der Bund die Sozialgesetze. Der Kreis habe "nichts zu entscheiden", sondern müsse nur zahlen. Auch Margarete Rebholz (FDP) ist nach den Erfahrungen der Stadt Horb mit dem Bonus-System für sozial schwächere Familien, dem "Horbpass", ernüchtert: "Vergünstigungen fürs Schwimmbad werden gut angenommen, für die Bücherei gar nicht." Keine Lust auf Bildung? Für Reiner Ullrich (SPD) ist Armut so "relativ" wie die Arbeitslosenstatistik und das Problem beim Bund angesiedelt: Die Rekord-Konjunktur komme bei vielen Arbeitnehmern nicht an. Aber "natürlich" habe der Kreis Möglichkeiten, etwas gegen Armut zu tun: "Gute Bildung." Der Antrag der Frauenliste sei "mehr als richtig". Ernst Wolf unterstützte den Antrag ebenfalls, Projekte wie die Stiftung "Eigensinn" und ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit würden ja zeigen, dass es gehe. Für Walter Trefz (Grüne) spreche schon die kontroverse Debatte um den Antrag für den Antrag.

Dem beugte sich schließlich auch der Landrat. Es passe zur Stoßrichtung des Kreises in seiner Sozialpolitik: die notwendige Unterstützung zu gewähren und dabei die günstigste Form zu wählen.

Transferleistungen aller Art machen mittlerweile ein Drittel des gesamten Haushaltsplan des Kreises aus – Tendenz steigend. Der Etat 2017 umfasst 143 Millionen Euro, die Netto-Sozialausgaben sollen 44 Millionen betragen.