Nur mit Mühe einen Sturz vermeiden konnte im EM-Endlauf Timo Benitz (ganz links) beim Strauchler von Charlie Grice und Florian Orth (Bild Mitte) . Foto: Schmidt Foto: Schwarzwälder-Bote

LeichtathletikEuropameisterschafts-Siebter kritisiert fehlenden Zusammenhalt im Team / Bekenntnis zur LG farbtex Nordschwarzwald

Ohne den deutschen 1500 m-Meister Timo Benitz von der LG farbtex Nordschwarzwald gehen derzeit die letzten großen internationalen Leichtathletik-Meetings in Zürich und Berlin über die Bühne. Nach seinem siebten Platz bei den Europameisterschaften hat der Aufsteiger in der deutschen Mittelstreckler-Szene seine Saison beendet.

Im Gespräch mit dem Schwarzwälder Bote erläutert der 22-Jährige, warum der Zieleinlauf im Letzigrundstadion der letzte sportliche Schritt in diesem Jahr war, wie er seinen beinahe kometenhaften Aufstieg in die europäische Spitze erlebt hat und warum er vom Verlauf der Europameisterschaften auch sehr enttäuscht war.

Herr Benitz, blicken wir auf den 1500 m-Endlauf der Europameisterschaften in Zürich zurück. Welche Erinnerungen haben Sie an ihr bisher größtes internationales Rennen?

Das war ein richtiges Gemetzel! Ein solches Rennen möchte ich so schnell nicht wieder mitmachen müssen. Ein Geschubse und Gehacke die ganze Zeit über, so dass ich nie in meinen richtigen Laufrhythmus kommen konnte. Dazu wäre ich noch zweimal beinahe auf der Bahn gelegen. Zunächst habe ich einen heftigen Schubser bekommen und musste dann gestürzten Läufern ausweichen.

Unter dem Strich ist der erreichte siebte Platz aber doch wohl als Erfolg zu werten?

Natürlich, vor allem wenn man bedenkt, wo ich her komme. Allerdings war nach dem Finaleinzug von gleich drei deutschen Läufern schon eine Medaille das Ziel. Dass das dann nicht geklappt hat, war im ersten Moment schon richtig blöd und ich war direkt nach dem Rennen auch nicht so richtig happy.

Das Erreichen des Endlaufes hatten Sie und auch Trainer Jörg Müller im vorneherein als Ziel für die erste WM bei den Aktiven angegeben. Wie haben sie das Niveau schon beim Vorlauf empfunden?

Diese beiden Rennen in Zürich waren für mich eine ganz andere und neue Kategorie. Auf deutscher Ebene gibt es in den Läufen vielleicht drei oder vier Konkurrenten auf einer Ebene, und bei der EM sind einfach alle startenden Läufer auf einem ganz hohen Niveau. Da muss man in jedem Lauf dann alles geben.

Sie haben im Vorjahr an der U23 Junioren-EM teilgenommen und sind in Tampere Fünfter geworden. Wie fällt der sportliche Vergleich zu den Titelkämpfen der Aktiven aus?

Die Juniorenrennen kann man mit dem deutschen Niveau vergleichen. Das in diesem Jahr war eine ganz andere Kategorie.

Hat es Unterschiede zu vorherigen Veranstaltungen auch abseits der Rennen gegeben?

Das ganze Umfeld ist bei einer Europameisterschaft der Aktiven komplett anders. Die Abläufe sind noch ungewohnt und dann sind da auch noch die Medien viel zahlreicher vertreten, alle wollen ihre Story. Der Druck von außen ist also deutlich größer.

Welche Schlüsse ziehen Sie demnach aus den Erfahrungen von Zürich?

Auf diesem sportlichen Niveau kann man taktisch von jedem Rennen lernen. Und ich muss etwas ruhiger und gelassener werden, diesmal war ich noch etwas zu nervös. Ich hoffe, dass sich bei den nächsten Meisterschaften auch die deutsche Mannschaft etwas anders präsentiert als bei dieser EM.

Inwiefern, denn eigentlich hatte man als Beobachter doch das Gefühl, dass sich das gesamte DLV-Aufgebot und vor allem auch die drei 1500 m-Läufer untereinander gut verstehen?

Tatsächlich habe ich zu Florian Orth ein sehr gutes Verhältnis. Mit Homiyu Tesfaye ... ich weiß nicht so recht. In Zürich stand schon im Vordergrund, dass wir gemeinsam die zuletzt oft gescholtenen deutschen Läufer gut vertreten wollten. Vom Teamgeist insgesamt aber war ich sehr enttäuscht. Im Klartext: wir sind überhaupt nicht als Mannschaft aufgetreten, das haben andere besser hinbekommen. Die Briten und Franzosen beispielsweise, da wurde jeder Medaillengewinner zu einer Feier vorne an der Tür abgeholt. Bei uns hat jeder sein eigenes Ding gemacht. Letzten Endes hatte ich teilweise sogar das Gefühl, dass einige unserer Mannschaft froh waren, wenn die anderen keine Medaille geholt haben. Da war auch Neid im Spiel. Auf diesen fehlenden Mannschaftsgeist führe ich dann auch die vielen knapp verpassten Medaillen zurück. Das war nicht nur einfach Pech. Das hatte ich vorher auch anders erlebt.

Ich nehme an, das war bei der Team-Europameisterschaft in Braunschweig?

Genau, von der Stimmung im Team her waren diese beiden Veranstaltungen überhaupt nicht miteinander zu vergleichen. In Braunschweig war es toll, dass ein so erfolgreicher Athlet wie Christian Reif einem beim Frühstück Mut zugesprochen und Robert Harting als Mannschaftskapitän uns sogar im Zimmer am Abend vor dem Rennen besucht hat. Leider mussten wir uns gerade über ihn dann in Zürich wieder ärgern. Dass Harting davon spricht, es genüge ja von einem 10 000 m-Lauf den Start und die letzte Runde zu übertragen, war vollkommen überflüssig.

Auch der überraschende Sieg im 800 m-Rennen der Team-EM zählt neben der deutschen 1500 m-Meisterschaft sicherlich zu den Höhepunkten dieser Saison?

Ja, aber man muss ohnehin generell sagen, dass die ganze Saison bis hin zu den Europameisterschaften praktisch optimal gelaufen ist. Zum ersten Mal konnte ich über einen solch langen Zeitraum, nämlich von Anfang Mai bis Mitte August, auf einem extrem hohen Niveau eine konstant gute Leistung zeigen.

Und das trotz der Doppelbelastung durch die Endphase des Bachelorstudiums in der Luft- und Raumfahrttechnik?

Richtig, dadurch konnte ich im Gegensatz zu praktisch allen Gegnern nicht mehr als einmal täglich trainieren. Demnächst werde ich aber mehr Zeit haben, denn am 22. September muss ich meine Bachelorarbeit abgeben. Danach beginnt das Masterstudium und dann werde ich im Hinblick auf zukünftige Aufgaben meinen Trainingsumfang sicher steigern. Ich habe aber bewiesen, dass es auch mit einem kontinuierlichen Aufbau geht, und auch ohne spezielle Trainingslager oder Aufenthalte in der Höhe.

Welche nächsten sportlichen Ziele peilen sie an?

Als derzeitiges Mitglied im DLV-B-Kader hoffe ich jetzt auf die Aufnahme in den Perspektivkader für die Olympischen Spiele 2016, denn in Rio de Janeiro möchte ich schon dabei sein. Das Potenzial ist da, das habe ich wohl in diesem Jahr bewiesen. Ein wichtiger Schritt dahin wäre die Qualifikation für die WM in Peking 2015.

Soll es im Hinblick auf die nächsten Jahre bei der Konzentration auf die 1500 m bleiben, oder ist gerade nach dem Überraschungserfolg bei der Team-EM über den späteren Europameister eventuell auch die kürzere 800 m-Strecke ein Option?

Ich möchte das nicht ausschließen. Nach den Erfahrungen dieser Saison muss ich das mit meinem Trainer noch besprechen. Für mich sind aktuell aber auch die 800 m eine Möglichkeit für die Zukunft.

Wie bereits erwähnt, sind Sie mit Ihrer Bachelorarbeit sozusagen in den letzten Zügen. Ist das der Grund für Ihre Wettkampfabstinenz nach der Europameisterschaft?

Nein, der Grund sind bereits vor Zürich aufgetretene Achillessehnenprobleme. Deshalb habe ich meine Saison mit dem EM-Finale sofort beendet und dort auch für 2014 meine allerletzten Schritte auf der Bahn gemacht. Auch für das Training muss ich daraus meine Schlüsse ziehen.

Wie sehen die konkret aus, und wann soll es wieder losgehen?

Auch das werde ich mit meinem Trainer Jörg Müller noch besprechen. Ich denke, dass ich zur Entlastung mit Schwimmen und Radfahren anfangen werde. Und in Zukunft wird auf der Bahn wohl in größerem Umfang in Turnschuhen trainiert, denn die Probleme rühren wohl von den Spikes her.

Nach Abschluss des jetzigen Studienabschnitts steht ein Ortswechsel an. Wo geht es hin: nach Stuttgart oder Berlin?

Das ist derzeit noch offen; erst einmal schreibe ich meine Arbeit fertig.

Sie starten im zweiten Jahr für die LG farbtex Nordschwarzwald und haben nach den Erfolgen in diesem Jahr sicher etliche Angebote größerer Vereine. In welchem Trikot werden Sie 2015 zu sehen sein?

Es hat tatsächlich Anfragen gegeben, aber ich habe mich schon während der Europameisterschaft eindeutig entschieden bei der LG farbtex Nordschwarzwald zu bleiben. Der Verein ist wie eine Familie für mich, wir haben alle viel Spaß zusammen und ich freue mich immer wieder mit den Kollegen zusammen zu kommen. Geld ist nicht alles auf der Welt! u Das Gespräch führte Arno Schade.

Zur Person: Timo Benitz ist am 24. Dezember 1991 in Engen geboren. Der Mittelstreckler machte im Trikot der LG Stockach erstmals 2010 als deutscher Jugendmeister über 3000 m auf sich aufmerksam. Nach Auftritten bei der Jugend-WM in Moncton 2010 und den U23-EM in Ostrava und Tampere gelang 2014 erstmals die EM-Qualifikation bei den Aktiven.