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Der mutmaßliche Dortmund-Attentäter führte in Freudenstadt ein unauffälliges Leben. Schulpreis für Elektrotechnik.

Freudenstadt/Rottenburg - Freudenstadt unter Schock: Der mutmaßliche Attentäter auf den Bus von Borussia Dortmund, Sergej W., kommt aus Freudenstadt. Am Freitagmorgen standen Polizei und Feuerwehr vor der Moosstraße in der Nähe des Stadtbahnhofs.

Auch Oberbürgermeister Julian Osswald war vor Ort, wie er unserer Zeitung telefonisch bestätigt. Mehr will er zu den Geschehnissen nicht sagen. "Für weitere Auskünfte verweise ich auf die Bundesanwaltschaft, so der Freudenstädter OB. In dem großen gelben Gebäuderiegel in der Moosstraße wohnen viele Parteien. Auch eine Anwaltskanzlei und die Autovermietung Sixt befinden sich im Gebäude.

Sergej W., der mutmaßliche Bomber von Dortmund, kommt aus Freudenstadt. In der Stadt sitzt der Schock tief. Auch bei Ahmet Teker. Der 43-Jährige kennt den Verdächtigen, die Eltern des 28-Jährigen wohnen in dem Haus, vor dem auch am Freitagnachmittag noch ein Großaufgebot der Polizei parkt. Teker ist dort Hausmeister. Sergej W. habe bei seinen Eltern gewohnt, erzählt er. "Nette, ruhige Leute." Auch W. habe auf ihn stets freundlich gewirkt. Nett, unauffällig, ordentlich gekleidet, einer, "der sein Geld ehrlich verdient". Kein Mensch, der den Tod anderer leichtfertig in Kauf nimmt – aus Profitgier. Doch genau das soll W. getan haben. "Ich hätte sowas nie von ihm gedacht", sagt der Hausmeister. In seiner Stimme schwingt Fassungslosigkeit mit.

Seit er von der Verhaftung erfahren hat, macht er sich Gedanken über das Warum. Gerade komme er vom Freitagsgebet, auch dort sei die Festnahme Thema gewesen, erzählt er. Gerüchte über Sportwetten hätten die Runde gemacht, mit denen sich der junge Mann hoch verschuldet hätte. "Aber ich will nicht spekulieren", sagt Teker. Langsam geht er zurück an seinen Arbeitsplatz, zurück zum Haus in der Moosstraße, wo ein Kamerateam von RTL wartet.

Ein mutmaßlicher Bombenbauer mitten in Freudenstadt? Das hinterlässt bei vielen Passanten ein ungutes Gefühl. "Plötzlich ist das alles so nah da", meint eine Frau, die namentlich nicht genannt werden will. Und die damit auf den Punkt bringt, was viele Freudenstädter derzeit umtreibt: Das Sicherheitsgefühl hat einen Riss bekommen. Nachts noch mit dem Hund rausgehen? "Da schaut man sich jetzt schon zweimal um", sagt ein Passant.

Als Sergej W. 14 Jahre alt war, ist er mit seinen Eltern aus dem russischen Tscheljabinsk im Südural nach Deutschland gekommen. Ein Händchen für Elektrotechnik hatte er schon früh. In seinem Grundwehrdienst, den er laut Spiegel Online von April bis Dezember 2008 beim Lazarettregiment in Dornstadt bei Ulm leistete, sei er für die Instandsetzung der Elektrotechnik zuständig gewesen. Auf der Heinrich-Schickhardt-Schule in Freudenstadt wurde ihm 2015 ein Schulpreis für Elektrotechnik für seine besonderen Leistungen überreicht. Die Bild-Zeitung vermeldet, dass noch eine weitere Spur nach Freudenstadt weist. Der Mietwagen, mit dem der Sprengstoff nach Dortmund transportiert wurde, sei in Freudenstadt angemietet worden.

In Rottenburg reagiert man ebenfalls bestürzt. Hier hatte sich Sergej W. regelmäßig in einer Wohnung im Fasananenweg aufgehalten. Am Freitagmorgen wurde er von dort bis zu seiner Arbeitsstelle in Tübingen in einem Heizkraftwerk der Universität verfolgt. In Tübingen erfolgte der Zugriff. "Bei uns in Rottenburg war er nicht gemeldet", erklärt der erste Bürgermeister Thomas Weigel. Die örtliche Polizei sei über den Zugriff nicht informiert worden. Alles habe aber reibungslos funktioniert.

Der BVB-Fanclub Schwarz-Gelbe Schwaben aus Starzach (Kreis Tübingen) reagiert betroffen, dass der mutmaßliche Täter aus der Region stammt. Der Vorsitzende Matthias Fichtenkamm sagt: "Wir sind der Fanclub der Region. Da sind wir natürlich sehr schockiert." Der Ausschuss des Fanclubs sei in intensivem Austausch. Über eine mögliche Fan-Aktion habe man noch nicht gesprochen. Gestern stand für den Fanclub ein Ausflug nach Stuttgart zum Frühlingsfest an. "Dort werden wir sicher über dieses schreckliche Thema sprechen." Der Fanclub kenne Sergej W. nicht, worüber Fichtenkamm auch sehr froh ist: "So jemand kann auch kein Fan des BVB sein."