Die Lehrer Eberhard Haug (Mitte), Gerd Seeh (rechts) und Thomas Reinelt (Zweiter von rechts) mit einer Vorbereitungsklasse der Heinrich-Schickhardt-Schule. Foto: Heinrich-Schickhardt-Schule

Vokabeln statt Sport: An der Heinrich-Schickhardt-Schule wird Flüchtlingen Deutsch beigebracht.

Freudenstadt - Nach zunächst chaotischem Start mit Deutschunterricht für Ausländer und Flüchtlinge normalisieren sich die Verhältnisse an der Heinrich-Schickhardt-Schule in Freudenstadt. Dabei ist der Lehrermangel eines der größten Probleme.

Für den Deutsch-Unterricht werden auch pensionierte Lehrer wieder aktiviert. Zum Beispiel Eberhard Haug aus Freudenstadt. "Eine wertvolle Hilfe und sehr praxiswirksam" sei der Einsatz des Pensionärs, so Peter Stumpp, Leiter der Heinrich-Schickhardt-Schule. Haug dürfe aus beamtenrechtlichen Gründen nur sechs Wochenstunden unterrichten. Stunden, die bezahlt werden müssen, obwohl Haug lieber ehrenamtlich gearbeitet hättet. Nun wird er sein Zusatzgehalt einem Asyl-Freundeskreis spenden. Mit den Lehrern Thomas Reinelt und Gerd Seeh teilt er sich den Unterricht in beiden Klassen.

Man behilft sich mit der Fingersprache

Eberhard Haug, eigentlich Sonderschullehrer, hat die letzten Berufsjahre an der Schickhardt-Schule mit Unterricht in allgemeinbildenden Fächern verbracht, doch der Deutschunterricht ist auch für ihn neu. Seine Schüler sprechen kaum Deutsch, man behilft sich mit – meist dürftigem – Englisch und der Fingersprache. Da legt Haug zum Beispiel ein Bild von einem Brot unter den Beamer, und die Schüler sollen das deutsche Wort dafür sagen und schreiben. Haug hört die Übersetzung auf rumänisch, Türkisch, Albanisch, Serbisch, Arabisch und Bangla. Nur bis das Wort Brot fällt, dauert es eine Weile. Neben der eigentlichen Sprachvermittlung dreht sich der Unterricht auch um ganz praktische Dinge des täglichen Lebens. "Dabei versuchen wir schon, europäische Demokratieformen rüberzubringen", sagt Haug, der sich über die große Motivation der Schüler freut. Mit der Disziplin sei es meist nicht so weit her, auch nicht mit der Pünktlichkeit. "Trotzdem macht es unheimlich viel Spaß. Es ist halt immer etwas los." Und der Lehrer dürfe sich nicht wundern, wenn plötzlich ein Schüler fehle, der irgendwo anders Arbeit oder Bleibe gefunden habe.

Kürzlich kündigte ein junger Serbe den Unterricht. Er wolle eine deutsche Frau heiraten. Haug: "Ich habe ja in 44 Jahren Schuldienst schon einige Schülerinnen erlebt, die Mütter geworden sind, aber von der Schulbank wurde mir bisher noch nie ein Schüler weggeheiratet".

Schulleiter Peter Stumpp spricht von vielen Herausforderungen, denen sich Schule und Lehrer stellen mussten, als der Flüchtlingsstrom einsetzte. Noch immer lebt einiges von der Improvisation, fehlt es an Lehrplänen und Materialien, obwohl so nach und nach Konzepte erstellt und Leitlinien erarbeitet werden. "Aber nach wie vor müssen die Lehrer noch viel selbst zusammensuchen", sagt Stumpp, der selbst Mathematik unterrichtet, um die Entwicklung an der Basis verfolgen zu können.

Unterricht auch in den Werkstätten

An der Schickhardt-Schule sind derzeit zwei sogenannte VABO-Klassen eingerichtet, in denen insgesamt 36 Schüler aus neun Nationen unterrichtet werden, unter ihnen nur vier junge Frauen. Die Schüler sind zwischen 15 und 23 Jahre alt, Leistungen und schulische Voraussetzungen sind stark unterschiedlich, reichen von der eigentlich notwendigen Alphabetisierung bis zu Kenntnissen, die zum Besuch weiterführender Schulen ausreichen. VAB, so genannte "Vorbereitungsjahre Arbeit/Beruf", gibt es schon lange, nun ist das "O" dazugekommen. Es steht für "ohne Deutschkenntnisse". 14 bis 16 Wochenstunden wird in diesen VABOs Deutsch gepaukt, zusätzlich geht es in die Praxis in den Bereichen Nahrung, Holztechnik und Metallverarbeitung und damit auch in die Schul-Werkstätten. Und es werden Grundsätze der Sozial-und Lebenskompetenz vermittelt. Das reicht vom Einkaufen bis zu Höflichkeitsformen, vom Recht auf freie Meinungsäußerung bis zum Rollenverhalten von Frau und Mann. "Nach Köln haben auch wir erste Ansätze von Aggressivität erlebt", bedauert Stumpp.

Bei der Lehrerversorgung geriet die Schule durch die neuen Klassen an den Rand ihrer Möglichkeiten. Mit Einverständnis der Eltern wurde in den VAB-Klassen der Sportunterricht mit je zwei Wochenstunden gestrichen, die freigewordenen Lehrerstunden für den Deutschunterricht eingesetzt. "Das geht aber nur ein Jahr", sagt Stumpp, dem für den Unterricht für Flüchtlinge "mindestens ein volles Lehrerdeputat" fehlt.

Wie es im nächsten Schuljahr weitergehen soll, weiß der Schulleiter noch nicht, da aus dem Kollegium mehrere bewährte Kräfte ausscheiden werden. Und der Sportunterricht dürfe noch ein ganzes Schuljahr ausfallen.

Info: Serie über Flüchtlingshelfer

In unserer Serie "Die Flüchtlingshelfer" stellen wir Menschen vor, die sich ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren. Kennen Sie auch jemanden? Melden Sie sich bei uns unter der Telefonnummer 07441/80 21 61 oder per E-Mail an redaktionfreudenstadt@schwarzwaelder-bote.de.