Gast der ersten Stunde und Höhepunkt des Rudert-Festivals: Das Mandelring-Quartett, das in diesem Jahr ein sprachloses Publikum zurückließ. Foto: Eberhardt Foto: Schwarzwälder-Bote

Rudert-Festival endet mit grandiosem Spiel des Mandelring-Quartetts

Von Tina Eberhardt

Freudenstadt. Ein Ende, dem nichts mehr hinzuzufügen war: Mit einem Konzert der Extraklasse beschloss das Mandelring-Quartett die diesjährige Saison des Rudert-Festivals. Es war die zwanzigste Auflage des Festivals, die dieser Tage zu Ende gegangen war. Damals, vor zwei Jahrzehnten, war das Mandelring-Quartett ein Akteur der ersten Stunde.

Heute gehören die vier Musiker zu den renommiertesten Ensembles der Klassik-Szene, deren Experten sich in den Rezensionen regelmäßig an Begeisterung überbieten. Das Publikum, das im Ausstellungsraum des Musikhauses Rudert auch noch den letzten horizontalen Zentimeter als Sitzfläche nutzte, war hingegen still. Es war die einzige Artikulationsform, die angesichts der Explosion an Musikalität, Homogenität und Intensität auf der Bühne nicht banal gewirkt hätte. Vier Streicher schöpften dort alles aus, was Musik an Filigranesse und Mächtigkeit, an Heterogenität und überwältigendem Einklang zu bieten hat.

Angefangen von Haydns "Lerchenquartett", das in einer scheinbar körperlosen Präsenz daherkam, über Schostakowitschs zehntes Streichquartett, inszeniert als wohltuend komplexer Angriff auf Gehör und Geist, bis hin zu Schuberts "Der Tod und das Mädchen". Dessen ambivalente und überwältigende Intensität war es auch, die dem ansonsten nicht um Worte verlegenen Festival-Chef Johannes Ruoss am Schluss nur noch zu der Feststellung kommen ließ: "Danach kann nichts mehr kommen." Irgendeine Zugabe? Undenkbar.

Das Meer böte wohl eine geeignete Metapher zur Beschreibung der Vorstellung, die in dem Wort Konzert nur bedingt zusammengefasst ist. Schon bei Haydns vergleichsweise gemessenem Auftakt drängte sich angesichts der Motive und Melodielinien, welche die vier Musiker immer wieder einzeln entwickelten und dann in einem gewaltigen Bogen zusammentreffen ließen, das Bild von Wellen in den Kopf, die zu gewaltiger Dimension wachsen, um dann in betörender Ruhe abzuebben.

Dazwischen loteten Sebastian und Nanette Schmidt (Violine), Roland Glassl (Viola) und Bernhard Schmidt (Violoncello) jede Nuance aus, die sich in den ohnehin schon komplexen Werken verbarg.

Die explosive Expressivität in Schostakowitschs einsam-düsteren Erzähllinien kontrastierten die Musiker mit nahezu heiterer Gelassenheit in der Spielweise. Die verstörende Dissonanz anderer Motive wurde mit lustvoller Perfektion ausgereizt. Über dem Ganzen lag ein Eindruck der Schwerelosigkeit und der betörenden Ambivalenz. Es waren gerade die feinen, filigran ausgearbeiteten Melodielinien, die im Gesamten immer wieder durch schwer zu fassende Fülle überwältigten. Schuberts "Der Tod und das Mädchen" – die musikalische Betrachtung von Vergänglichkeit und Sein – gestaltete das Mandelring-Quartett im Finale zu einer virtuosen und emotional alles ausschöpfenden Klangerfahrung.

Die überwältigten Zuhörer behalfen sich schließlich mit schlichtem aber lang anhaltendem Applaus. Die Begeisterung machte sich draußen im Hof Luft, als die Herbsttemperaturen den Kopf wieder etwas abgekühlt hatten. "Vier Magier", fasste ein ergriffener Gast zusammen. Mancher im Publikum war eigens für die Schubert-Interpretation des Mandelring-Quartetts angereist, dessen Stammauftritt in Freudenstadt während der letzten Jahre sogar einen kleinen Festival-Tourismus ins Leben gerufen hatte.

Den Festival-Machern Johannes und Christian Ruoss blieb angesichts des grandiosen Finales nur, ein denkbar zufriedenes Gesicht zu machen – und sich mit der Frage zu beschäftigen, ob für das Mandelring-Konzert im nächsten Jahr womöglich ein Anbau nötig ist.