Im ehemaligen Hotel Post in Freudenstadt leben viele Flüchtlinge. Foto: Breitenreuter

Flüchtlingshilfe: Freundeskreis Asyl begrüßt Entscheidung der Stadt / Kampf gegen Bürokratie

Freudenstadt - Die Stadt Freudenstadt will zwar keine Stelle für einen Integrationsbauftragten schaffen, aber schon bald einen direkten Ansprechpartner benennen, der die Flüchtlingsarbeit koordiniert. Im Gemeinderat gab es eine Diskussion, ob das ausreicht, die ehrenamtlichen Helfer stießen längst an ihre Grenzen. Aber was erhofft sich der Freundeskreis Asyl überhaupt? Wir sprachen mit dem Vorsitzenden.

Herr Hoffmann, die Stadt stellt keine Extra-Person für die Flüchtlingsarbeit ein, möchte innerhalb der Verwaltung aber ein ämter- übergreifendes Team mit einem konkreten Ansprechpartner schaffen. Hilft das den Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit weiter?

Das hilft auf jeden Fall. Damit haben wir und auch die Flüchtlinge einen konkreten Ansprechpartner, ein Gesicht. Eine Verwaltung ist ja anonym. Aber eine Kontaktperson schafft Vertrauen. Ich würde mir wünschen, es wäre ein Ansprechpartner, der voll hinter der Sache steht, so wie in Baiersbronn. Die Leute dort sind voll des Lobes über die Frau und deren Arbeit.

In der Diskussion im Gemeinderat ging es darum, was die hauptamtliche Seite leisten soll – vor allem Sozial- oder eher Verwaltungsarbeit. Wie definieren Sie den Schwerpunkt?

Beides ein bisschen. Im Moment geht es aus unserer Sicht schon in erster Linie darum, einen Verwaltungsexperten zu haben, keinen Sozialpädagogen. Es ist eher die Frage, wie die Verwaltung kommuniziert. Beispiel: Wir haben heute ein vierseitiges Schreiben der Stadt an einen Flüchtling bekommen, eine "Verfügung". Das Ding ist gespickt mit Paragrafen und Rechtsbegriffen. Ich musste es selbst mehrfach lesen, um den Inhalt zu verstehen. Alleine die Form verängstigt die Leute. Man muss bedenken, welche teils traumatischen Erfahrungen diese Menschen gemacht haben. Das sind furchtbare Geschichten. Hier einen etwas menschlicheren Ton anzuschlagen, das wäre uns ein echtes Anliegen. Es geht ja immer darum: Wie sage ich’s dem Kinde?

Klappt die Zusammenarbeit mit Stadt, Landratsamt und Behörden?

Mit der Stadt hatten wir bislang wenig zu tun. Das Einwohnermeldeamt ist auf jeden Fall sehr freundlich. Wir haben schon den Eindruck, dass der OB tut, was er kann, und hinter unserer Arbeit steht. Die Anstrengungen der Stadt, günstigen Wohnraum zu schaffen, sind wichtig. Wohnen ist entscheidend für die Integration, selbst wenn es nur ein Ein-Zimmer-Appartement ist. Flüchtlinge, die eine Wohnung haben, sind oft wie verwandelt. Dann kommen sie richtig an hier, das sagen sie uns auch genau so. Die wenigsten wissen ja, dass die Flüchtlinge vor ihrer Anerkennung oft zu viert in einem Zimmer leben, und was das bedeutet. Viele meinen, die leben in einem ehemaligen Hotel unter luxuriösen Bedingungen. Das ist nicht so. Die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt ist im Lauf der Zeit viel besser geworden. Anfangs haben wir die Kosten für Lehrbücher aus eigener Tasche bezahlt, die sind sehr teuer. Mittlerweile übernimmt das das Landratsamt. Was das Jobcenter betrifft: Wenn manche Verwaltungsabläufe vereinfacht werden könnten, wäre das Gold wert. Wenn auch an uns Informationen fließen könnten, würde das manches vereinfachen. Überhaupt der Austausch von Daten, auch zwischen den Behörden, wäre gut. Die Flüchtlinge müssen jedes Mal wieder alle Daten angeben, wenn sie es mit einer anderen Behörde zu tun haben, jedes Mal den selben Antrag ausfüllen. Dabei sind sie doch längst erfasst. Außerdem dauert es oft sehr lange, bis Leistungen vom Jobcenter genehmigt sind. Das ist oft alles sehr paragrafenlastig und bürokratisch und führt aus unserer Sicht bisweilen zu fast absurden Entscheidungen. Wenn man uns als Freundeskreis Asyl in manchen Dingen mehr Vertrauen entgegenbringen würde, auch in unsere Einschätzung, dann wären manche Abläufe für beide Seiten sicher einfacher und mit weniger Aufwand verbunden.

Wie ist die Stimmung bei den ehrenamtlichen Helfern? Es heißt, sie stünden vor dem "Ausbrennen"?

Den Begriff "Ausbrennen" würde ich jetzt nicht verwenden. Der Kampf mit der Bürokratie ist teils schon mühselig. Im Gegenzug erfahren wir viel Dankbarkeit von den Flüchtlingen. Es erwärmt das Herz, wenn wir helfen können.

Was sind gerade die Hauptaufgaben in der Flüchtlingsbetreuung?

Oh, eigentlich alles. Wir organisieren nach wie vor Sprachkurse, haben derzeit etwa 60 Schüler. Wir begleiten Flüchtlinge zu Ärzten oder Behördenbesuchen, helfen bei Verwaltungsvorgängen, bereiten sie auf ihre Anhörung vor und sprechen auch mit jenen, die kein Bleiberecht zu erwarten haben. Wir empfehlen ihnen die freiwillige Ausreise und raten vom Rechtsweg ab, wenn es ohnehin keine Aussicht auf Erfolg gibt. Wir wollen bei ihnen Verständnis für unsere Asylpolitik schaffen. Außerdem sind wir bei der Integration von anerkannten Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt tätig, helfen etwa beim Schreiben von Bewerbungen.

Ist das nicht vor allem Aufgabe der Arbeitsagentur?

Die Bemühungen der Agentur in dieser Richtung sind anzuerkennen, und wir wissen ja auch, dass die Mitarbeiter dort viel zu tun haben. Es gibt sicher auch dort Grenzen der Leistungsfähigkeit. Unser Wunsch wäre es, wenn bei der Auswahl sogenannter Maßnahmen mehr auf die Talente und Berufsausbildungen der Flüchtlinge eingegangen werden könnte, anstatt sie in Jobs reinzustecken, in die sie nicht gehören. Es sind teils sehr intelligente und gebildete Menschen unter den Flüchtlingen, Juristen und ein Zahnarzt. Einer möchte in der Krankenpflege eine Ausbilung machen. Den muss man jetzt nicht unbedingt in ein Praktikum als Lagerist stecken, obwohl er das klaglos hinnimmt. Andere werden aus laufenden Kursen geholt, um sie in andere zu geben, damit sie bezahlt werden können. Das ist teils schwer vermittelbar.

Was gibt’s sonst Neues aus dem Freundeskreis?

Wir suchen Paten für Flüchtlinge. Es gibt schon 15 bis 18 Patenschaften von Familien, das sind tolle Geschichten. Das läuft schon sagenhaft. Außerdem sind wir dabei, das Asylcafé im Post-Hotel neu auszurichten. Bislang war das ein Begegnungstreff für Flüchtlinge und Einheimische. Wir möchten künftig Referenten einladen, etwa Polizisten oder jemand, der etwas zur deutschen Sexualethik sagen kann. Das ist auch wichtig für die Integration. Staatsbürgerkunde, sozusagen. Oder man könnte ihnen beibringen, wie man Fahrrad fährt. Aber die Geselligkeit des Treffs soll bleiben. Kaffee und Kuchen gibt es weiterhin.

Seite 2: Freundeskreis Asyl

Der Freundeskreis wurde im Jahr 2013 gegründet und hat heute rund 90 Mitglieder. Er arbeitet nach eigenen Angaben "überparteilich, überkonfessionell, unabhängig, demokratisch und partizipativ". Ursprünglich organisierte er Sprachkurse, in Zusammenarbeit bei der Kreisvolkshochschule. Mittlerweile geben 15 Lehrer ehrenamtlich diese Kurse, vom Anfänger-Level A1 bis zur Stufe C1, das Niveau für ein Studium an der Uni. Die Kurse enden mit Zertifikat, werden anerkannt für eine Ausbildung und Beruf. 20 Prozent der betreuten Flüchtlinge sind Analphabeten, es gibt aber auch Akademiker. Der Freudeskreis hilft den Flüchtlingen in vielen Lebenslagen, etwa bei Behördengängen oder Arztbesuchen. Aktuelles Ziel ist es, anerkannten Flüchtlingen beim Einstieg in Beruf oder Ausbildung zu helfen. Vorsitzender ist der Theologe Werner Hoffmann (79), der zuvor eine Lehre zum Bankkaufmann absolviert hatte.

Weitere Informationen: www.freundeskreis-asyl-fds.de