Zum Angebot des Familien-Zentrums gehört das Babycafé, wo sich Frauen mit ihren Kleinen austauschen können. Fotos: Familien-Zentrum Foto: Schwarzwälder-Bote

Jubiläum: Das Mehrgenerationenhaus Familien-Zentrum Freudenstadt besitzt Vorbildcharakter

Der Verein Familien-Zentrum Freudenstadt feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen und blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Doch auch die Zukunft bringt neue Herausforderungen für das ehrenamtlich geführte Mehrgenerationenhaus.

Freudenstadt. Was braucht der Mensch im Alltag, damit es ihm gut geht? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Arbeit des Familien-Zentrums Freudenstadt. Die Antwort darauf ist komplex, denn in der Gesellschaft herrscht ein ständiger Wandel. Dementsprechend verändern sich auch die Bedürfnisse der Menschen.

Das zeigt sich deutlich am Beispiel der Familie: Früher lebten oft viele Generationen unter einem Dach. Während der Vater zur Arbeit fuhr, blieb die Mutter zuhause und kümmerte sich, unterstützt von den Großeltern, um die Kinder. Heutzutage wird von vielen Frauen erwartet, dass sie ebenfalls einen Beruf ausüben. Gleichzeitig bleiben die Anforderungen an sie aber meist unverändert: Die Mutter kümmert sich um Kinder und Haushalt. Beruf und Familie, das ist für viele Frauen heute aber kaum noch zu bewältigen.

Aus dieser Not heraus wurde 1991 der Verein Familien-Zentrum-Freudenstadt gegründet. "Wir haben damals die Notwendigkeit gesehen, denn Kinder bis drei Jahre, also vor dem Kindergartenalter, fielen damals durch das Versorgungssystem. Für sie gab es keinerlei Angebote im Kreis", erzählt Gründungsmitglied, Vorstandsfrau und Stiftungsrätin Marianne Reißing.

Das Familien-Zentrum Freudenstadt bestand zunächst aus einem offenen Treff und einer Krabbelgruppe. In Andreas Grapendorf, dem damaligen Leiter der psychologischen Beratungsstelle Freudenstadt, fand der Verein viel Unterstützung, doch es fehlten die Räume. Anfangs fand die Krabbelgruppe im Kinder- und Jugendzentrum eine Unterkunft, später erlaubte ihnen der damalige Oberbürgermeister Hans H. Pfeifer die Nutzung des Teezimmers im Kurhaus. Für die Familiensonntage. Volkshochschuldirekter Peter Bäntsch stellte Räume der Volkshochschule zur Verfügung.

Sieben Jahre lang schlug der Verein sich so durch. Um eigene Räumlichkeiten zu beziehen, benötigte er einen Mietzuschuss, doch den wollte die Stadt Freudenstadt zunächst nicht bewilligen. "Es war ein langer politischer Weg und die schwerste Zeit des Vereins, die uns noch heute prägt. Wir waren der damaligen Zeit voraus, hatten die Vision im Herzen, aber zu wenig Geld, um sie umzusetzen. Das Thema Familie wurde von der Politik nicht ernst genommen", sagt Marianne Reißing.

1997 bekam das Familien-Zentrum nach einem Leitbildprozess den Mietzuschuss zugesprochen und mietete das Mehrgenerationenhaus in der Reichsstraße an. Stadt und Verein leben heute in einer guten Partnerschaft. Noch immer wird das Familien-Zentrum mit einem Mietzuschuss unterstützt. 2005 gründete der Verein eine eigene Stiftung, um in Zukunft eine tragfähige Finanzierung zu gewährleisten. Fünf Jahre später kaufte der Verein das Haus und verschuldete sich dafür hoch. "Es war eine wichtige Investition für die Zukunft und ein guter Schritt für das Gemeinwohl der Stadt", so Marianne Reißing.

Das Mehrgenerationenhaus ist heute eine Art moderner Dorfbrunnen, ein Treffpunkt, für Familien und Menschen verschiedener Herkunft. Sie können sich austauschen und miteinander reden, so wie es die Menschen früher am Brunnen taten, wenn sie Wasser holten. "Die heutigen Gesellschaftsstrukturen werden immer komplizierter. Es ist wichtig, für diese komplexen Probleme einfache Lösungen zu finden", erklärt Marianne Reißing. Einfach, das bedeutet im Mehrgenerationenhaus eine offene, familiäre und natürliche Atmosphäre. Die Menschen sollen im Alltag Unterstützung finden, bevor Probleme auftreten. Für die Treffen und Angebote gibt es keine Bedingungen. "Das gibt es sonst in keiner Einrichtung im Kreis", betont die Vorstandsfrau.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Mehrgenerationenhauses ist die Alltagsnähe. "Wir sehen schnell, wo bei Menschen Bedarf herrscht", so Marianne Reißing weiter. Das Familien-Zentrum Freudenstadt wurde bereits vielfach ausgezeichnet. Das Modell des Mehrgenerationenhauses ist bundesweit bekannt. Regelmäßig begrüßt der Verein Gäste, die sich in Freudenstadt informieren wollen. Oft werde sie gefragt, wie der Verein es schafft, diesen familiären Geist über 25 Jahre lang am Leben zu halten.

"Offen sein und einfach denken", antwortet Marianne Reißing dann. "Ein ehrliches und herzliches Willkommen macht viel aus". Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Arbeit der Ehrenamtlichen. "Ehrenamtliche Helfer und voll angestellte Mitarbeiter befinden sich bei uns auf Augenhöhe", betont Marianne Reißing. Das Familien-Zentrum Freudenstadt ist seit der Gründung unter ehrenamtlicher Leitung. Es umfasst 70 Mitarbeiter, darunter 24 fest Angestellte und fünf Schwerbehinderte.

Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 16 000 Ehrenamtsstunden geleistet. Doch um die laufenden Kosten und die Schuldentilgung zu stemmen, ist der Verein auf Spenden angewiesen. Am Freitag, 4. November, feiert das Familien-Zentrum das Jubiläum mit einem offiziellen Festakt für geladene Gäste. Sozialraumexperte Konrad Hummel hält die Festrede. Für die Feier reisen ehemalige Gründungsmitglieder und Freunde aus ganz Deutschland nach Freudenstadt.

Ein solches Jubiläum öffnet auch den Blick für die Zukunft: "Ich hoffe, dass wir das Haus finanziell absichern können, dass uns der Generationenwechsel gelingt und dass die ehrenamtlichen Helfer auch in Zukunft Freude bei ihrer Arbeit haben", sagt Marianne Reißing. Doch es kommen große Herausforderungen auf das Familien-Zentrum zu. Das Stichwort heißt demografischer Wandel. Um auf diese Problematik eine Antwort zu finden, sei eine Partnerschaft mit verschiedenen Institutionen wie Politik, Kirche und Schule wichtig. "Nur gemeinsam, können wir der Herausforderung begegnen", weiß Reißing.