Politik: Unternehmen halten sich mit Bewertungen noch zurück / Städtepartnerschaft Horbs soll nicht leiden

Von Lena Müssigmann

Gestern war das Ergebnis der Abstimmung der Briten klar: Raus aus der EU! Was bedeutet das für Firmen und Städtepartnerschaften in der Region? Das Erschrecken über die Entscheidung ist groß.

Kreis Freudenstadt. Der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer aus Horb ist bekennender Europa-Fan und findet deutliche Worte für den Brexit: "Der dramatische Ausgang des britischen Referendums ist eine Zäsur in der Geschichte des europäischen Einigungsprozesses." Die Folgen seien noch nicht abzuschätzen. Theurer plädiert für einen Reformprozess der EU. Es dürfe keinen Rückfall zu nationalen Egoismen, auch keine Schockstarre geben. "Wie nach einem reinigenden Gewitter braucht die EU Reform und Reformation. Dafür fordere ich einen Konvent und die Einbeziehung der Bürger in einer europäischen Öffentlichkeit." Konstruktionsfehler der EU müssten behoben werden. Und: Das vereinte Europa müsse von seinen Anhängern verteidigt werden.

Keine Sorgen um die Städtepartnerschaft

Auch in Theurers Heimatstadt Horb wurde die Nachricht mit Erschrecken aufgenommen. Horb pflegt eine Partnerschaft zu Haslemere, rund 70 Kilometer südlich von London. Für den Arbeitskreis Städtepartnerschaft sagt Christine Dietz: "Ich hoffe und denke, so wie ich unsere Freunde in Haslemere kenne, dass der Brexit keine Auswirkungen auf unsere Partnerschaft hat." Alle, die sich am Austausch beteiligten, seien weltoffene Menschen. Dennoch macht der Brexit Dietz traurig. "Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie Stimmung angeheizt werden kann. Als ob durch die Trennung von der EU das alte Gloria vergangener Zeiten wieder eingefangen werden könnte." Die Briten werden langfristig enttäuscht sein, wenn es dazu nicht kommt, meint Dietz. Die für September organisierte Reise der Horber nach Haslemere allerdings stehe – Brexit hin oder her.

Auch die Stadtverwaltung teilt mit: "Die knappe Entscheidung der Briten zum Austritt aus der EU wird in keinster Weise die bestehenden Beziehungen zu unserer Partnerstadt beeinflussen. Im Gegenteil, wir freuen uns gemeinsam mit Haslemere, im September dieses Jahres das 25-jährige Jubiläum unserer Partnerschaft zu feiern."

"Für deutsche Unternehmen wird es schwieriger werden, an die erfolgreichen Geschäfte mit Großbritannien anzuknüpfen", bewertet Martin Keppler, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Nordschwarzwald (IHK), die Entscheidung zum Brexit. "Die exportstarken Unternehmen im Nordschwarzwald werden sich auf erhebliche Veränderungen einstellen müssen", so Keppler. Dabei würden die Auswirkungen von Branche zu Branche unterschiedlich sein. Die Firmen in der Region sind noch zurückhaltend mit Bewertungen der Situation. Homag-Sprecher Jens Fahlbusch ist einer der wenigen, der konkrete Angaben macht: "Für uns ist die direkte Auswirkung nicht groß." Die Homag mache lediglich drei bis vier Prozent ihres Umsatzes, der zuletzt eine Milliarde Euro pro Jahr betrug, mit Abnehmern im Vereinigten Königreich. Fahlbusch hält aber eine Verunsicherung der Wirtschaft durch den Brexit für möglich, die Investitionen europaweit bremsen könnte.

Deutliche Worte von Klaus Fischer

Deutliche Worte findet Klaus Fischer, Inhaber der Fischerwerke: "Der Brexit ist für ganz Europa sehr negativ." Fischer wird dabei auch konkreter: "Der Markt in Großbritannien wird sich durch den Brexit sehr verändern. Zollbarrieren werden wieder aufgebaut, der freie Handel geht zurück. Es ist davon auszugehen, dass dadurch auch der Umsatz unserer Landesgesellschaft zurückgeht sowie unsere Aktivitäten in Irland und Nordirland darunter leiden."

Die Firma Bosch-Rexroth, die einen Standort mit 1030 Mitarbeitern in Horb hat, ist mit 700 Mitarbeitern in Großbritannien vertreten. Rexroth gehört zur Robert Bosch GmbH. Beim Bosch-Umsatz in Europa liegt Großbritannien mit 3,7 Milliarden Euro im vergangenen Jahr bisher auf Platz zwei hinter Deutschland.

Im House of Scotland in Freudenstadt verkauft Susanne Roller Mode aus Großbritannien. "Ich habe die Nachricht mit Erschrecken aufgenommen", sagt die Geschäftsfrau. Ob der Handel mit Partnern im Vereinigten Königreich teurer oder komplizierter wird, vermag sie noch nicht abzuschätzen. Sie habe bei ihrer Zusammenarbeit mit britischen Lieferanten den Eindruck gewonnen, dass sie eine gewisse Sturheit an den Tag legen und die Dinge gerne auf ihre Art erledigen wollen – so wie es ihr schwer fiel, Neuerungen durchzubekommen, hatte auch die EU letztlich unüberwindbare Schwierigkeiten, die Briten zu integrieren. Für gestern Abend hatte Roller ein Flugticket nach Schottland. Dort will sie dieses Wochenende Ware einkaufen. Dann wird sie die Stimmung vor Ort mitbekommen. Der Chairman des Englishspeaking Circle Starzach (Kreis Tübingen), Dirk Eickenhorst, erwartete eifrige Diskussionen vor dem Treffen seiner Gruppe, der viele Großbritannienfans angehören, am Abend. Auch er hatte damit gerechnet, dass die Entscheidung knapp für den Verbleib in der EU ausfällt. Für Großbritannien erwartet er Nachteile. "Allein in der Welt zu stehen, ist nicht so einfach." Als kleiner Handelspartner habe das Land wirtschaftlich gesehen weniger Gewicht, als wenn es als Teil der EU auftritt, so Eickenhorsts Meinung.