Rund zehn Millionen Euro Schaden verursachte der Brand in der Firma Erfi im Januar vergangenen Jahres. Foto: Feuerwehr

Angeklagter bei Prozessauftakt geständig. Grund für Ausraster war Entlassung.

Freudenstadt/Rottweil - Nach dem Brand bei der Firma Erfi in Freudenstadt hat am Donnerstag vor dem Landgericht Rottweil der Prozess gegen einen 53-Jährigen wegen Brandstiftung begonnen. In seinem Geständnis erzählte dieser von Kleinkriminalität in der früheren DDR, Depressionen und Alkoholsucht.

Die Tat vom frühen Morgen des 8. Januar 2016, bei der laut Anklageschrift ein Schaden von etwa zehn Millionen Euro entstanden war, gestand der Angeklagte gleich zu Beginn der Verhandlung. Der Mann aus Freudenstadt, der bis kurz vor dem Brand als Leiharbeiter bei Erfi angestellt gewesen war, zeigte sich reumütig und entschuldigte sich mehrmals für sein Handeln.

Am Vormittag des 7. Januar vergangenen Jahres, kurz nach dem Weihnachtsurlaub, war der Angeklagte nach eigener Aussage bei einer Leiharbeitsfirma in Freudenstadt, um eigentlich nur um einen Vorschuss zu bitten. "Nebenbei hat mir die Angestellte gesagt, dass es keine Arbeit mehr für mich gibt", so der damals 52-Jährige.

In diesem Moment sei für ihn eine Welt zusammengebrochen: "Ich bin davon überzeugt, dass man bei der Leiharbeitsfirma und auch bei Erfi schon vor Weihnachten wusste, dass es keine Arbeit mehr für mich gibt."

Als Mensch zweiter Klasse gefühlt

Ohnehin habe er sich nach jahrelanger Leiharbeit, geprägt von leeren Versprechungen und Lügen, inzwischen "als Mensch zweiter Klasse" gefühlt. Zwar habe er bei jeder seiner Entlassungen Wut verspürt – diesmal aber sei in ihm gar "irgendwas explodiert". Postwendend sei der damals Alkoholsüchtige in seine Stammkneipe in Freudenstadt gegangen. Den restlichen Tag habe er dort die Wut in sich hinein gefressen, mit niemandem geredet, und "an die zehn Bier und mehrere Schnäpse" getrunken, ehe er spät abends nach Hause gegangen sei.

Am Ende eines Streits mit seiner Freundin habe er gerufen: "Ich fackel’ die Hütte jetzt ab", was aber weder Lebensgefährtin noch deren anwesende Tochter ernst genommen hätten. Er habe Feuerwerkskörper und Bier in eine Tüte gepackt und die Wohnung verlassen. Auf die Frage von Richter Karlheinz Münzer, was er mit den Knallkörpern vor gehabt habe, sagte der Angeklagte: "Ich wollte einfach nur meine Wut loswerden, eigentlich die Knaller in der Parkanlage zünden und bin durch die Gegend gelaufen." Plötzlich sei der angetrunkene Mann am nicht weit entfernten Firmengelände der Erfi gewesen. Mit einem Stein warf er die Glasscheibe einer Tür ein, um in die Fabrikhalle einzudringen: "Ich wollte eigentlich in den Akten gucken, ob ich der einzige Entlassene bin."

Die Suche sei erfolglos gewesen, und so habe er sich mit Bier vor eine Maschine gesetzt und "über mein beschissenes Leben nachgedacht". Zunächst habe er die Knallkörper auf Maschinen platziert und angezündet. "Je länger ich in dieser Halle war, desto mehr Wut kam in mir hoch", erzählt er. Dann habe er Karton und Papier in der Halle verteilt und angezündet. "Ich dachte, der Brand geht von alleine aus und bin nach Hause ins Bett gegangen." Nachdem er von den Sirenen wach geworden war, habe er seiner Freundin von der Tat erzählt. Die habe ihn dazu gebracht, sich am folgenden Vormittag der Polizei zu stellen.

Von Eltern verprügelt

Ein "Loser-Leben" führte der Angeklagte ungefähr seit der Wende 1990: In der DDR als Sohn eines Zöllners aufgewachsen, sei er schon früh immer wieder von beiden Eltern verprügelt worden. Als eines von vier Kindern sei er das "schwarze Schaf" in der Familie gewesen, weil er gegen das DDR-System rebelliert habe. Eine Lehre zum Beikoch habe er im Alter von 17 Jahren abbrechen müssen, weil er wegen mehrerer Diebstahldelikte in Jugendhaft kam. "Meine Eltern haben mein Gehalt eingesteckt, mit Diebstählen und Einbrüchen habe ich mich über Wasser gehalten", sagt er.

So habe er viele Jahre in DDR-Haftanstalten verbracht. Nach der Wende sei er ohne Ausbildung nach West-Berlin gegangen, habe dort mit Diebstählen und ehrlicher Arbeit Geld verdient. Hinzu seien Alkoholprobleme und Depressionen gekommen, die er letztlich in Schönmünzach mit einer Therapie in den Begriff bekam – ehe er 2008, schon als Leiharbeiter angestellt, rückfällig wurde. Seit er im Schwarzwald sei, seien ihm jedoch kriminelle Handlungen nie wieder in den Sinn gekommen. Nachdem der Angeklagte in der Folge der Tatnacht mit Suizid-Gedanken in geschlossene psychiatrische Behandlung gekommen war, hat er eine Langzeittherapie begonnen – und ist bis zum heutigen Tag "trocken".

Nach der Vernehmung des Angeklagten wurden unter anderem seine Lebensgefährtin, deren Tochter, ein Feuerwehrmann und der Inhaber der Firma Erfi angehört. Am Montag, 29. Mai, wird die Verhandlung fortgesetzt.