Eine Familie, ein Unternehmen: Gemeinsam mit ihren Söhnen Timo (links) und Alexander (vorne) führen Karin und Helmut Reichl heute das traditionsreiche Handelshaus Eisen-Wagner. Das feiert in diesem Jahr sein 165-jähriges Bestehen. Foto: Eberhardt

Eine Familie, ein Unternehmen: Das traditionsreiche Handelshaus Eisen-Wagner feiert Jubiläum.

Freudenstadt - Was ist das Überlebensrezept in der heutigen Handelswelt? Ein Universalrezept hat Helmut Reichl, Inhaber der Firma Eisen-Wagner, nicht. Aber er weiß: Sein Haus feiert dieses Jahr 165-jähriges Bestehen. Irgendwas hat man wohl richtig gemacht.

Den großen Geburtstag teilt das Haus mit namhaften Jubilaren: 1849 wurde auch die Sicherheitsnadel patentiert und die erste deutsche Briefmarke herausgegeben – beides keine Produkte, die zum Sortiment von Eisen-Wagner gehören. Doch wer weiß? Helmut Reichl, der das traditionsreiche Haus von der Gründerfamilie übernahm, hat in seiner 50-jährigen Berufslaufbahn vieles kommen und gehen sehen: "Es hat sich fast alles verändert." Ski und Schwarzpulver standen schon im Regal. Heute flankieren Lederhandtaschen und Textilien das traditionelle Angebot des Eisen- und Hauswarenhändlers.

Mit 165 Jahren ist das Haus die letzte der vier Freudenstädter Firmen, die früher den Markt der Haus- und Eisenwaren unter sich aufgeteilt hatten. "Wer heute überleben will, muss laufend bereit sein, sich an die Marktverhältnisse anzupassen", meint Reichl. Es ist ein Satz wie aus dem Lehrbuch für BWL-Studenten, der bei Reichl die Legitimation der Erfahrung erhält. In der Realität des altgedienten Kaufmanns bedeutet dieser Satz bis heute: Ständig den Markt beobachten. Er bedeutet, uneitel zu sein, wenn es darum geht, unternehmerische Ansätze zu überdenken. Er bedeutet, flexibel auf den immer schnelleren Bedürfniswandel der Zielgruppen zu reagieren und das Sortiment bei Bedarf rigoros zu überarbeiten. Und er bedeutet, nicht aus Beharrungssucht an Altem festzuhalten, aber zugleich alte Werte zu bewahren.

Es sind viele Komponenten, die am Ende ein gesundes Unternehmen ausmachen. Helmut Reichl muss daher erst einmal passen, wenn er nach dem einen entscheidenden Element gefragt wird, das dazu geführt hat, dass Eisen-Wagner in den vergangenen Jahrzehnten seine Mitarbeiterzahl verdoppelt und seine Verkaufsfläche vervielfacht hat, während viele der Marktbegleiter ihre Tore schlossen. Als Kombination aus Wertebewusstsein und Weitblick ließe sich die Strategie des Hauses beschreiben, dass nicht zuletzt die Bedeutung eines guten Mitarbeiterstamms geschätzt wird. Der unternehmerische Kristallisationspunkt jedoch ist ein anderer. Er heißt Familie.

Familiensinn ist für Helmut Reichl die Basis seiner Existenz "es würde anders nicht gehen". Als er sich 1995 zur Übernahme des Handelshauses mit Standorten im Zentrum und im Industriegebiet entschloss, geschah dies nach Beratung im häuslichen Kreis. Seine Frau Karin übernahm die Leitung des Hauses am Marktplatz. Doch Reichl suchte auch die Meinung seiner Söhne, die damals gerade an der Schwelle zum Erwachsenenalter standen. "Könnt Ihr Euch vorstellen, später mal einzusteigen?" Dass sie das Werk der Eltern fortsetzen, war für Reichl alles andere als selbstverständlich. Als Angestellter in Wirtschaft oder Industrie wäre das Leben ruhiger. Doch heute teilen sich Alexander und Timo Reichl in der Geschäftsführung die Bereiche Vertrieb und Verwaltung. Sechs- und mitunter Sieben-Tage-Wochen sind selbstverständlich. Abgeschreckt hat es nie. "In dem Alter sieht man es nicht so", blickt Timo Reichl schmunzelnd auf die Zeit zurück, als sein Vater ihm und seinem Bruder Alexander anbot, Teil des traditionsreichen Handelshauses zu werden. Auch wenn manche schlaflose Nacht dazugehört. "Wer im Handel überleben will, muss wachsen", erklärt Helmut Reichl schlicht. Das verlangt Mut – zu unternehmerischem Risiko und wenig persönlicher Sicherheit.

Der Senior-Chef sieht das heute gelassen: "Am Anfang ist das schlimmer", lacht er. Diese Phase durchlaufen jetzt seine Söhne. Abschalten ist da wichtig – auch das passiert oft im Kreis der Familie, die Klammer, Stütze und Motor von Eisen-Wagner ist. Ebenso wichtig ist aber das ständige flexible Ausrichten auf die Marktbedürfnisse. "Spezialisieren und die richtigen Segmente suchen", fasst Timo Reichl zusammen. Für Eisen-Wagner liegen diese im Qualitätsbereich mit hoher Beratungskompetenz und Dienstleistungsverständnis. Und was die Produktpalette der Zukunft angeht – wer weiß? Skier und Schwarzpulver gab es schon. Da klingen Sicherheitsnadeln und Briefmarken doch gar nicht so abwegig.