Dirigent Rainer Neher und die Stadtkapelle (Bild oben) ernteten bei ihren Konzerten viel Beifall. Auch auf Straßen und Plätzen waren die Musiker in Sao Paulo unterwegs, und dabei durfte auch Freudenstadt-Maskottchen Puschel nicht fehlen (links). Fotos: Edson/Stadtkapelle Foto: Schwarzwälder-Bote

Stadtkapelle erlebt in Brasilien bei Gastspiel den Höhepunkt ihres Jubiläumsjahrs / Fleißig Prospekte verteilt

Von Tina Eberhardt

Freudenstadt/Sao Paulo. Sie hätten nie gewagt, es zu träumen – nun durften sie es erleben: Mit der Konzertreise nach Sao Paulo erhielt die Stadtkapelle zum 160-jährigen Bestehen einen einzigartigen Höhepunkt – und die Stadt Freudenstadt nebenbei einen Haufen neuer Fans.

Wie beschreibt man Eindrücke, für die es keine Worte gibt? In einer der größten Städte der Welt durfte die Stadtkapelle ein Wochenende lang durch die Straßen ziehen und Musik machen. In einer Metropole, die so heterogen ist, als hätte man drei Kontinente in eine Stadt gesteckt, wurden die Musiker aus dem Nordschwarzwald behandelt wie lange erwartete Freunde.

Mitten unter Südamerikas Palmen tut sich mit dem Maifest in Sao Paulos für zwei Tage ein gigantisches Kaleidoskop der Deutschtümlichkeit auf. Ganze Staatsteile Südbrasiliens sind seit Generationen deutsch geprägt. Die soziokulturelle Großveranstaltung in Sao Paulos Stadtteil Brooklin ist seit 16 Jahren ein fester Höhepunkt für Brasilianer mit deutschen Vorfahren.

Große Bühne mitprofessionellerLicht- und Tontechnik

Dass nun ein echtes Blasorchester, eine "richtige" Stadtkapelle extra aus dem Land der Ahnen gekommen war, sorgte für viel Freude und Neugierde – bei den Gästen ebenso wie bei den Freudenstädter Musikern. Drei Konzerte und diverse Auftritte in der Formation einer Straßenmusik durfte die Stadtkapelle Freudenstadt während ihres Aufenthalts in Sao Paulo bestreiten. Einige davon in einer Dimension, wie sie für viele der Musiker bis dato fremd waren: Eine große Bühne mit professioneller Tontechnik, ebensolcher Beleuchtungstechnik und vor allem einem Publikum in teils fantasievollen Trachten, das mit viel Neugierde auf das wartete, was da kommen sollte.

Aber was wollen Brasilianer von einem deutschen Blasorchester hören? Polka, Volkstümliches? Nein, wie sich herausstellte. Sie wollte das hören, was die Stadtkapelle auch sonst im Programm hat: Konzertante Blasmusik – gerne mit ein paar Showeinlagen. Bei einem Festival, dass dieses Jahr 230 000 Besucher angezogen hat.

Die Reaktionen der Zuhörer waren überwältigend. Eine Gruppe Rocker sang freudig während der Auftritte mit, mancher der älteren Zuhörer wischte sich eine Träne aus dem Gesicht, als Dirigent Rainer Neher sein Orchester zum Auftakt die brasilianische und die deutsche Nationalhymne intonieren ließ. Und von überallher kam die Frage: "Woher kommt Ihr, seid Ihr extra aus Deutschland gekommen?" Ja, das war die Stadtkapelle, und dass ihr dies möglich wurde, waren ein Geschenk und Privileg, für das die Musiker sehr dankbar waren. Ohne zahllose Unterstützer und Sponsoren in der Heimat wäre es nicht möglich gewesen.

Der Name Freudenstadts wurde während des Aufenthalts fleißig in die Welt getragen. Mit leuchtend grünen T-Shirts, bedruckt mit dem Freudenstadt-Logo, waren die Musiker während des Festivals gemeinsam unterwegs, kistenweise Urlaubsprospekte aus der Heimat wurden in Sao Paulo verteilt – viele davon wurden begeistert geschwenkt, als sich die Musiker bei ihrem letzten Konzert verabschiedeten.

Die Stadtkapelle solle bald wiederkommen, hieß es von vielen Ecken. Und diese würde dies jederzeit wieder tun. Die Gastfreundschaft mit der die Musiker empfangen wurden, sucht ihresgleichen. Festivalmanager Luiz Delfino und Stefan Graf von Galen, der als Leiter einer deutschen Schule seit Jahren regelmäßig nach Freudenstadt reist, sorgten dafür, dass es den Musikern an nichts mangelte. Vor allem aber, dass diese eine Fülle an Eindrücken aus Südamerika mit nach Hause nehmen können.

Sao Paulos ebenso faszinierende wie harte Vielseitigkeit und Größe öffneten ein neues Fenster im Weltbild des traditionsreichen Freudenstädter Ensembles. Mit einem kleinen klapprigen Fenster im Haus der Musik hatte auch einmal alles angefangen. An diesem war Festivalmanager Luiz Delfino vor zwei Jahren während eines Sprachaufenthalts in Freudenstadt vorbeigegangen und hatte die Stadtkapelle vom Probenraum weg eingeladen, nach Sao Paulo zu kommen.

Und das Fenster blieb das Schlüsselbild beim ersten Besuch der Stadtkapelle in Südamerika. Ein neues Fenster der Freundschaft zwischen Deutschland und Brasilien habe sich mit dem Besuch der Freudenstädter aufgetan, erklärte Luiz Delfino bei der Verabschiedung der Stadtkapelle am letzten Abend des Festivals. "Möge es in Zukunft weit geöffnet bleiben."