Andenken an den Kreis Freudenstadt: CDU-Abgeordneter Norbert Beck, Regierungspräsidentin Nicolette Kressl, Ministerin Susanne Eisenmann und OB Julian Osswald (von links). Foto: Wiegert Foto: Schwarzwälder-Bote

Bildung: Kultusministerin bleibt bei Vortrag in Horb keine Antwort schuldig

Horb. Die Turnhalle der Gutermann-Grundschule ist voll. Alle Schulleiter sind da –und die Kinder, die gleich mit der Schulhymne loslegen: "Unsere Schule ist ein schönes Backsteinhaus – mitten in der Stadt." Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) lächelt und swingt mit dem Kopf mit. Der Besuch der Kultusministerin in der Großen Kreisstadt. Letzte Station auf der Kreisreise.

Landtagsabgeordneter Norbert Beck (CDU) lobt den "schönsten Kreis, die schönste Kreisstadt mit dem schönsten OB." OB Peter Rosenberger: "Sie sind hier in einer kleinen Schulhauptstadt gelandet. Ich habe zwei Bitten: Weil bei uns in den vorhandenen Schulen einiges zu sanieren ist, würde ich mich freuen, wenn so mancher Euro dafür auch in Horb landen würde. Zweite Bitte: Der Landkreis leistet hier mit dem Berufsschulen eine ganz hervorragende Arbeit. Allerdings: Der Bereich Umwelttechnik ist dort großes Sorgenkind. Die Hürde mit 16 Schülern pro Klasse ist groß."

Die gut gelaunte Kultusministerin geht zunächst auf die Kinder ein: "Das habt ihr ganz toll gemacht. Ich selbst habe vom 5. bis zum 20. Lebensjahr Geige gelernt und gespielt und weiß, wie schwer das ist." Scherzt noch: "Ich äußere mich nicht, wer die schönste Stadt oder den schönsten OB hat!" Lobt noch die Gutermann-Grundschule: "Sie machen tolle Arbeit hier", um zu ihrem Programm überzuleiten. Eisenmann: "Wir brauchen mehr Ruhe und Verlässlichkeit." Sagt zu, dass sie sich für eine Absenkung der Mindestklassengröße in Berufsschulen einsetzt.

Dann holt sie gleich zweimal Applaus. Weil Baden-Württemberg im Bundesvergleich der "Lesen-Schreiben-Rechnen-Kompetenz" zurückgefallen ist, hat sie angeordnet, dass schon ab der 1. Klasse Rechtschreibfehler wieder korrigiert werden müssen. Eisenmann: "Wie soll man einem Kind sonst erklären, dass man für ein Wort ab Klasse drei auf einmal einen Fehler angestrichen bekommt, während man vorher so schreiben konnte, wie man wollte?" Zweiter größter Beifall für den Satz: " Erziehungsberechtigt heißt auch erziehungsverpflichtet."

Sie lehnt es ab, die Grundschulen in die Schulentwicklungsplanung mit einzubeziehen: "Baden-Württemberg hat schon immer das Prinzip gefahren: Kurze Beine, kurze Wege. Obwohl ich nicht weiß, wie wir den Ressoucenmangel an Lehrkräften lösen wollen." Wieder Applaus. Eisenmann: "Im letzten Jahr ist es zum ersten Mal nicht gelungen, alle freien Lehrerstellen im Land zu besetzen. Besonders im ländlichen Raum gibt es einen hohen Nachholbedarf an Lehrern für naturwissenschaftliche Fächer." Zur Digitalisierung sagt Eisenmann: "Was glauben Sie, wie viele Vertreter der Industrie mir sagen, wie wichtig das ist. Ich sage dann immer: Die Technik folgt der Pädagogik, nicht umgekehrt." Andreas Bronner, Lehrer von Olympia-Sieger Michael Jung und ehemaliger Rektor der Grund- und Hauptschule Altheim: "Gibt es überhaupt eine Rettung für die Hauptschulen und die Werkrealschulen?" Eisenmann: "Ich werde für den Erhalt der erfolgreichen 700 Haupt- und Werkrealschulen im Land kämpfen. Oft sind das die zentralen Schulen in den Regionen. Viele haben eine Vermittlungsquote von 100 Prozent an den Arbeitsmarkt – da müssen andere Schulformen erst mal hinkommen."

Christian Züfle: "Ich bin Schüler an der Grundschule Besenfeld. Warum gibt es bei den Lehrern keinen einzigen Mann?" Eisenmann: "Ehrlich gesagt, da bin ich auch ein bisschen ratlos. So genau wissen wir das auch nicht, warum so wenige Männer Grundschullehrer werden wollen."

Als nächstes eine Schulhelferin der Gutermann-Grundschule: "Ich arbeite hier zweimal die Woche. Mir fehlen Fachräume und gemütliche Räume, in denen Schüler mal das machen können, was sie wollen." Eisenmann: "Für die Räumlichkeiten sind die Kommunen zuständig. Und wie man hier in Horb sieht, machen sie sich intensiv und gut auf den Weg."

Georg Neumann, Rektor des MGG: "Ich habe Verständnis dafür, dass nicht jede Schule bei der Digitalisierung finanziell unterstützt wird. Wie sieht es mit einem Know-How-Austausch über die Pädagogik aus? Der ist für uns wichtiger als 50 000 Euro für Technik." Eisenmann: "Derzeit sind wir dabei, die Erfahrungen der Pilotschulen zu evaluieren. Wir werden dazu parallel so schnell wie möglich ein Netzwerk zum Wissensaustausch aufbauen. Wie ich in Freudenstadt gelernt habe, gibt es dort schon Lehrer, die Mentoren für andere Schulen bei der Digitalisierung sind."

Maria Klink, Vorsitzende der Senioren-Union: "Warum schieben Sie den Englisch-Unterricht von der ersten Klasse nach hinten?" Eisenmann: "Forschungsergebnisse zeigen, dass ein Englisch und Französisch-Unterricht ab der ersten Klasse unter Qualitätspunkten gegenüber dem Start ab Klasse drei keine Vorteile bringt. Ich vermute, das liegt an einem Fehler bei der Einführung: Woanders werden Fachlehrer dafür eingesetzt, hier bei uns soll das durch Klassenlehrer vermittelt werden. Ehrlich gesagt, wenn ich das als Lehrer machen müsste: Mehr als Frère Jacques einmal die Woche würden die Kinder bei mir nicht lernen. Deshalb ist mein Vorschlag, den Englisch und Französisch-Unterricht erst ab Klasse drei einzuführen. Das bringt uns auch mehr freie Stunden, die wir an den Grundschulen in Poolstunden einsetzen wollen, damit es mehr Zeit zum Lesen, Schreiben, Rechnen gibt."

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