Eine Praxis, drei Urologen, viele Ideen (von links): Michael Wernet, Gregor Schlindwein und Ulrich Breitkopf. Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Nach dem Tod von Martin Tradowsky hat der Urologe Michael Wernet zwei neue Kollegen gefunden / Hoffnung für Horb?

Von Florian Ganswind

Freudenstadt. Als sein Praxiskollege Martin Tradowsky plötzlich starb, überlegte der Urologe Michael Wernet, ob er wirklich noch in Freudenstadt weitermachen soll. Doch ab heute startet ein Dreier-Ärzte-Team in eine gemeinsame Zukunft. Ein Beispiel, das zeigt, dass es nicht nur Praxisschließungen gibt.

Wenn Michael Wernet über den 6. April dieses Jahres spricht, dann wird der sonst so humorvolle und schlagfertige Arzt sehr nachdenklich. "Martin Tradowsky war plötzlich umgefallen, obwohl er als kerngesund galt. Und man wird selbst nachdenklich, wie es weitergehen soll. Man hinterfragt alles und überlegt, ob das nicht zu viel Stress ist. Immerhin waren wir fast gleich alt." Von einem auf den anderen Tag stellte sich für Wernet die Frage nach der Zukunft. "Ich stamme nicht von hier, meine Wahlheimat liegt am Bodensee. Da habe ich schon kurz überlegt, ob ich nicht dort arbeiten soll."

Doch der 56-Jährige ist geblieben. Und nun sitzen zwei neue Kollegen mit ihm an einem Tisch. Die Urologen Ulrich Breitkopf und Gregor Schlindwein wagen den Schritt in die Selbstständigkeit, am heutigen Mittwoch geht die gemeinsame Praxis an den Start.

Breitkopf arbeitet allerdings bereits einige Monate in der Praxis. "Seit einem Jahr gibt es einen dritten Kassensitz für Urologen im Gebiet, den wir uns dann gesichert haben. Und es war geplant, dass Ulrich Breitkopf diese Aufgabe übernimmt", erzählt Wernet. Doch nun musste alles wegen des Todes von Tradowsky schneller gehen. Das Nagolder Krankenhaus, an dem der 39-jährige Breitkopf als Facharzt tätig war, half Wernet in dieser schwierigen Situation und stellte den jungen Mediziner für die neue Aufgabe früher frei. "Wir arbeiten sehr eng mit der Nagolder Klinik zusammen. Ich bin sehr dankbar, dass uns Chefarzt Ulrich Haag so unterstützt hat", erzählt Wernet.

Und plötzlich kam ein dritter Interessent auf den Plan. Gregor Schlindwein, der ebenfalls als Facharzt am Nagolder Krankenhaus tätig war, erfuhr vom zusätzlichen Kassensitz und frage bei Wernet und Breitkopf an. "Ich hatte schon länger mit einer Niederlassung geliebäugelt, hatte sogar überlegt, als Hausarzt in die berufliche Selbstständigkeit einzusteigen", erzählt der 46-Jährige. Wernet kommentiert augenzwinkernd: "Doch dann kam das urologische Feuer bei ihm zurück."

Die Entscheidung, sich als Ärzte niederzulassen, war keine einfache, wie Breitkopf und Schlindwein berichten. "Die bürokratische Wand, die man zu überwinden hat, schreckt viele Ärzte an Kliniken ab", erzählt Breitkopf. Da ist für viele sogar der sehr hektische und stressige Krankenhaus-Job die bessere Alternative. Und auch wenn eigentlich alles klar ist, ist die Mühle der Bürokratie quälend. "Wir waren uns schnell einig. Und trotzdem mussten wir einen langen Weg gehen, damit alles genehmigt wurde", berichtet Wernet, dem es wichtig ist, auch ein Signal an die Bevölkerung zu geben: "Es muss nicht immer zur Praxisschließung kommen. Es geht auch mal andersherum."

Wernet weiß aber auch, dass es eigentlich sehr schwierig ist, medizinischen Nachwuchs in den ländlichen Raum zu locken. Doch die Rahmenbedingungen vor Ort könnten von der Politik noch verbessert werden, findet er. "Die Infrastruktur ist für junge Menschen wenig verlockend. Es fehlt mir der eine oder andere innovative Gedanke." Auch Breitkopf hatte überlegt, in seine Heimat im Raum Ulm zurückzugehen. "Meine Frau ist Biologin und findet hier keinen Job." Schlindwein sagt: "Die Work-Life-Balance muss stimmen. Da schreckt der ländliche Raum viele ab."

Ein Facharztzentrum wie das in der Straßburger Straße 57, in das Tradowsky und Wernet 2008 umzogen, sei das einzig funktionierende Modell für die Zukunft, ist sich Wernet sicher. "Es macht kaum noch Sinn, als Einzelkämpfer irgendwo anzufangen. Gerade wenn man sich alleine niederlässt."

Der Ausbau der urologischen Praxis bietet nun sogar die Möglichkeit, noch breiter tätig zu werden, beispielsweise im Bereich der Operationen. Und auch die Tür zu Horb ist nicht ganz zugeschlagen, so Wernet. Einst boten er und Tradowsky Sprechstunden in Horb an. "Die KV hatte aber keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt. Und der damalige KLF-Geschäftsführer Schmidhuber hatte uns in der Luft hängen gelassen." Deshalb entschied man sich, aus Horb rauszugehen. "Mich hat auch sehr enttäuscht, dass uns der Horber Oberbürgermeister nie kontaktiert hat. Da schien kein Interesse vorhanden." Dabei könne Horb die Urologie sicher gut gebrauchen. "Gerade im Bereich der Geriatrie", so Breitkopf.

Doch Horb könnte durchaus wieder ein Thema werden. "Die Möglichkeiten sind jetzt, da wir zu dritt sind, eher da. Die Gedanken sind frei, bis hin zur überörtlichen Zweigstelle. Zunächst konzentrieren wir uns aber mal auf den Start der neuen Praxis."

Eine Aussage, die die Horber Stadtverwaltung vielleicht hellhörig macht. Ein Signal und der Einsatz aus der Politik müsste aber wohl kommen.