Volksliedersingen: Gema hält die Hand auf / Saftige Strafe vor Gericht / Suche nach anderen Lösungen

Eine fröhliche Gesangsrunde unter Gleichgesinnten kann ganz schön teuer werden. Bei den Freudenstädter Liederabenden, eine Institution in der Stadt, hält die Gema die Hand auf. Die Senioren waren erst geschockt, dann sauer. Jetzt suchen sie nach einer Lösung.

Freudenstadt. Einmal singen? Kostet um die 50 Euro Gebühr, jedes Mal. Allerdings nur in Freudenstadt. In der Raumschaft gibt es eine ganze Reihe ähnlicher Treffs, die von der Gesellschaft zur Rechteverwertung offenbar nicht zur Kasse gebeten werden. Fritz Baur (83), beim offenen Volksliedersingen in Freudenstadt von Anfang an dabei, ist fassungslos: "Wir fühlen uns sehr ungerecht behandelt. Aber wir lassen uns das Singen nicht verbieten."

Die Freudenstädter Volksliederfreunde sind seit jeher ein loser Treff, kein Verein oder ähnliches. Dass die Gruppe die Gema im Nacken hat, könnte an ihrer Vergangenheit liegen. Der Treff wurde in den 1980er-Jahren gegründet, auch als Angebot für die Kurgäste. Die kommen zwar schon lange nicht mehr, weder in die Stadt noch zum Volksliedertreff. Dafür aber im Schnitt bis zu 30 Frauen und Männer aus Freudenstadt im Alter zwischen Mitte 40 und Mitte 80, zu Spitzenzeiten im Sommer um die 70 Teilnehmer. Die Veranstaltungsorte wechselten, der harte Kern der Gruppe blieb. Zuletzt sang der Zirkel im Waldcafé Teuchelwald.

In der Vergangenheit hatte die Freudenstadt-Tourismus die Gema-Rechnung übernommen, zuletzt für das Jahr 2015, erklärt Claudia Tremmel. Sie ist Inhaberin des Waldcafés. Daraufhin seien von der Gema rückwirkend für die Jahre 2012 bis 2014 Gebührenbescheide eingegangen. Die städtische Tourist-Gesellschaft habe dann erklärt, diese Gebühren nicht mehr zu tragen, denn der Fremdenverkehr profitiere nicht davon. Dann ging die Rechnung an das Waldcafé. "Wieso", fragt Tremmel, "wir sind doch gar nicht der Veranstalter."

Die Tremmels warteten erst mal ab. Ein halbes Jahr sei gar nichts passiert, dann der Mahnbescheid ins Haus geflattert. Nach dem Widerspruch kam es im Sommer vorigen zur Klage vor dem Amtsgericht Stuttgart, das die Sache mit einem Beschluss entschied, nach Aktenlage, ohne mündliche Anhörung. Ergebnis: Das Waldcafé muss zahlen – Gema-Gebühren plus Verfahrenskosten. "Das waren um die 1000 Euro", sagt Tremmel, "das hat uns richtig weh getan." Auch den Senioren hat das erst mal die Stimme verschlagen.

Derzeit ruht das Volksliedersingen im Waldcafé, es ist im Winter ohnehin geschlossen. Ob und wie die fröhliche Runde weitergeht, ist derzeit offen. Tremmel kann’s nicht verstehen: "Die Leute sind ja bloß da, singen und sind glücklich." Derzeit suchen die Senioren eine Möglichkeit, die Runde fortzuführen, ohne jedes Mal zahlen zu müssen.

Möglichkeiten für eine Gebührenbefreiung gibt es offenbar durchaus. Laut Gaby Schilcher, Pressesprecherin der Gema-Generaldirektion in München, hätten die Urheber von Musik oder deren Erben grundsätzlich dann ein Recht daran, für die Nutzung ihrer kreativen Leistung bezahlt zu werden, "so lange die Lieder geschützt sind und öffentlich genutzt werden". Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod der Autoren. Lieder, die älter und später nicht bearbeitet worden seien, können demnach öffentlich gesungen oder gespielt werden, ohne dass man eine Lizenz benötige. "Allerdings benötigen wir nach der Veranstaltung gegebenenfalls eine Titelliste, um dies überprüfen zu können", so Schilcher.

Außerdem: Öffentlichkeit ist im rechtlichen Sinne nicht gleich Öffentlichkeit. "Man muss unterscheiden, ob die Senioren miteinander singen oder ob ein Seniorenchor oder eine Gruppe für Gäste singt", so Schilcher. Miteinander zu singen, sei "in der Regel nicht öffentlich und damit nicht lizenzpflichtig". Werde für andere bei einer öffentlichen Veranstaltung gesungen, dann schon. "Wenn die Kollegen des Kundencenters die Information haben, dass die Senioren zusammen ohne Publikum singen, wird die Veranstaltung nicht lizenziert", so die Pressesprecherin. Oft sei hier einfach "die Kommunikation nicht eindeutig".

Das könnte der Kern des Problems sein. Eine Beratung seitens der Stadt habe es nicht gegeben. Andererseits scheint die Gema die Senioren, nicht nur die Gaststätten auf dem Radar zu haben. Ein Treff hätte zuletzt in einem anderen Lokal stattgefunden, die Gema-Rechnung folgte prompt. "Manchmal könnte man fast den Eindruck haben, dass uns jemand auf dem Kieker hat", sagt Fritz Baur. Und jetzt? Die Senioren wollen sich nun schlau machen. Laut Presseberichten haben andere Volksliederkreise in Deutschland ähnliche Erfahrungen gemacht, wurden dann aber von den Gebühren befreit. Es gibt also einen Ausweg. Im Mai, dem Wonnemonat, will die Runde spätestens wieder fröhliche Volkslieder anstimmen. "Wir haben die Absicht, weiter zu singen", so der 83-Jährige, "da gibt es kein Vertun."

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