Joachim Möhrle hat sein Amt als Botschafter des Handwerks abgegeben. Im Ruhestand hat der gebürtige Freudenstädter aber noch viel vor. Foto: Handwerkskammer Foto: Schwarzwälder-Bote

Der Freudenstädter Joachim Möhrle gibt Amt als Handwerkskammerpräsident ab / Im Ruhestand will er studieren

Freudenstadt/Region. Joachim Möhrle, Botschafter des Handwerks in Baden-Württemberg – aber nicht mehr lange. Diese Woche hat der 67-Jährige sein Amt als Präsident der Handwerkskammer Reutlingen abgegeben. Im Sommer endet seine Amtszeit als Landeshandwerkspräsident. Im Stichwort-Interview verrät er, dass der Ruhestand Herausforderung wird, und dass er trotz CDU-Parteibuchs zufrieden ist mit der grün-roten Landesregierung.

Freudenstadt

Mein Geburtsort. Dort bin ich aufgewachsen, hab meine Kindheit und Jugend verbracht. Eine schöne Zeit. War im Turn- und Sportverein aktiv, hab Wasserball gespielt, war 26 Jahre lang Vorsitzender des TSV, war 24 Jahre lang Gemeinderat in Freudenstadt. Da verbindet mich noch viel mit der Stadt. Ich denk viel und gerne an diese Zeit zurück. Heimat, Ort, an dem man sich wohl fühlt. Das wird bei mir in Zukunft Düsseldorf sein, ich werde im Sommer dort mit meiner Frau zusammenziehen.

Alter

Bemerkt man erst, wenn ein Taxifahrer am Straßenrand zu einem sagt: Steigen Sie ein, ich nehm gerne Ältere mit, der junge Mann soll warten (lacht). Das ist mir so passiert vor einem Jahr in Berlin.

Ruhestand

Eine Herausforderung für jeden, der ihn vor sich hat, so wie ich. Man muss aufpassen, dass man nach aktiver Zeit nicht urplötzlich in ein tiefes Loch fällt. Ich will mein Hobby intensivieren: Geschichte. An der Heinrich-Heine-Universität will ich als Gasthörer auftreten, vielleicht sogar ein volles Studium beginnen.

Arbeit

Ist für mich Lebensinhalt. Glücklich ist, wem Arbeit Freude macht. Das war bei mir in all den Jahren immer der Fall.

Stress

Hat man immer mal wieder. Ehrlich gesagt wundere ich mich aber, was manche heute alles als Stress bezeichnen. Stress ist für mich, wenn man keine Freude hat und unter Druck arbeiten muss oder überfordert ist. Die kleinbetriebliche Struktur im Handwerk halte ich in dieser Hinsicht für eine Stärke. Wenn der Chef noch die Sorgen und Nöte der Mitarbeiter kennt, vielleicht alle zusammen noch im selben Sportverein sind, schafft das eine angenehme Atmosphäre.

Handwerk

Die wichtigste Säule des Mittelstands mit großen Zukunftsaussichten.

Frauenquote

Wir haben im Handwerk Verbesserungsbedarf. Ich hab es leider in meiner 15-jährigen Amtszeit nicht geschafft, dass die Arbeitgeber eine Frau in die Vollversammlung der Handwerkskammer entsenden. Rückblickend würde ich sagen: Das ist eine meiner größten Niederlagen, weil es genügend qualifizierte Frauen gibt. Schade.

Fachkräftemangel

Fürs Handwerk ist das ein großes Problem. Immer weniger junge Leute gehen heute in die duale Ausbildung. Es herrscht ein zu hoher Drang zum Studium. Plastisch gesagt, herrscht immer noch die Meinung vor, dass nur Menschen mit Abitur und Studium einen wertvollen Menschen abbilden.

Hauptschule

Die Hauptschule ist tot. Das sieht man daran, dass Eltern ihre Kinder nicht mehr hinschicken. Ich bin überzeugt: An der Gemeinschaftsschule führt kein Weg vorbei. Wir vom baden-württembergischen Handwerk haben 2004 in einem Papier das längere gemeinsame Lernen gefordert und gesagt, dass das Trennen der Kinder nach der vierten Klasse ein Fehler ist.

Grün-rote Landespolitik

Als Landeshandwerkspräsident kann ich sagen: Wir haben einen exzellenten Kontakt zur Landesregierung. Das Handwerk hat dort einen hohen Stellenwert. Grün-Rot setzt das Schulkonzept um, das wir schon vor zehn Jahren gefordert hatten. Wir haben es mit dieser Landesregierung auch geschafft, das Fach Wirtschaft in allen Schularten festzuschreiben, auch das ist eine alte Forderung des Handwerks. Wir versprechen uns davon eine Stärkung der dualen Ausbildung.

Lobbyist

Ja, als Landeshandwerkspräsident bin ich Lobbyist. Und ich halte es für legitim. Wir haben in Baden-Württemberg rund 130 000 Handwerksbetriebe mit 700 000 Beschäftigten und 66 000 Lehrlingen, wir vom Handwerkstag bündeln die Interessen. Wir weisen die Politik auf Probleme und Wünsche der Handwerksbetriebe hin. Politiker können ja nicht alles wissen. Aber es muss offen passieren. Hinterzimmerlobbyismus, bei dem womöglich noch Geld fließt, ist für alle Beteiligten gefährlich.

Wünsche

Ich hab nur einen: Gesund bleiben. Ansonsten bin ich wunschlos glücklich.

u Die Fragen stellte Lena Müssigmann