Sergej W. träumte vom großen Geld. Symbolbild. Foto: dpa

Stadt leidet unter medialem Interesse am mutmaßlichen Attentäter. Von einem "Leben ohne Arbeit" geträumt.

Freudenstadt/Dortmund - Die Tourismus-Chefs in Freudenstadt müssten eigentlich in die Hände klatschen. Die Sonne scheint, die Bäume treiben aus und das 23.000-Einwohner-Städtchen im Schwarzwald steht derzeit täglich in allen Zeitungen der Republik, alle bedeutenden Fernsehsender berichten fortlaufend über Neuigkeiten. Wenn da nicht der bittere Hintergrund wäre: Der mutmaßliche Attentäter, der am 11. April den Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund verübt hat, soll von hier sein. Die plötzliche Medienpräsenz löst unterschiedliche Befindlichkeiten aus. Während die einen die Neuigkeiten gradezu aufsaugen, sehnen sich andere nur noch nach Ruhe.

Markus Kübler gehört zur zweiten Kategorie. Der Wirt betreibt eine Gaststätte am Stadtbahnhof. Seit die FAZ berichtet hatte, der mutmaßliche Attentäter Sergej W. sei hier Stammgast gewesen, kreuzten bei ihm Kamerateams praktisch aller großer Sender auf. Kübler erklärt mittlerweile genervt, dass das nicht stimme. "Wir kennen ihn nicht", so der Gaststätten-Betreiber. Drehteams schickt er allesamt weg.

"Bild" legte am Montag nach und beruft sich dabei auf einen gleichaltrigen "Kumpel aus Berufsschultagen". Demnach sei der talentierte Elektrotechniker, der seine Lehre mit der Note 1,5 und einem Preis der Berufsschule in Freudenstadt abgeschlossen hatte, zwar "strebsam". Allerdings hätte er eigentlich von einem "Leben ohne Arbeit" geträumt – von Reisen und "vom großen Geld". Er habe Sportwetten abgeschlossen, aber irgendwann aufgegeben, weil "er verliere eh immer nur".

Über einen anderen Weg könnte Sergej W. ein Ziel gesehen haben: Ein Verbrecher geht in New York über Leichen, um mit Wetten auf abstürzende Börsenkurse und steigende Goldpreise reich zu werden.  Was Hollywood im US-Thriller "Pelham 123" mit Denzel Washington und John Travolta in den Hauptrollen umgesetzt hat, ist viel mehr als nur ein dramatischer Kinostoff. Auch das Computerspiel "Grand Theft Auto V"  verspricht durch gezielte Tötungen und damit verbundene Aktienspekulationen das große Geld. Quasi über Nacht könne man mit den Charakteren Millionär werden, so wirbt das

Blockbusterspiel und gibt genaue Handlungsanweisungen für Killeraktionen. Ob  W.  mit Videospielen auskennt, ist aber ungeklärt.

Derweil scheint es so, als ebbe die Medienwelle in Freudenstadt allmählich ab. Für Patrick Birnesser, Pressesprecher der Stadt Freudenstadt, ist es wieder ruhiger. "Was wir beantworten konnten, haben wir beantwortet." Für alles weitere wird an die Bundesanwaltschaft verweisen. Und die Leitung der Berufsschule, die W. einst besuchte, blockt komplett ab, will sich gar nicht zum Thema äußern.