Weil eine Frau im Asylbewerberheim auf eine Mitbewohnerin eingeschlagen hat, wurde sie zu einer dreimonatige Bewährungsstrafe, umgewandelt in 90 Tagessätze à zehn Euro, verurteilt. (Symbolfoto) Foto: dpa

Streit unter Mitbewohnern im Asylbewerberheim landet vor Gericht. Pakistani soll sie belästigt haben. Bei Prozess ist Sprachen-Wirrwarr.

Freudenstadt - Wie schwierig das Zusammenleben vieler Menschen mit unterschiedlichen Sprachen und Kulturen unter einem Dach sein kann, wurde deutlich, als es am Freudenstädter Amtsgericht zu einer Verhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung kam. Auslöser war eine Schlägerei im Freudenstädter Asylbewerberheim.

Auf der Anklagebank saß eine 25-jährige Frau bosnischer Herkunft mit ihrem Dolmetscher. Sie wohnt derzeit noch im Asylbewerberheim und wartet auf die Bewilligung ihres Asylantrags. Ihr wurde vorgeworfen, am 30. September vergangenen Jahres mit einem abgebrochenen Besenstil einem anderen Bewohner Schmerzen zugefügt und diesen so misshandelt und verletzt zu haben, dass dieser am Arm geblutet hat. Außerdem soll sie mit der Bratpfanne nach ihm geschlagen, ihn aber nicht getroffen haben. Der Staatsanwalt wertete dies als gefährliche Körperverletzung.

Die Angeklagte berichtete über das Geschehen am Tattag und in der Nacht zuvor. "Ja, ich habe ihn geschlagen, das stimmt", ließ sie übersetzen. Der Mann habe sie und ihre jüngere Schwester schon längere Zeit sexuell belästigt. Am Abend zuvor habe er zunächst sie küssen und in sein Zimmer drängen wollen. Als sie sich gewehrt habe, habe er es bei ihrer Schwester versucht. Am nächsten Morgen habe sie den Vorfall dem Hausmeister erzählt. Der habe aber nur gelacht, als sie sich beschwerte, und gesagt, er werde es weiterleiten. Er habe den Mann dann doch zur Rede gestellt, aber dieser habe alles abgestritten und die Dinge verdreht. Sie sei so wütend geworden, dass sie mit dem Besenstil zugeschlagen habe, auch mit der Bratpfanne, sagte die 25-Jährige. Ihr Bruder habe sich in die Schlägerei ebenfalls eingemischt.

Der 34-jährige Geschädigte, ein Asylbewerber aus Pakistan, ließ im Zeugenstand von seiner Dolmetscherin übersetzen, dass er sich nicht schuldig gemacht habe und zu Unrecht geschlagen worden sei. Er bestritt die sexuellen Übergriffe im Heim. Einen Bekannten hatte er beauftragt, in der Küche zu filmen, als die Situation eskalierte. Das Handy-Video, auf dem die Tätlichkeiten der Angeklagten zu sehen waren, wurde während der Verhandlung gezeigt. Es habe ihr keiner geholfen, sie sei schon sechs Monate immer wieder belästigt worden und verzweifelt gewesen, ließ die junge Bosnierin übersetzen. Durch aufgestaute Wut habe sie wohl die Beherrschung verloren.

Der Hausmeister, der im Heim nach dem Rechten schaut, berichtete erst von verbalen Attacken, dann von Tätlichkeiten. Der geschädigte Pakistani sei bekannt dafür, dass er versuche, sobald neue Frauen im Heim angekommen sind, sich an diese heranzumachen. Er sei diesbezüglich sehr aufdringlich.

Ein weiterer pakistanischer Asylbewerber machte als Zeuge der Situation eine Aussage. Sprachbarrieren und Hintergrundgeräusche durch ständige Simultanübersetzungen machten es dem Gericht schwer, den Überblick zu behalten und Licht in das Geschehen zu bringen, um eine gerechte Strafe zu finden. "Gerichtssprache ist Deutsch", sagte Richter Axel Benz energisch, als der Dolmetscher der Angeklagten eine Frage auf Englisch an den pakistanischen Zeugen richten wollte, und vermied damit ein weiteres Sprachen-Wirrwarr im Gericht.

Nach Abschluss der Beweisaufnahme sprach der Staatsanwalt von einem minderschweren Fall sexueller Belästigung. Die Schläge seien jedoch als gefährliche Körperverletzung zu bewerten, denn der Geschädigte habe Schmerzen erlitten und sich eine Platzwunde zugezogen. Positiv zu bewerten sei, dass die Angeklagte geständig war. Außerdem sei die Situation im Asylbewerberheim schwierig. Er plädierte für eine viermonatige Bewährungsstrafe, umgewandelt zu 90 Tagessätzen à zehn Euro.

In seinem Urteil verhängte Richter Benz eine dreimonatige Bewährungsstrafe, umgewandelt in 90 Tagessätze à zehn Euro. Die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der Dolmetscher, muss die Angeklagte ebenfalls bezahlen. Da sie von Sozialhilfe lebt, wurden ihr monatliche Raten von 30 Euro angeboten. Ebenso sei eine Umwandlung in gemeinnützige Arbeit möglich, sofern ein Antrag gestellt werde, informierte Benz.

Die Bosnierin nahm das Urteil nicht an.