Rolf Linke, Armin Jöchle, Stefanie Simet, Melanie Nagel, Bärbel Altendorf-Jehle, Referent Heiner Heizmann und Moderator Benjamin Breitmaier bei der Diskussion. Foto: Blaich Foto: Schwarzwälder-Bote

Soziales: Auftakt für landesweite Aktionswoche im Kinder- und Jugendzentrum mit Podiumsdiskussion

Mit einem Referat über Kinderarmut in Baden-Württemberg und einer anschließenden Podiumsdiskussion im Kinder- und Jugendzentrum (Kijuz) ist die "Liga im Landkreis Freudenstadt" in die landesweite "Aktionswoche gegen Armut" gestartet.

Freudenstadt. Renate Braun-Schmid, Geschäftsführerin der Diakonischen Bezirksstelle Freudenstadt, und Jugendsozialarbeiter Rüdiger Holderried begrüßten eine Reihe von Interessierten im Kijuz. Referent war Heiner Heizmann vom Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der zu den Themen Armut und Kinderarmut sprach. Er präsentierte auch Ansätze für Lösungen dieser Probleme.

Das Risiko im Landkreis liegt bei 15,4 Prozent

"Armut ist mehr als der materielle Mangel, sondern auch ein Mangel an sozialen und kulturellen Mitteln, und sie beeinflusst alle Lebensbereiche", so Heizmann. Armut hänge eng mit der sozialen Herkunft zusammen. Oft sei von "relativer Armut" die Rede. Dies bedeute, dass zwar die Existenz der Betroffenen noch nicht gefährdet sei, aber eine Teilhabe an der Gesellschaft nicht mehr voll möglich sei.

Am stärksten betroffen von Armut seien Erwerbslose (54,1 Prozent), Alleinerziehende (48 Prozent) und Minderjährige (34 Prozent). Derzeit würden in Baden-Württemberg etwa 325 000 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre unterhalb der Armutsgrenze leben, informierte Heizmann. Das Armutsrisiko im Landkreis liege mit 15,4 Prozent genau auf dem des Landesdurchschnitts. Eltern- und Kinderarmut würden dabei unmittelbar zusammenhängen: Wenn Eltern armutsgefährdet seien, sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich dies auf ihre Kinder übertrage.

Bildung sei die beste Armutsbekämpfung, sagte der Referent. Statistiken hätten gezeigt, dass es je nach sozialer Herkunft der Kinder bereits in den Grundschulen in zentralen Kompetenzen wie Lesen erhebliche Unterschiede gebe. Diese Differenzierung setze sich dann in den weiterführenden Schulen fort. Das Armutsrisiko liege bei Hauptschülern bei 16,5 Prozent und bei Jugendlichen ohne Schulabschluss bei 40,9 Prozent. Eine abgeschlossene Berufsausbildung sei jedenfalls ein guter Schutz, um nicht arm zu werden, erläuterte Heizmann.

Durch die Podiumsdiskussion auf der Bühne im Kijuz führte Benjamin Breitmaier. Als Diskussionsgäste begrüßte er Rolf Linke (Lehrer an einer Waldorfschule), Armin Jöchle (Bürgermeister in Eutingen), Stefanie Simet (Leiterin des Dezernats für Soziales beim Landratsamt), Melanie Nagel (Kreisrätin) und Bärbel Altendorf-Jehle (Stadträtin). Sie stellten Ideen zur Linderung der Kinderarmut vor. Dabei kam das Projekt "Stärke" ebenso zur Sprache wie ein "Freudenstadt-Pass", der "Sozialpass" und das Vermeiden von Bürokratie für Hilfsbedürftige.

Bürgermeister Jöchle informierte darüber, dass in seiner Gemeinde die Mitarbeiter in Kindergärten und Schulen angewiesen seien, genau hinzuschauen – um zu sehen, wo Kinder finanzielle Hilfe benötigen. Wenn es schon bei kleinen Tagesauflügen zu finanziellen Diskussionen komme, müsse Hilfe gewährleistet werden. Bedürftige bräuchten eine einzige Anlaufstelle, die ihnen in vielerlei Hinsicht weiterhelfe und die sie "an der Hand nimmt", sagte Altendorf-Jehle. Außerdem sprach sie sich für eine freie Platzwahl bei ermäßigten Karten für Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche im Kurtheater aus.

Laut Simet ist es schwierig, die Bedürftigen zu erreichen, da es bei Armut eine Hemmschwelle zu überwinden gebe. Sie erwähnte zudem die Klausurtagung des Landkreises im November, die unter dem Thema "Armut" stehe. "Kinder aus armen Familien haben keine Lobby", sagte Nagel. Außerdem müsse auch Kindern aus armen Familien Musikunterricht ermöglicht werden. Linke forderte, die Gesellschaft müsse nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern unterstützen. So werde Armut gar nicht erst weitervererbt, denn jedes Kind gehöre gleich gefördert.