Zu den bestehenden Antennen auf dem Kniebiser Mast kommen zwei weitere hinzu. Foto: Schwark

Geplante Mobilfunk-Anlagen auf dem Kniebis in der Kritik. Über fünffach höhere Strahlenbelastung?

Freudenstadt - Nicht der neue Sendemast, der im Stadtteil Kniebis gebaut wird, sondern die neuen Antennen, die darauf montiert werden sollen, sorgen für einige Aufregung. Angeblich erhöht sich damit die Strahlenbelastung der Bevölkerung erheblich.

Bereits in der Sitzung des Ausschusses für Infrastruktur und Umwelt (AIU) des Gemeinderats Freudenstadt hatte die Bekanntgabe des Bauvorhabens für den neuen Sendemast unweit des Skistadions für Unmut gesorgt (wir berichteten). Es drehte sich dabei nicht um den Mast, der rund fünf Meter niedriger wird als der bestehende, sondern um zwei Antennenanlagen des Typs LTE 800 und GSM 900 der Firma Vodafone.

Der Leiter des Baurechts- und Ordnungsamts, Christoph Gerber, hatte in der Sitzung mitgeteilt, dass das Antragsverfahren erledigt sei und zur baurechtlichen Genehmigung des Masts nur noch die Statik fehle. Inzwischen wird von verschiedenen Seiten Kritik laut, dass der Gemeinderat von der Aufrüstung des Sendemasts im Vorfeld keine Kenntnis hatte und die Kröte einer erheblich stärkeren Sendleistung quasi schlucken muss.

Abstände werden heruntergerechnet

Auch die Bürgerinitiative Mobilfunk hat sich inzwischen mit dem Thema Sendeanlage auf dem Kniebis beschäftigt. Deren Mitglied Siegfried Blickle, der früher Amateurfunker war und als Experte für Mobilfunkanlagen gilt, hat ausgerechnet, dass sich die bisher genehmigte über die Antennen abgestrahlte Sendeleistung von etwa 20 000 auf einen Wert zwischen 100 000 und 150 000 Watt erhöht und somit die Strahlenbelastung um den Faktor fünf bis 7,5 ansteigt. Es handle sich somit umd einen "explosionsartigen Anstieg" der Strahlenbelastung. Das hatte Stadtrat Karl Müller bereits in der Sitzung des AIU moniert.

Anhand des Berechnungsverfahrens der Bundesnetzagentur, die die Standortbescheinigung für die Anlage erteilt hat, hat Blickle außerdem die Sicherheitsabstände dargestellt und kommt zu dem Schluss, dass diese Abstände für die Bevölkerung heruntergerechnet werden.

Hans Lambacher aus Dornstetten, Sprecher der Bürgerinitiative Mobilfunk, hält die Aufrüstung der Sendeanlagen auf dem Kniebis für "ein Unding", besonders vor dem Hintergrund des Mobilfunk-Vorsorgekonzepts, das es in Freudenstadt gibt. Bisher sei nur eine Bestandsaufnahme des Büros Nießner gemacht worden, Konsequenzen gebe es daraus aber keine. "Die Verwaltung macht, was sie will – am Gemeinderat vorbei", kritisiert er. Vor Monaten habe die Stadtverwaltung zugesichert, einen Experten aus St. Gallen einzuladen, der über das dortige St. Galler Modell zur Strahlenminimierung referieren sollte. "Das wird immer wieder hinausgeschoben", so Lambacher.

Auch Walter Trefz, ehemaliger Stadtrat der Bürgeraktion und Aktivist des BUND, bemängelt, dass auf dem Mast eine wesentlich höhere Sendeleistung zugelassen wird, ohne dass das Mobilfunk-Vorsorgekonzept, das eine Minimierung der Strahlenbelastung vorsieht, berücksichtigt werde.

Christoph Gerber von der Stadtverwaltung sieht die Thematik auf dem Kniebis dagegen unproblematisch und durchaus mit dem Mobilfunk-Vorsorgekonzept konform. Die Sicherheitsabstände würden eingehalten. Ein Standort außerhalb, wie auf dem Kniebis, sei anders zu betrachten als einer in der Stadt, wo es durch Überschneidungen von Sendenalgen höhere Strahlenbelastungen gebe. Diese Belastung wäre nach seiner Meinung auf dem Kniebis eher ein Thema, wenn unmittelbar Gebäude unter dem Sendemals stehen würden. Das sei aber nicht der Fall. Der Standort auf dem Kniebis sei einer der unproblematischsten überhaupt.

Viel wichtiger ist für Gerber, in der Innenstadt bessere Lösungen für die Mobilfunkbetreiber zu finden. Dabei komme ein stadteigenes WLAN-Netz ins Spiel, bei dem mit schwächeren Sendeleistungen gearbeitet werden könne. Dieses Thema werde im Gemeinderat Freudenstadt nochmals diskutiert. Dann werde dazu auch ein Experte eingeladen. Doch das sei ein ganz anderes Thema. Bei einer Sendeanlage im Außenbereich wie auf dem Kniebis erkenne er keine Problematik für die Bürger.

Bessere Lösungen kosten Geld

Hans Lambacher indessen ist überzeugt, dass es bessere Lösungen als die ständige Aufrüstung der Sendeanlagen gibt. Diese verursachten zwar Kosten, doch sie seien notwendig.

Ortsvorsteher Helmut Klaißle vom Kniebis weiß nichts von Widerständen von den Einwohnern des Stadtteils. Im Ortschaftsrat habe man den Neubau des Masts mit den neuen Anlagen zur Kenntis genommen. Damit sie die Angelegenheit erledigt gewesen.

Info

St. Galler Modell

"St. Galler Wireless" heißt das Mobilfunk-Konzept der Schweizer Stadt St. Gallen, das oft auch als St. Galler Modell bezeichnet wird. Es basiert auf dem Grundsatz: Mehr Daten mit weniger Strahlung. Es ging nach einem Pilotversuch in der dortigen Innenstadt 2014 in den Normalbetrieb. Es besteht aus einem kostenlosen dichten städtischen WLAN-Netz aus Kleinst-Funkzellen. Diese Hotspots sind direkt an das Glasfasernetz angeschlossen. Dadurch befinden sich zwischen dem Endgerät und der Antenne nur wenige Meter und kaum Hindernisse, die die Funkwellen überwinden müssen.