Der Angeklagte Hussein K. im Gerichtssaal neben seinem Verteidiger Sebastia Glathe. Foto: dpa

56-jährige Pflegemutter glaubt Altersangaben nicht. Zahlreiche Zeugen sagen vor dem Landgericht Freiburg aus.

Freiburg -  Verhandlungstag fünf im Prozess gegen Hussein K. um den Mord an der Medizinstudentin Maria L. vor der Jugendkammer am Freiburger Landgericht: Das Gericht hatte sich einen regelrechten Marathon an Zeugenvernehmungen vorgenommen: Neun Personen waren geladen, darunter zwei junge Bekannte des Angeklagten, von denen aber nur einer vor Gericht erschien, zwei Mitarbeiter der Sozialbehörden, mehrere Lehrer und die Pflegemutter des mutmaßlichen Sexualmörders. Der fehlende Zeuge habe möglicherweise keine Ladung vom Gericht erhalten, hieß es.

Die anwesenden Zeugen hingegen zeichneten in ihren Aussagen ein Bild des Angeklagten, das nicht wirklich zu den schweren Vorwürfen gegen Hussein K. passen will.

Der erste junge Zeuge des Tages schilderte den Mordverdächtigen beispielsweise als freundlichen Kumpel, mit dem er sich wiederholt zum Trinken im Freiburger Colombipark getroffen habe. Eine halbe Flasche Wodka pro Person sei üblich gewesen, erklärte der Zeuge, dem gegenüber sich Hussein K. als Erwachsener ausgegeben haben soll. Auch bei den beiden Zeugen, die nach dem jungen Flüchtling vernommen wurden, ging es um die Frage nach dem Alter von Hussein K.: Die beiden 58 und 34 Jahre alten Beschäftigten der Sozialbehörden im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald und in Freiburg hatten bei der Registrierung in Freiburg und im Zusammenhang mit dessen Unterbringung in einer Pflegefamilie in der Stadt mit Hussein K. zu tun. Beide berichteten, dass sie keine Zweifel an den Angaben des Angeklagten gehabt hätten, als dieser im Herbst 2015 behauptete, noch minderjährig zu sein. Ähnliches sagten auch die Lehrer aus, die Hussein K. unter anderem in Deutsch und Holzarbeiten unterrichteten.

Im Mittelpunkt des Interesses stand jedoch die Aussage der Pflegemutter (56), bei deren Familie Hussein K. zur Zeit des Mordes an Maria L. lebte: Die Frau berichtete in ihrer Aussage, dass Hussein K. im Haus ihrer Familie sehr selbstständig gelebt und sich in seiner 70 Quadratmeter großen Einliegerwohnung selbst versorgt habe. Dafür habe er monatlich 400 Euro erhalten und sich manchmal durch Gartenarbeit etwas dazuverdient. Einen engen Anschluss an die Familie, zum Beispiel bei gemeinsamen Mahlzeiten, habe es aber weitgehend nicht gegeben. Der Angeklagte habe hierfür wenig Interesse gezeigt.

Berührungspunkte gab es dennoch: So besuchte die Frau zusammen mit dem Angeklagten zwei Tage nach dem Mord an Maria L. ein Kulturfest, wo Hussein K. eine Gesangsdarbietung vor den Besuchern bot. In der Zeit nach dem Mord habe Hussein K. häufiger in der Schule gefehlt, aber immer noch einen ausgeglichenen Eindruck auf sie gemacht. Sie habe ihn auch auf den Mord angesprochen, er habe aber gesagt, dass er damit nichts zu tun habe. Die Frau betonte, dass sie keinerlei Verdacht gegen Hussein K. gehegt habe. Interesse an den Ermittlungen habe er auch nicht gezeigt.

Manchmal sei er für mehrere Nächte weg gewesen, meist habe er seine Freunde um sich gehabt. Insgesamt habe sie sich recht engmaschig um das gekümmert, was Hussein K. tat: Er musste ihr sagen, wo er ist, sie ging mit ihm einkaufen und achtete darauf, dass die Wohnung gepflegt wurde. Alkohol sei in der Wohnung verboten gewesen. Dass er bei seinem Alter gelogen habe, sei ihr immer klar gewesen, so die Frau. Diese Erfahrung habe sie oft in ihrer ehrenamtlichen Arbeit mit jungen Flüchtlingen gemacht.