Der Tatort: In diesem Kosmetikstudio in der Freiburger Innenstadt wurde Gülsen A, erschossen. Foto: Deckert

Hinrichtung im Kosmetikstudio: Gericht bescheinigt Angeklagtem Heimtücke und niedere Beweggründe.

Freiburg - Es war ein heimtückischer Mord aus niederen Beweggründen. Zu diesem Schluss ist die große Strafkammer des Freiburger Landgerichts im Prozess gegen Kemal P. (Name geändert) gekommen. Er wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

 Der 43 Jahre alte Mann hatte am 11. September 2015 seine Stieftochter Gülsen A. (Name geändert) an deren Arbeitsplatz in einem Freiburger Kosmetikstudio mit drei Schüssen aus nächster Nähe regelrecht hingerichtet. "Wer das tut, der will auch töten", so die Vorsitzende Richterin Eva Kleine-Cosack.

Der Grund seien familiäre Konflikte gewesen, die das Selbstwertgefühl des Täters gekränkt hätten, so die Überzeugung des Gerichts. Der Forderung von Staatsanwalt Matthias Rall, eine besondere Schwere der Schuld des Angeklagten festzustellen, kam das Gericht allerdings nicht nach. Kemal P. kann also darauf hoffen, nach frühestens 15 Jahren das Gefängnis wieder verlassen zu können.

Ausschweifende Erklärung

Dem Urteil waren fünf Verhandlungstage vorausgegangen. Den letzten Tag der Beweisaufnahme hatte der mehrfach wegen verschiedenster Delikte vorbestrafte Angeklagte zu einer ausführlichen Stellungnahme genutzt. In ausschweifenden, fast schon wirr anmutenden Sätzen hatte er dargelegt, dass er sich immer als verantwortlichen Familienvater empfunden habe ("Ich habe immer für meine Familie gesorgt, auch wenn ich das auf kriminelle Weise getan habe"), der mit Frau und Kindern gern in die Disco, ins Schwimmbad und die Shisha-Bar gegangen sei.

Dass er seine Stieftochter getötet habe, habe nichts damit zu tun, dass die junge Frau ihn in seiner Ehre verletzt habe, als sie sich in der Familie gegen ihn stellte. Warum er die Frau erschoss, konnte der Mann allerdings auch nicht erklären: "Es hätte jeden treffen können", so seine schwammige Aussage zu der Motivfrage.

Für das Gericht war der Beweggrund hingegen deutlich klarer: Der 43-Jährige, dem Gutachter Frank Stefan Müller zwar eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, aber keine eingeschränkte Schuldfähigkeit bescheinigte, habe wohl nicht verkraftet, dass seine Frau sich von ihm trennen wollte und gab deren Tochter aus einer früheren Ehe dafür die Schuld. Ende Juli 2015 hatte das Amtsgericht zudem ein Annäherungsverbot für den Mann erlassen, nachdem er seine Frau gewalttätig angegangen und seine Familie mit dem Tode bedroht hatte. Diesen Rauswurf habe Kemal P. nicht ertragen. Mit dem Mord an Gülsen A. habe er versucht, sein angekratztes Ego wieder auf die Reihe zu bekommen. Anlass und Tat stünden in "einem krassen Missverhältnis", betonte Richterin Kleine-Cosack gestern.

Gutachten bezweifelt

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Staatsanwalt Matthias Rall sagte lediglich, dass er eine Revision prüfen wolle. Als sicher dürfte dagegen die Revision des Angeklagten gelten: Verteidiger Thorsten Schulte-Günne hatte lediglich auf Totschlag und zehn Jahre Haft für seinen Mandanten plädiert, der aus Sicht des Anwalts im Affekt gehandelt haben könnte und dessen Schuldfähigkeit er zudem anzweifelte. Zwei Stunden hatte Schulte-Günne versucht, die Ergebnisse von Gutachter Frank-Stefan Müller infrage zu stellen. Doch dieser blieb bei seiner Sicht, die am Ende auch das Gericht teilte: Der Angeklagte habe "ruhig, geordnet und entschlossen" gehandelt, als er die junge Frau erschoss.

Die Vertreter der Nebenklage hatten sich in ihrem Plädoyer der Forderung der Staatsanwaltschaft angeschlossen. Der Angeklagte hatte in seinem Schlusswort gesagt, dass die Tat ihm leid tue. Zwischen seinen Angehörigen und der Familie des Opfers kam es nach der Urteilsbegründung im Gerichtssaal zu verbalen Scharmützeln.