Haushaltet mit seinen Gefühlen: Francois Fillon, Spitzenkandidat der Konservativen. Foto:  

Frankreichs zerstrittene Linke droht im Präsidentschaftsrennen früh auf der Strecke zu bleiben. Le Pen erklärt den Favoriten Fillon zum Volksfeind Nummer eins.

Paris - Gewiss, er weiß mit seinen Emotionen zu haushalten. Aber dass da am Montag nicht einmal die Andeutung eines Siegerlächelns aufscheint, überrascht dann doch. Francois Fillon hätte schließlich guten Grund, zu frohlocken. Er, der nach dem misslungenen Griff nach dem Parteivorsitz 2012 in der politischen Versenkung zu verschwinden drohte, der als Mister Nobody Verspottete, hat sich bei den Vorwahlen am Sonntag mit 66,5 Prozent der Stimmen gegen seinen Rivalen Alain Juppé durchgesetzt. Als Hoffnungsträger der „Republikaner“ zieht der frühere Premier Nicolas Sarkozys nun in den Präsidentschaftswahlkampf.

Laut einer am Montag veröffentlichten Umfrage des Instituts Odoxa darf der katholisch-konservativ geprägte wirtschaftsliberale Reformer hoffen, auch diese Hürde souverän zu nehmen und in den Elysée-Palast einzuziehen. Wenn der 62-Jährige nicht frohlockt, dann wohl deshalb, weil er in seiner politischen Laufbahn mehrfach schmerzlich erfahren musste, dass es schnell bergab gehen kann. Und noch etwas gemahnt zu Zurückhaltung: So schwierig es war, sich bei den Vorwahlen gegen die politischen Schwergewichte Nicolas Sarkozy und Alain Juppé durchzusetzen: Das Schwierigste kommt noch.

Fünf Monate bis zur Wahl

Drei von 4,5 Millionen abstimmenden Sympathisanten der Rechten und der politischen Mitte hat der Abgeordnete bei der Kandidatenkür der Konservativen überzeugt. Im Frühjahr muss er 17 Millionen Franzosen von sich überzeugen, soll es mit dem von den Meinungsforschern prophezeiten Einzug in den Elysée-Palast klappen. Fünf Monate Zeit hat Fillon dafür. Dass ihm zur Linken ein starker Gegner erwächst, ist bisher wenig wahrscheinlich. Was insofern erstaunen mag, als es ein Leichtes sein müsste, einem sich radikal wirtschaftsliberal gebärdenden Gegner als Retter des Sozialstaats Paroli zu bieten.

Fillons Pläne – ein massiver Stellenabbau im öffentlichen Dienst, eine drastische Reduzierung der Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen oder auch Wochenarbeitszeiten bis zu 48 Stunden – bieten vortreffliche Angriffsflächen. Wenn es für die Linke schlecht aussieht, dann deshalb, weil sie heillos zerstritten und niemand in Sicht ist, der sie einen und in ihrem Namen Fillon Paroli bieten könnte. Staatschef Francois Hollande stolpert von einem Popularitätstief ins nächste, was ihn nicht hindert, eine neuerliche Kandidatur ins Auge zu fassen. Der Rest der Genossen verfährt nach der Devise: Rette sich, wer kann.

Linke tut sich schwer

Premier Manuel Valls denkt laut darüber nach, seinen Chef herauszufordern und gegen Hollande anzutreten. Der Linksaußen Arnaud Montebourg, Wirtschaftsminister a. D., hat seinen Hut bereits in den Ring geworfen. Während die Genannten grundsätzlich bereit wären, sich einer Ende Januar anberaumten Vorwahl zu stellen, suchen andere links Beheimatete ihr Glück im Alleingang. Jean-Luc Mélenchon von der Linkspartei, Yannick Jadot von den Grünen oder auch Sylvia Pinel von der Radikalen Linkspartei zählen zu ihnen. Womit sich eine Neuauflage des Schreckensszenarios von 2002 anbahnt. Damals waren es der mehr oder weniger links stehenden Kandidaten so viele, dass keiner von ihnen in die Stichwahl vordrang, auch der damalige Premier Lionel Jospin nicht.

Nutznießer waren der konservative Jacques Chirac und der Rechtspopulist Jean-Marie Le Pen. Sie lieferten sich ein Duell, das Chirac letztlich mit 82 Prozent der Stimmen klar für sich entschied. Ernst nehmen muss Fillon sicherlich die Kandidatur Emmanuel Macrons. Der ehemalige Investmentbanker, der nach eigenem Bekunden „weder der Linken noch der Rechten“ angehört, will die Wirtschaft ebenfalls von Blockaden befreien, steht dem gesellschaftlichen Wandel aber aufgeschlossener gegenüber als Fillon. An der Seite des ehemaligen Wirtschaftsministers, der sich in der Start-up-Szene zu Hause fühlt und den digitalen Fortschritt preist, wirkt der Kandidat der Konservativen wie ein Ewig-Gestriger.

Le Pen gibt sich als Retterin

Vor allem aber muss Fillon Sorge tragen, dass Marine Le Pen ihm nicht den Weg verstellt. Am Montag hat die Chefin des Front National (FN) ihn bereits als Volksfeind Nummer eins ausgewiesen. „Fillon plant den schlimmsten sozialen Kahlschlag, den es je gab“, versicherte Le Pen. Ihr Versprechen, die Franzosen vor den Grausamkeiten der Globalisierung zu bewahren, klingt vor dem Hintergrund der die von Fillon anvisierten Reformen verführerischer denn je. Zustatten kommt der Rechtspopulistin auch, dass Fillon anders als ihr langjähriger Widersacher Sarkozy auf Stimmungsmache gegen Einwanderer und Muslime verzichtet. Le Pen kann sich so als einzige profilieren, die Frankreich vor angeblich drohender Überfremdung bewahrt.

Ganz ungetrübt ist die Genugtuung indes nicht. Negativ schlägt aus Sicht Le Pens zu Buche, dass Fillon als bekennender Katholik und Anhänger eines traditionellen Familienbildes auf Sympathien zumal südfranzösischer FN-Anhänger zählen darf. So mancher könnte versucht sein, der rechtsradikalen Partei den Rücken zu kehren und sich dem äußerst seriös auftretenden Fillon anzuvertrauen. Viel spricht also dafür, dass Frankreichs Präsidentschaftswahlen auf ein Duell Fillon – Le Pen hinauslaufen. Die Meinungsforscher sehen das genauso. Sie glauben außerdem zu wissen, dass Fillon es klar für sich entschieden würde – aus heutiger Sicht, versteht sich.