Eine Fertigungsplanung bei Großprojekten könnte Kosten sparen helfen, sagen Wissenschaftler. Foto: Mierendorf

Am Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart wird an Methoden gearbeitet, die das Bauen planbarer und wirtschaftlicher machen.

Professor Dr. Fritz Berner, Ordinarius am Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart, vergleicht das Bauen gerne mit einem Film. 'Bevor die Schauspieler ihren ersten Satz am Set sagen, ist jede einzelne Aufnahme bis ins kleinste Detail geplant.' So ein Drehbuch gebe es beim Bauen bislang nicht, erklärt er. Zwar gibt es Zeichnungen, wie das Endprodukt auszusehen hat, auch gebe es Vorgaben, mit wie vielen Arbeitern man wann und wo zu arbeiten gedenkt. Was fehlt, sei aber eine echte Fertigungsplanung, so, wie man sie zum Beispiel aus der Automobilindustrie kennt. Der Wissenschaftler geht davon aus, dass rund 20 Prozent der Arbeitsstunden an einem Bauprojekt ins Leere laufen, weil Bauprojekte derzeit nicht detailliert genug geplant werden.

'Kein Hersteller würde auf die Idee kommen, mit der Produktion eines Autos zu beginnen, ohne dass die Fertigungsprozesse geplant sind. Beim Bauen ist es leider in vielen Bereichen immer noch so, dass man erst während des Bauens detaillierter weiterplant und von Anfang an gar nicht alle Endpunkte fixiert hat', kritisiert der Bauingenieur. Ginge es nach Berner, würden heute die meisten Großprojekte ab etwa drei bis vier Millionen Euro, an denen mehrere Firmen parallel arbeiten, über eine Fertigungsplanung gesteuert werden. Das Prinzip: die einzelnen Arbeitsschritte werden wie bei einer Fabrikproduktion bis auf eine Zeiteinheit von einer Minute heruntergebrochen.

Am Anfang steht die Erfassung der Daten

Dadurch wäre es laut Berner möglich, den einzelnen Gewerken genaue Vorgaben zu machen, in welcher Zeit sie mit wie vielen Leuten an welchem Tag und Ort welche Arbeiten auszuführen hätten. 'Durch die detaillierte Vorgabe und die Vernetzung mit allen Aufgaben rund um das Objekt hätten wir die Terminschiene endlich im Griff', sagt er. Eigentlich handelt es sich bei der Fertigungsplanung am Bau um eine Art REFA-Technik, also die klassische Arbeitsstudie. Am Anfang steht dabei die Erfassung der Daten. Wie lange braucht der Fliesenleger, um einen Quadratmeter zu fliesen? Wie lange dauert es, bis ein Fenster montiert ist . . .?

'Sind diese Daten erst einmal komplett erfasst, kann man sie fortschreiben.' Bislang gibt es am Bau in vielen Bereichen lediglich eine Arbeitsvorbereitung. Dabei wird festgelegt, wie die Baustelle eingerichtet werden soll und in welchen Zeiträumen man beabsichtigt, etwas umzusetzen. 'In der Baubranche hat sich die Meinung manifestiert, dass sich Vorplanungen nicht lohnen, da ein Bauvorhaben nie so ablaufe, wie man es tatsächlich geplant hat', erklärt Professor Berner. Diese Ansicht hält der Wissenschaftler aber für falsch, da die Grundstruktur der Prozesse der einzelnen Gewerke auf der Baustelle immer gleich sei. Es sei also durchaus möglich, diese Systematik genauso wie bei der Fertigungsplanung einer Fabrik mit einer Software abzubilden.

'Das hätte den großen Vorteil, das man jeden Arbeitsschritt detailliert festlegen könnte und bei Veränderungen sofort sieht, welche Schritte einzuleiten sind, damit der Endtermin eingehalten werden kann.' In der Praxis sieht das dagegen noch ganz anders aus. 'Der Improvisationsgrad an den Baustellen ist leider immer noch erschreckend hoch', stellt Berner immer wieder fest. Beim Start eines Bauprojektes könne es zum Beispiel durchaus vorkommen, dass zu Baubeginn noch gar nicht klar ist, wer es überhaupt einmal wie nutzen wird. Solche Planungen 'ins Blaue' führten immer wieder zu enormen Verlustquellen durch Leerläufe, weil mangels Planung nicht effektiv gearbeitet werden kann.

Bislang ist die Fertigungsplanung am Bau nur Theorie

Oft müsste dieses Manko durch Überstunden aufgefangen werden. Gerade in der Endphase eines Projektes würde es oft drunter und drüber gehen und zu einem erhöhten Personaleinsatz kommen, um rechtzeitig fertig zu werden. 'Das sind alles Mehrkosten, die man durch eine richtige Fertigungsplanung vermeiden könnte', sagt der Wissenschaftler. Bislang ist die Fertigungsplanung am Bau nur Theorie. Zwar haben die Wissenschaftler am Institut für Baubetriebslehre schon einzelne Projekte simuliert, für ein echtes Großprojekt reichen aber die eigenen Forschungsmittel nicht aus. Berner hat die Hoffnung, dass sich ein Bauunternehmen findet, mit dem er einmal in der Praxis die von seinem Institut entwickelte Systematik der Fertigungsplanung umsetzen kann. Das könnte aber noch dauern.

'Das Misstrauen in ein derartiges System ist groß', stellt Berner immer wieder fest. Denn viele Praktiker können sich bislang nur schwer vorstellen, dass die vielfältigen Änderungen am Bau in ihrer Komplexität überhaupt in einem einheitlichen System erfasst werden könnten. Oft würde auch argumentiert, dass man einzelne Gewerke an Subunternehmer vergeben hätte, weshalb sich so eine Planung nicht anwenden ließe. Gerade Subunternehmer würden von einer derartigen Planung profitieren, ist der Wissenschaftler überzeugt. Heute bekommt eine Firma einen Auftrag, in x Monaten mit soundso viel Mann etwas umzusetzen.

Meistens sind diese Angaben so vage, dass sich im Laufe der Zeit etwas ändert. 'Wäre es nicht besser, wenn das Subunternehmen rechtzeitig wüsste, wenn sich etwas ändert, und danach seinen Personaleinsatz plant?', fragt Berner. Heute würde auf vielen Baustellen das Material für das ganze Gewerk auf einmal angeliefert, obwohl Teile davon erst später und vielleicht auch an einem anderen Ort benötigt würden. Hier wäre eine Just-in-time-Lieferung und Montage viel effektiver, glaubt Berner und verweist auf die Betonbranche, wo das materialbedingt schon von Anfang an so gewesen sei und hervorragend funktioniere. 'Eine Fabrik wäre so, wie die Bauwirtschaft heute noch funktioniert, gar nicht mehr existenzfähig', wundert sich der Wissenschaftler.

Dieses Jahr feiert das Institut für Baubetriebslehre in Stuttgart sein 50-jähriges Bestehen. Während in den Anfangsjahren des Instituts nur der klassische Baubetrieb betrachtet wurde, wendete man sich in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten immer stärker der Kosten- und Terminseite des Baubetriebes zu. Heute betrachtet man am Institut die Immobilie als Ganzes. Die Fertigungsplanung am Bau ist dabei nur eine Teildisziplin. Vielleicht gibt es ja als Jubiläumsgeschenk zum 50-Jährigen einen Forschungsauftrag zum Thema Fertigungsplanung aus der Bauindustrie.